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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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Von dem Embryo.
mes 1814. 4. S. 295.) den verwachsenen Zustand nur als Norm
betrachtet und Meckel (deutsches Archiv. I. S. 380.) diesen Aus-
spruch dahin berichtigt, dass sie nur in frühester Zeit des Fötus-
lebens getrennt seyen. Wir selbst haben sie zu Anfange des
dritten Monates schon bestimmt verbunden gesehen. Eben so
müssen wir mit Meckel (l. c. S. 381.) den Streit, ob die Sehhü-
gel oder die nach Tiedemanns Vorschlag (l. c. S. 134.) Anschwel-
lungen der Hirnschenkel zu nennenden Theile anfangs hohl seyen
(Gall Anat. u. Phys. d. Nerv. syst. Bd. 1. S. 144.) oder nicht
(Döllinger l. c. p. 5.), dahin berichtigen, dass sie in der ersten
Zeit (Ende des zweiten Monates) hohl, späterhin aber solid ge-
funden werden, eine Bildung der Art bei Erwachsenen jedoch durch-
aus als krankhaft angesehen werden müsse. Vermöge der zuerst
noch sehr dünnen Wandungen des grossen Gehirnes liegen diese
Theile der äusseren Oberfläche näher, als im erwachsenen Zu-
stande. Vorzüglich kann dieses von der Richtung nach den bei-
den Seitenflächen hin behauptet werden. Früher jedoch etwas
zurückbleibend, später dagegen mit desto grösserer Schnelligkeit
legt sich bald eine Massenschicht um die innere Seite der Aussen-
fläche der vordersten Hirnblase herum, um die Hemisphären zu
erzeugen. So entsteht Döllingers grosse Hirnwulst (l. c. p. 6.)
und Burdachs fächerförmige Ausstrahlung (Physiol. II. S. 429.
de foetu humano tab. I. fig. 3.), welche zum Theil die Grund-
lage der Hemisphären bildet. Diese sind zuerst dünn, bedecken
im Anfange nur die Streifenhügel und wachsen erst zu Ende des
dritten Monates über die Sehhügel herüber. Mit fortschreitender
Ausbildung nach allen Dimensionen überdecken sie vom vierten
Monate an die Vierhügel immer mehr (Tiedemann l. c. tab. 1.
fig. 6.), bis sie im sechsten Monate die vorderen Lappen des klei-
nen Gehirnes erreichen (Burdach Physiol. II. S. 430.). Im vier-
ten Monate zeigt sich die fossa Sylvii als eine kleine, noch
ziemlich seichte Vertiefung. An der Oberfläche entstehen die
Windungen nach Tiedemann (l. c. S. 141.) im vierten Monate,
nach meinen Beobachtungen schon gegen Ende des dritten *) als

*) Hierfür zeugt auch schon die Erfahrung Wrisbergs (hist. embr.
p.
21.), da sein Embryo No. II. nicht, wie er angiebt, der zehnten, son-
dern, wie die Abbildung zeigt (tab. I. fig. 2.), der zwölften bis dreizehn-
ten Woche angehört. --

Von dem Embryo.
mes 1814. 4. S. 295.) den verwachsenen Zustand nur als Norm
betrachtet und Meckel (deutsches Archiv. I. S. 380.) diesen Aus-
spruch dahin berichtigt, daſs sie nur in frühester Zeit des Fötus-
lebens getrennt seyen. Wir selbst haben sie zu Anfange des
dritten Monates schon bestimmt verbunden gesehen. Eben so
müssen wir mit Meckel (l. c. S. 381.) den Streit, ob die Sehhü-
gel oder die nach Tiedemanns Vorschlag (l. c. S. 134.) Anschwel-
lungen der Hirnschenkel zu nennenden Theile anfangs hohl seyen
(Gall Anat. u. Phys. d. Nerv. syst. Bd. 1. S. 144.) oder nicht
(Döllinger l. c. p. 5.), dahin berichtigen, daſs sie in der ersten
Zeit (Ende des zweiten Monates) hohl, späterhin aber solid ge-
funden werden, eine Bildung der Art bei Erwachsenen jedoch durch-
aus als krankhaft angesehen werden müsse. Vermöge der zuerst
noch sehr dünnen Wandungen des groſsen Gehirnes liegen diese
Theile der äuſseren Oberfläche näher, als im erwachsenen Zu-
stande. Vorzüglich kann dieses von der Richtung nach den bei-
den Seitenflächen hin behauptet werden. Früher jedoch etwas
zurückbleibend, später dagegen mit desto gröſserer Schnelligkeit
legt sich bald eine Massenschicht um die innere Seite der Auſsen-
fläche der vordersten Hirnblase herum, um die Hemisphären zu
erzeugen. So entsteht Döllingers groſse Hirnwulst (l. c. p. 6.)
und Burdachs fächerförmige Ausstrahlung (Physiol. II. S. 429.
de foetu humano tab. I. fig. 3.), welche zum Theil die Grund-
lage der Hemisphären bildet. Diese sind zuerst dünn, bedecken
im Anfange nur die Streifenhügel und wachsen erst zu Ende des
dritten Monates über die Sehhügel herüber. Mit fortschreitender
Ausbildung nach allen Dimensionen überdecken sie vom vierten
Monate an die Vierhügel immer mehr (Tiedemann l. c. tab. 1.
fig. 6.), bis sie im sechsten Monate die vorderen Lappen des klei-
nen Gehirnes erreichen (Burdach Physiol. II. S. 430.). Im vier-
ten Monate zeigt sich die fossa Sylvii als eine kleine, noch
ziemlich seichte Vertiefung. An der Oberfläche entstehen die
Windungen nach Tiedemann (l. c. S. 141.) im vierten Monate,
nach meinen Beobachtungen schon gegen Ende des dritten *) als

