Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.
1. Von dem Exochorion an und für sich vermuthet von Bär (Ge-
fässverb. S. 3.), dass es aus zwei Blättern bestehe, von denen das
äussere die Zotten constituire. Wenn sich auch Jeder leicht
überzeugen kann, dass die Zottenschicht, besonders bei zarten
Eiern der Schweine, durch schnell erfolgende Maceration leicht
abgeht, so konnten wir doch an frischen Chorionstücken unter
dem Microscope keine zwei Lamellen durch lange Strecken tren-
nen, selbst dann nicht, wenn wir in kohlensauerem Kali erhär-
tete Stücke untersuchten, wodurch man sonst verschiedene La-
mellen eines Theiles an feinen Durchschnitten äusserst leicht zu
erkennen vermag. 2. So lange noch die bald als Eiweiss zu be-
zeichnende Schicht sich zwischen Chorion und Allantois oder
zwischen Chorion und Amnion zeigt, obgleich das Endochorion
mit seinen Gefässen sich schon in das Exochorion hineingebildet
hat, findet sich, wenigstens bei den von mir untersuchten Säu-
gethieren, keine von dem Exochorion gesonderte Membran. Man
erkennt aber an der Innenfläche des Chorion eine Schicht, die
mit eigenthümlichen Körnchen versehen ist und die dem Endocho-
rion offenbar angehört, da die Natur allgemein das schon von
Haller ausgesprochene Gesetz zu beobachten scheint, dass Gefässe
ohne stützende Membran nicht existiren. 3. Zu der Zeit, wo
nach dem Schwinden des Eiweisses Allantois oder Membrana
media
dicht an dem Chorion anliegen, lassen sich zwar leicht
zwei Blätter von einander trennen. Man sieht aber bei einiger
Aufmerksamkeit, dass diese Blätter nicht einmal innig verwach-
sen, sondern nur genau mit einander verbunden sind, und dass
die innere Lamelle einem fremden Eitheile angehört. Wir müs-
sen uns daher dahin entscheiden, dass jede Trennung des Chorion
in mehrere Lamellen bei den Säugethieren sowohl, als bei dem
Menschen entweder künstlich oder scheinbar sey. Das Letztere
beruht darauf, dass andere Eitheile sich genau an die Innenfläche
der Eihaut anlagern oder in dieselbe hineinbilden. Wie wenig
aber durch künstliche Trennung der Theile in Lamellen und Mem-
branen der Wissenschaft genützt werde, dürften z. B. die vielfa-
chen und nicht ohne Leidenschaftlichkeit geführten Streitigkei-
ten über die verschiedenen Hüllen des Penis hinlänglich zu be-
weisen im Stande seyn -- Verhandlungen, die heut zu Tage mit
Recht fast ganz vergessen worden sind. -- Mit diesen Resultaten
stimmt auch die Angabe von Velpeau (Embryologie p. 18.) über-

III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.
1. Von dem Exochorion an und für sich vermuthet von Bär (Ge-
fäſsverb. S. 3.), daſs es aus zwei Blättern bestehe, von denen das
äuſsere die Zotten constituire. Wenn sich auch Jeder leicht
überzeugen kann, daſs die Zottenschicht, besonders bei zarten
Eiern der Schweine, durch schnell erfolgende Maceration leicht
abgeht, so konnten wir doch an frischen Chorionstücken unter
dem Microscope keine zwei Lamellen durch lange Strecken tren-
nen, selbst dann nicht, wenn wir in kohlensauerem Kali erhär-
tete Stücke untersuchten, wodurch man sonst verschiedene La-
mellen eines Theiles an feinen Durchschnitten äuſserst leicht zu
erkennen vermag. 2. So lange noch die bald als Eiweiſs zu be-
zeichnende Schicht sich zwischen Chorion und Allantois oder
zwischen Chorion und Amnion zeigt, obgleich das Endochorion
mit seinen Gefäſsen sich schon in das Exochorion hineingebildet
hat, findet sich, wenigstens bei den von mir untersuchten Säu-
gethieren, keine von dem Exochorion gesonderte Membran. Man
