Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Von dem Embryo.
und auf diese die Fleisch- und Hautschicht folgen zu lassen.
Hierdurch werden auch überflüssige Wiederholungen möglichst
vermieden. -- Um sich aber die Entstehung der Extremitäten
auf eine klare Weise zur Anschauung zu bringen, ist es nöthig,
dass wir uns die Spaltungen des serösen Blattes kurz vor der
Genese von jenen in das Gedächtniss zurückrufen. Es hatte sich
in einen centralen und einen peripherischen Theil geschieden.
Der Letztere zerfiel in ein oberes, dünneres, festeres und ein un-
teres, dickeres aber lockereres Blatt. Jenes umgab den ganzen
Embryo d. h. Rücken- und Bauchplatten zugleich, ohne nach der
Schliessung der Rückenplatten in seiner Form geändert zu seyn
und bildete nach dieser Zeit ein einfaches den ganzen Embryo
abschliessendes Rohr (die näheren Verhältnisse s. bei Entwick.
gesch. d. Haut). Nicht so dagegen die Fleisch- und Knochen-
schicht. Diese bildete ein oberes (Schädel und Wirbelsäule) und
ein unteres Rohr (Gesicht, Hals, Brust und Unterleib). Man kann
also den Typus der Fötusbildung zu der Zeit sich so denken, dass
ein oberes, später kleineres und ein unteres bald darauf grösseres
Rohr von einem einfachen beide umfassenden Rohre umgeben ist.
Zwischen den beiden inneren Röhren entsteht nun jederseits eine
nach der Länge des ganzen Körpers verlaufende Grenzlinie und
von dieser Linie aus, also unterhalb des umschliessenden, einfa-
chen (Haut-) Rohres entstehen und bilden die Extremitäten sich
hervor. Vgl. v. Bär über Entwickgesch. Th. I. tab. 1. 3. fig. 7.
Die Extremitäten gehören so der Uranlage nach der Fleisch- und
Knochenschicht allein an, während die Hautschicht mehr passiv
durch sie fortgezogen und emporgehoben wird. Sie sind aber,
wie die Sinne das centrale seröse Blatt mit dem peripherischen
vermittelen, eben so die Vermittelungsglieder zwischen der Haut-
schicht einerseits und der Fleisch- und Knochenschicht anderseits.
Bevor wir jedoch in das Specielle eingehen, müssen wir noch
bemerken, dass hier nur von den oberen und unteren Extremitä-
ten des Rumpfes die Rede ist, die dafür ausgegebenen sogenann-
ten Kopfextremitäten aber bei dem Schleimblatte werden abge-
handelt werden.

In die Furche zwischen dem oberen und unteren Rohre der
inneren Schicht des serösen Blattes legt sich auf jeder Seite eine
Masse Bildungsstoff; welcher an dieser Stelle den zwischen den
ersteren und dem äussersten Rohre entstandenen Zwischenraum

