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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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Die in dem Eileiter gebildeten Stoffe des Eies.
ein, welcher das Chorion in mehr, als 400 Eiern zu untersuchen
Gelegenheit hatte, und es zu vierzehn Tagen, drei Wochen, ei-
nem und zwei Monaten immer einfach fand, während Granville
(Joh. Müllers Arch. Hft. I. S. 7.) es aus zwei bis drei Blättern
bestehen lässt, von denen die innere (Endochorion?) vasculös seyn
soll. Wenn Joh. Müller (ebds. S. 7.) von der inneren Oberfläche
eines Eies ein feines Blatt loszutrennen vermochte, so wird sich
über diese Erfahrung erst etwas Genaueres bestimmen lassen,
wenn die Periode, in welcher das Ei sich befindet, bekannt seyn
wird. -- Eine andere an die eben besprochene sich zunächst an-
schliessende Frage ist die, ob das Chorion mit Blutgefässen verse-
hen sey oder nicht. Vielfach hat man über diesen Punkt gestritten
und sich in den mannigfaltigsten Gegensätzen erschöpft, während
sich, wenn man die genetischen Verhältnisse dieser Theile und
ihren Charakter in Erwägung zieht, die Antwort von selbst fast
ergiebt. Soll ein Eitheil Blutgefässe haben, so kann er sie nur
von der Mutter oder von dem Embryo erhalten. Dass die Ge-
fässe des Uterus in keiner unmittelbaren Communication mit de-
nen des Eies selbst oder des Kindes stehen, soll unten bei Gele-
genheit der Placenta erwiesen werden. Ehe aber das Gefässblatt
der Allantois das Exochorion erreicht und sich zum Theil in das-
selbe hineingebildet hat, finden sich ausserhalb des Embryonal-
körpers nur die Blutgefässe des Gefässhofes oder die Dotterblut-
gefässe. Von diesen geht fast kein Aestehen heraus zu irgend
einem anderen Theile (s. unten), am wenigsten aber zum Chorion.
Das Exochorion ist daher, wie die Eischaalenhaut der Vögel, an
und für sich ohne Blutgefässe. Es erhält dieselben aber dadurch,
dass das Endochorion in dasselbe sich hineinbildet, ja sein eige-
nes Parenchym zum Theil verdrängt. Da nun aber bestimmt
noch kein gesunder menschlicher Embryo beobachtet worden, in
welchem die Allantois mit ihrem Gefässblatte das Exochorion
noch nicht erreicht hatte, wie z. B. in dem von Bär (de ovo
mammalium VII
a) gezeichneten Hundeembryo, so ist es na-
türlich, dass das frische Chorion der menschlichen, bis jetzt un-
tersuchten Eier Blutgefässe zeigen musste. Das Exochorion hat
auch hier ursprünglich und für sich keine Blutgefässe, erhält sie aber
secundär durch Hineinbilden des Endochorion in dasselbe. -- Es
wäre eine eben so wenig interessante, als fruchtbringende Arbeit,
alle über unseren Gegenstand geäusserten Meinungen anzuführen.

Die in dem Eileiter gebildeten Stoffe des Eies.
ein, welcher das Chorion in mehr, als 400 Eiern zu untersuchen
Gelegenheit hatte, und es zu vierzehn Tagen, drei Wochen, ei-
nem und zwei Monaten immer einfach fand, während Granville
(Joh. Müllers Arch. Hft. I. S. 7.) es aus zwei bis drei Blättern
bestehen läſst, von denen die innere (Endochorion?) vasculös seyn
soll. Wenn Joh. Müller (ebds. S. 7.) von der inneren Oberfläche
eines Eies ein feines Blatt loszutrennen vermochte, so wird sich
über diese Erfahrung erst etwas Genaueres bestimmen lassen,
wenn die Periode, in welcher das Ei sich befindet, bekannt seyn
wird. — Eine andere an die eben besprochene sich zunächst an-
schlieſsende Frage ist die, ob das Chorion mit Blutgefäſsen verse-
hen sey oder nicht. Vielfach hat man über diesen Punkt gestritten
und sich in den mannigfaltigsten Gegensätzen erschöpft, während
sich, wenn man die genetischen Verhältnisse dieser Theile und
ihren Charakter in Erwägung zieht, die Antwort von selbst fast
ergiebt. Soll ein Eitheil Blutgefäſse haben, so kann er sie nur
von der Mutter oder von dem Embryo erhalten. Daſs die Ge-
fäſse des Uterus in keiner unmittelbaren Communication mit de-
nen des Eies selbst oder des Kindes stehen, soll unten bei Gele-
genheit der Placenta erwiesen werden. Ehe aber das Gefäſsblatt
der Allantois das Exochorion erreicht und sich zum Theil in das-
selbe hineingebildet hat, finden sich auſserhalb des Embryonal-
körpers nur die Blutgefäſse des Gefäſshofes oder die Dotterblut-
gefäſse. Von diesen geht fast kein Aestehen heraus zu irgend
einem anderen Theile (s. unten), am wenigsten aber zum Chorion.
Das Exochorion ist daher, wie die Eischaalenhaut der Vögel, an
und für sich ohne Blutgefäſse. Es erhält dieselben aber dadurch,
daſs das Endochorion in dasselbe sich hineinbildet, ja sein eige-
nes Parenchym zum Theil verdrängt. Da nun aber bestimmt
noch kein gesunder menschlicher Embryo beobachtet worden, in
welchem die Allantois mit ihrem Gefäſsblatte das Exochorion
noch nicht erreicht hatte, wie z. B. in dem von Bär (de ovo
mammalium VII
a) gezeichneten Hundeembryo, so ist es na-
türlich, daſs das frische Chorion der menschlichen, bis jetzt un-
tersuchten Eier Blutgefäſse zeigen muſste. Das Exochorion hat
auch hier ursprünglich und für sich keine Blutgefäſse, erhält sie aber
secundär durch Hineinbilden des Endochorion in dasselbe. — Es
wäre eine eben so wenig interessante, als fruchtbringende Arbeit,
alle über unseren Gegenstand geäuſserten Meinungen anzuführen.