erkennt aber an der Innenfläche des Chorion eine Schicht, die
mit eigenthümlichen Körnchen versehen ist und die dem Endocho-
rion offenbar angehört, da die Natur allgemein das schon von
Haller ausgesprochene Gesetz zu beobachten scheint, daſs Gefäſse
ohne stützende Membran nicht existiren. 3. Zu der Zeit, wo
nach dem Schwinden des Eiweiſses Allantois oder Membrana
media
dicht an dem Chorion anliegen, lassen sich zwar leicht
zwei Blätter von einander trennen. Man sieht aber bei einiger
Aufmerksamkeit, daſs diese Blätter nicht einmal innig verwach-
sen, sondern nur genau mit einander verbunden sind, und daſs
die innere Lamelle einem fremden Eitheile angehört. Wir müs-
sen uns daher dahin entscheiden, daſs jede Trennung des Chorion
in mehrere Lamellen bei den Säugethieren sowohl, als bei dem
Menschen entweder künstlich oder scheinbar sey. Das Letztere
beruht darauf, daſs andere Eitheile sich genau an die Innenfläche
der Eihaut anlagern oder in dieselbe hineinbilden. Wie wenig
aber durch künstliche Trennung der Theile in Lamellen und Mem-
branen der Wissenschaft genützt werde, dürften z. B. die vielfa-
chen und nicht ohne Leidenschaftlichkeit geführten Streitigkei-
ten über die verschiedenen Hüllen des Penis hinlänglich zu be-
weisen im Stande seyn — Verhandlungen, die heut zu Tage mit
Recht fast ganz vergessen worden sind. — Mit diesen Resultaten
stimmt auch die Angabe von Velpeau (Embryologie p. 18.) über-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0114" n="86"/><fw place="top" type="header">III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.</fw><lb/>
1. Von dem Exochorion an und für sich vermuthet von Bär (Ge-<lb/>&#x017F;sverb. S. 3.), da&#x017F;s es aus zwei Blättern bestehe, von denen das<lb/>
äu&#x017F;sere die Zotten constituire. Wenn sich auch Jeder leicht<lb/>
überzeugen kann, da&#x017F;s die Zottenschicht, besonders bei zarten<lb/>
Eiern der Schweine, durch schnell erfolgende Maceration leicht<lb/>
abgeht, so konnten wir doch an frischen Chorionstücken unter<lb/>
dem Microscope keine zwei Lamellen durch lange Strecken tren-<lb/>
nen, selbst dann nicht, wenn wir in kohlensauerem Kali erhär-<lb/>
tete Stücke untersuchten, wodurch man sonst verschiedene La-<lb/>
mellen eines Theiles an feinen Durchschnitten äu&#x017F;serst leicht zu<lb/>
erkennen vermag. 2. So lange noch die bald als Eiwei&#x017F;s zu be-<lb/>
zeichnende Schicht sich zwischen Chorion und Allantois oder<lb/>
zwischen Chorion und Amnion zeigt, obgleich das Endochorion<lb/>
mit seinen Gefä&#x017F;sen sich schon in das Exochorion hineingebildet<lb/>
hat, findet sich, wenigstens bei den von mir untersuchten Säu-<lb/>
gethieren, keine von dem Exochorion gesonderte Membran. Man<lb/>
erkennt aber an der Innenfläche des Chorion eine Schicht, die<lb/>
mit eigenthümlichen Körnchen versehen ist und die dem Endocho-<lb/>
rion offenbar angehört, da die Natur allgemein das schon von<lb/>
Haller ausgesprochene Gesetz zu beobachten scheint, da&#x017F;s Gefä&#x017F;se<lb/>
ohne stützende Membran nicht existiren. 3. Zu der Zeit, wo<lb/>
nach dem Schwinden des Eiwei&#x017F;ses Allantois oder <hi rendition="#i">Membrana<lb/>
media</hi> dicht an dem Chorion anliegen, lassen sich zwar leicht<lb/>
zwei Blätter von einander trennen. Man sieht aber bei einiger<lb/>
Aufmerksamkeit, da&#x017F;s diese Blätter nicht einmal innig verwach-<lb/>
sen, sondern nur genau mit einander verbunden sind, und da&#x017F;s<lb/>
die innere Lamelle einem fremden Eitheile angehört. Wir müs-<lb/>