Von dem Embryo.
und auf diese die Fleisch- und Hautschicht folgen zu lassen.
Hierdurch werden auch überflüssige Wiederholungen möglichst
vermieden. — Um sich aber die Entstehung der Extremitäten
auf eine klare Weise zur Anschauung zu bringen, ist es nöthig,
daſs wir uns die Spaltungen des serösen Blattes kurz vor der
Genese von jenen in das Gedächtniſs zurückrufen. Es hatte sich
in einen centralen und einen peripherischen Theil geschieden.
Der Letztere zerfiel in ein oberes, dünneres, festeres und ein un-
teres, dickeres aber lockereres Blatt. Jenes umgab den ganzen
Embryo d. h. Rücken- und Bauchplatten zugleich, ohne nach der
Schlieſsung der Rückenplatten in seiner Form geändert zu seyn
und bildete nach dieser Zeit ein einfaches den ganzen Embryo
abschlieſsendes Rohr (die näheren Verhältnisse s. bei Entwick.
gesch. d. Haut). Nicht so dagegen die Fleisch- und Knochen-
schicht. Diese bildete ein oberes (Schädel und Wirbelsäule) und
ein unteres Rohr (Gesicht, Hals, Brust und Unterleib). Man kann
also den Typus der Fötusbildung zu der Zeit sich so denken, daſs
ein oberes, später kleineres und ein unteres bald darauf gröſseres
Rohr von einem einfachen beide umfassenden Rohre umgeben ist.
Zwischen den beiden inneren Röhren entsteht nun jederseits eine
nach der Länge des ganzen Körpers verlaufende Grenzlinie und
von dieser Linie aus, also unterhalb des umschlieſsenden, einfa-
chen (Haut-) Rohres entstehen und bilden die Extremitäten sich
hervor. Vgl. v. Bär über Entwickgesch. Th. I. tab. 1. 3. fig. 7.
Die Extremitäten gehören so der Uranlage nach der Fleisch- und
Knochenschicht allein an, während die Hautschicht mehr passiv
durch sie fortgezogen und emporgehoben wird. Sie sind aber,
wie die Sinne das centrale seröse Blatt mit dem peripherischen
vermittelen, eben so die Vermittelungsglieder zwischen der Haut-
schicht einerseits und der Fleisch- und Knochenschicht anderseits.
Bevor wir jedoch in das Specielle eingehen, müssen wir noch
bemerken, daſs hier nur von den oberen und unteren Extremitä-
ten des Rumpfes die Rede ist, die dafür ausgegebenen sogenann-
ten Kopfextremitäten aber bei dem Schleimblatte werden abge-
handelt werden.

In die Furche zwischen dem oberen und unteren Rohre der
inneren Schicht des serösen Blattes legt sich auf jeder Seite eine
Masse Bildungsstoff; welcher an dieser Stelle den zwischen den
ersteren und dem äuſsersten Rohre entstandenen Zwischenraum