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[87/0115] Die in dem Eileiter gebildeten Stoffe des Eies. ein, welcher das Chorion in mehr, als 400 Eiern zu untersuchen Gelegenheit hatte, und es zu vierzehn Tagen, drei Wochen, ei- nem und zwei Monaten immer einfach fand, während Granville (Joh. Müllers Arch. Hft. I. S. 7.) es aus zwei bis drei Blättern bestehen läſst, von denen die innere (Endochorion?) vasculös seyn soll. Wenn Joh. Müller (ebds. S. 7.) von der inneren Oberfläche eines Eies ein feines Blatt loszutrennen vermochte, so wird sich über diese Erfahrung erst etwas Genaueres bestimmen lassen, wenn die Periode, in welcher das Ei sich befindet, bekannt seyn wird. — Eine andere an die eben besprochene sich zunächst an- schlieſsende Frage ist die, ob das Chorion mit Blutgefäſsen verse- hen sey oder nicht. Vielfach hat man über diesen Punkt gestritten und sich in den mannigfaltigsten Gegensätzen erschöpft, während sich, wenn man die genetischen Verhältnisse dieser Theile und ihren Charakter in Erwägung zieht, die Antwort von selbst fast ergiebt. Soll ein Eitheil Blutgefäſse haben, so kann er sie nur von der Mutter oder von dem Embryo erhalten. Daſs die Ge- fäſse des Uterus in keiner unmittelbaren Communication mit de- nen des Eies selbst oder des Kindes stehen, soll unten bei Gele- genheit der Placenta erwiesen werden. Ehe aber das Gefäſsblatt der Allantois das Exochorion erreicht und sich zum Theil in das- selbe hineingebildet hat, finden sich auſserhalb des Embryonal- körpers nur die Blutgefäſse des Gefäſshofes oder die Dotterblut- gefäſse. Von diesen geht fast kein Aestehen heraus zu irgend einem anderen Theile (s. unten), am wenigsten aber zum Chorion. Das Exochorion ist daher, wie die Eischaalenhaut der Vögel, an und für sich ohne Blutgefäſse. Es erhält dieselben aber dadurch, daſs das Endochorion in dasselbe sich hineinbildet, ja sein eige- nes Parenchym zum Theil verdrängt. Da nun aber bestimmt noch kein gesunder menschlicher Embryo beobachtet worden, in welchem die Allantois mit ihrem Gefäſsblatte das Exochorion noch nicht erreicht hatte, wie z. B. in dem von Bär (de ovo mammalium VIIa) gezeichneten Hundeembryo, so ist es na- türlich, daſs das frische Chorion der menschlichen, bis jetzt un- tersuchten Eier Blutgefäſse zeigen muſste. Das Exochorion hat auch hier ursprünglich und für sich keine Blutgefäſse, erhält sie aber secundär durch Hineinbilden des Endochorion in dasselbe. — Es wäre eine eben so wenig interessante, als fruchtbringende Arbeit, alle über unseren Gegenstand geäuſserten Meinungen anzuführen.

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/115>, abgerufen am 27.04.2024.