sen uns daher dahin entscheiden, da&#x017F;s jede Trennung des Chorion<lb/>
in mehrere Lamellen bei den Säugethieren sowohl, als bei dem<lb/>
Menschen entweder künstlich oder scheinbar sey. Das Letztere<lb/>
beruht darauf, da&#x017F;s andere Eitheile sich genau an die Innenfläche<lb/>
der Eihaut anlagern oder in dieselbe hineinbilden. Wie wenig<lb/>
aber durch künstliche Trennung der Theile in Lamellen und Mem-<lb/>
branen der Wissenschaft genützt werde, dürften z. B. die vielfa-<lb/>
chen und nicht ohne Leidenschaftlichkeit geführten Streitigkei-<lb/>
ten über die verschiedenen Hüllen des Penis hinlänglich zu be-<lb/>
weisen im Stande seyn &#x2014; Verhandlungen, die heut zu Tage mit<lb/>
Recht fast ganz vergessen worden sind. &#x2014; Mit diesen Resultaten<lb/>
stimmt auch die Angabe von Velpeau (Embryologie p. 18.) über-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[86/0114] III. Das Ei während der Fruchtentwickelung. 1. Von dem Exochorion an und für sich vermuthet von Bär (Ge- fäſsverb. S. 3.), daſs es aus zwei Blättern bestehe, von denen das äuſsere die Zotten constituire. Wenn sich auch Jeder leicht überzeugen kann, daſs die Zottenschicht, besonders bei zarten Eiern der Schweine, durch schnell erfolgende Maceration leicht abgeht, so konnten wir doch an frischen Chorionstücken unter dem Microscope keine zwei Lamellen durch lange Strecken tren- nen, selbst dann nicht, wenn wir in kohlensauerem Kali erhär- tete Stücke untersuchten, wodurch man sonst verschiedene La- mellen eines Theiles an feinen Durchschnitten äuſserst leicht zu erkennen vermag. 2. So lange noch die bald als Eiweiſs zu be- zeichnende Schicht sich zwischen Chorion und Allantois oder zwischen Chorion und Amnion zeigt, obgleich das Endochorion mit seinen Gefäſsen sich schon in das Exochorion hineingebildet hat, findet sich, wenigstens bei den von mir untersuchten Säu- gethieren, keine von dem Exochorion gesonderte Membran. Man erkennt aber an der Innenfläche des Chorion eine Schicht, die mit eigenthümlichen Körnchen versehen ist und die dem Endocho- rion offenbar angehört, da die Natur allgemein das schon von Haller ausgesprochene Gesetz zu beobachten scheint, daſs Gefäſse ohne stützende Membran nicht existiren. 3. Zu der Zeit, wo nach dem Schwinden des Eiweiſses Allantois oder Membrana media dicht an dem Chorion anliegen, lassen sich zwar leicht zwei Blätter von einander trennen. Man sieht aber bei einiger Aufmerksamkeit, daſs diese Blätter nicht einmal innig verwach- sen, sondern nur genau mit einander verbunden sind, und daſs die innere Lamelle einem fremden Eitheile angehört. Wir müs- sen uns daher dahin entscheiden, daſs jede Trennung des Chorion in mehrere Lamellen bei den Säugethieren sowohl, als bei dem Menschen entweder künstlich oder scheinbar sey. Das Letztere beruht darauf, daſs andere Eitheile sich genau an die Innenfläche der Eihaut anlagern oder in dieselbe hineinbilden. Wie wenig aber durch künstliche Trennung der Theile in Lamellen und Mem- branen der Wissenschaft genützt werde, dürften z. B. die vielfa- chen und nicht ohne Leidenschaftlichkeit geführten Streitigkei- ten über die verschiedenen Hüllen des Penis hinlänglich zu be- weisen im Stande seyn — Verhandlungen, die heut zu Tage mit Recht fast ganz vergessen worden sind. — Mit diesen Resultaten stimmt auch die Angabe von Velpeau (Embryologie p. 18.) über-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/114
Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/114>, abgerufen am 27.04.2024.