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0272" n="244"/><fw place="top" type="header">Von dem Embryo.</fw><lb/>
und auf diese die Fleisch- und Hautschicht folgen zu lassen.<lb/>
Hierdurch werden auch überflüssige Wiederholungen möglichst<lb/>
vermieden. &#x2014; Um sich aber die Entstehung der Extremitäten<lb/>
auf eine klare Weise zur Anschauung zu bringen, ist es nöthig,<lb/>
da&#x017F;s wir uns die Spaltungen des serösen Blattes kurz vor der<lb/>
Genese von jenen in das Gedächtni&#x017F;s zurückrufen. Es hatte sich<lb/>
in einen centralen und einen peripherischen Theil geschieden.<lb/>
Der Letztere zerfiel in ein oberes, dünneres, festeres und ein un-<lb/>
teres, dickeres aber lockereres Blatt. Jenes umgab den ganzen<lb/>
Embryo d. h. Rücken- und Bauchplatten zugleich, ohne nach der<lb/>
Schlie&#x017F;sung der Rückenplatten in seiner Form geändert zu seyn<lb/>
und bildete nach dieser Zeit ein einfaches den ganzen Embryo<lb/>
abschlie&#x017F;sendes Rohr (die näheren Verhältnisse s. bei Entwick.<lb/>
gesch. d. Haut). Nicht so dagegen die Fleisch- und Knochen-<lb/>
schicht. Diese bildete ein oberes (Schädel und Wirbelsäule) und<lb/>
ein unteres Rohr (Gesicht, Hals, Brust und Unterleib). Man kann<lb/>
also den Typus der Fötusbildung zu der Zeit sich so denken, da&#x017F;s<lb/>
ein oberes, später kleineres und ein unteres bald darauf grö&#x017F;seres<lb/>
Rohr von einem einfachen beide umfassenden Rohre umgeben ist.<lb/>
Zwischen den beiden inneren Röhren entsteht nun jederseits eine<lb/>
nach der Länge des ganzen Körpers verlaufende Grenzlinie und<lb/>
von dieser Linie aus, also unterhalb des umschlie&#x017F;senden, einfa-<lb/>
chen (Haut-) Rohres entstehen und bilden die Extremitäten sich<lb/>
hervor. Vgl. v. Bär über Entwickgesch. Th. I. tab. 1. 3. fig. 7.<lb/>
Die Extremitäten gehören so der Uranlage nach der Fleisch- und<lb/>
Knochenschicht allein an, während die Hautschicht mehr passiv<lb/>
durch sie fortgezogen und emporgehoben wird. Sie sind aber,<lb/>
wie die Sinne das centrale seröse Blatt mit dem peripherischen<lb/>
vermittelen, eben so die Vermittelungsglieder zwischen der Haut-<lb/>
schicht einerseits und der Fleisch- und Knochenschicht anderseits.<lb/>
Bevor wir jedoch in das Specielle eingehen, müssen wir noch<lb/>
bemerken, da&#x017F;s hier nur von den oberen und unteren Extremitä-<lb/>
ten des Rumpfes die Rede ist, die dafür ausgegebenen sogenann-<lb/>
ten Kopfextremitäten aber bei dem Schleimblatte werden abge-<lb/>
handelt werden.</p><lb/>
              <p>In die Furche zwischen dem oberen und unteren Rohre der<lb/>
inneren Schicht des serösen Blattes legt sich auf jeder Seite eine<lb/>
Masse Bildungsstoff; welcher an dieser Stelle den zwischen den<lb/>
ersteren und dem äu&#x017F;sersten Rohre entstandenen Zwischenraum<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[244/0272] Von dem Embryo. und auf diese die Fleisch- und Hautschicht folgen zu lassen. Hierdurch werden auch überflüssige Wiederholungen möglichst vermieden. — Um sich aber die Entstehung der Extremitäten auf eine klare Weise zur Anschauung zu bringen, ist es nöthig, daſs wir uns die Spaltungen des serösen Blattes kurz vor der Genese von jenen in das Gedächtniſs zurückrufen. Es hatte sich in einen centralen und einen peripherischen Theil geschieden. Der Letztere zerfiel in ein oberes, dünneres, festeres und ein un- teres, dickeres aber lockereres Blatt. Jenes umgab den ganzen Embryo d. h. Rücken- und Bauchplatten zugleich, ohne nach der Schlieſsung der Rückenplatten in seiner Form geändert zu seyn und bildete nach dieser Zeit ein einfaches den ganzen Embryo abschlieſsendes Rohr (die näheren Verhältnisse s. bei Entwick. gesch. d. Haut). Nicht so dagegen die Fleisch- und Knochen- schicht. Diese bildete ein oberes (Schädel und Wirbelsäule) und ein unteres Rohr (Gesicht, Hals, Brust und Unterleib). Man kann also den Typus der Fötusbildung zu der Zeit sich so denken, daſs ein oberes, später kleineres und ein unteres bald darauf gröſseres Rohr von einem einfachen beide umfassenden Rohre umgeben ist. Zwischen den beiden inneren Röhren entsteht nun jederseits eine nach der Länge des ganzen Körpers verlaufende Grenzlinie und von dieser Linie aus, also unterhalb des umschlieſsenden, einfa- chen (Haut-) Rohres entstehen und bilden die Extremitäten sich hervor. Vgl. v. Bär über Entwickgesch. Th. I. tab. 1. 3. fig. 7. Die Extremitäten gehören so der Uranlage nach der Fleisch- und Knochenschicht allein an, während die Hautschicht mehr passiv durch sie fortgezogen und emporgehoben wird. Sie sind aber, wie die Sinne das centrale seröse Blatt mit dem peripherischen vermittelen, eben so die Vermittelungsglieder zwischen der Haut- schicht einerseits und der Fleisch- und Knochenschicht anderseits. Bevor wir jedoch in das Specielle eingehen, müssen wir noch bemerken, daſs hier nur von den oberen und unteren Extremitä- ten des Rumpfes die Rede ist, die dafür ausgegebenen sogenann- ten Kopfextremitäten aber bei dem Schleimblatte werden abge- handelt werden. In die Furche zwischen dem oberen und unteren Rohre der inneren Schicht des serösen Blattes legt sich auf jeder Seite eine Masse Bildungsstoff; welcher an dieser Stelle den zwischen den ersteren und dem äuſsersten Rohre entstandenen Zwischenraum

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/272
Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/272>, abgerufen am 21.11.2024.