*) Hierfür zeugt auch schon die Erfahrung Wrisbergs (hist. embr.
p.
21.), da sein Embryo No. II. nicht, wie er angiebt, der zehnten, son-
dern, wie die Abbildung zeigt (tab. I. fig. 2.), der zwölften bis dreizehn-
ten Woche angehört. —
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[166/0194] Von dem Embryo. mes 1814. 4. S. 295.) den verwachsenen Zustand nur als Norm betrachtet und Meckel (deutsches Archiv. I. S. 380.) diesen Aus- spruch dahin berichtigt, daſs sie nur in frühester Zeit des Fötus- lebens getrennt seyen. Wir selbst haben sie zu Anfange des dritten Monates schon bestimmt verbunden gesehen. Eben so müssen wir mit Meckel (l. c. S. 381.) den Streit, ob die Sehhü- gel oder die nach Tiedemanns Vorschlag (l. c. S. 134.) Anschwel- lungen der Hirnschenkel zu nennenden Theile anfangs hohl seyen (Gall Anat. u. Phys. d. Nerv. syst. Bd. 1. S. 144.) oder nicht (Döllinger l. c. p. 5.), dahin berichtigen, daſs sie in der ersten Zeit (Ende des zweiten Monates) hohl, späterhin aber solid ge- funden werden, eine Bildung der Art bei Erwachsenen jedoch durch- aus als krankhaft angesehen werden müsse. Vermöge der zuerst noch sehr dünnen Wandungen des groſsen Gehirnes liegen diese Theile der äuſseren Oberfläche näher, als im erwachsenen Zu- stande. Vorzüglich kann dieses von der Richtung nach den bei- den Seitenflächen hin behauptet werden. Früher jedoch etwas zurückbleibend, später dagegen mit desto gröſserer Schnelligkeit legt sich bald eine Massenschicht um die innere Seite der Auſsen- fläche der vordersten Hirnblase herum, um die Hemisphären zu erzeugen. So entsteht Döllingers groſse Hirnwulst (l. c. p. 6.) und Burdachs fächerförmige Ausstrahlung (Physiol. II. S. 429. de foetu humano tab. I. fig. 3.), welche zum Theil die Grund- lage der Hemisphären bildet. Diese sind zuerst dünn, bedecken im Anfange nur die Streifenhügel und wachsen erst zu Ende des dritten Monates über die Sehhügel herüber. Mit fortschreitender Ausbildung nach allen Dimensionen überdecken sie vom vierten Monate an die Vierhügel immer mehr (Tiedemann l. c. tab. 1. fig. 6.), bis sie im sechsten Monate die vorderen Lappen des klei- nen Gehirnes erreichen (Burdach Physiol. II. S. 430.). Im vier- ten Monate zeigt sich die fossa Sylvii als eine kleine, noch ziemlich seichte Vertiefung. An der Oberfläche entstehen die Windungen nach Tiedemann (l. c. S. 141.) im vierten Monate, nach meinen Beobachtungen schon gegen Ende des dritten *) als *) Hierfür zeugt auch schon die Erfahrung Wrisbergs (hist. embr. p. 21.), da sein Embryo No. II. nicht, wie er angiebt, der zehnten, son- dern, wie die Abbildung zeigt (tab. I. fig. 2.), der zwölften bis dreizehn- ten Woche angehört. —

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/194>, abgerufen am 24.11.2024.