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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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Die in dem Eileiter gebildeten Stoffe des Eies.
der Zotten des Chorion selbst näher beleuchtet werden. In frü-
hester Zeit ist nach allen Beobachtern, wie Lobstein, Meckel,
Velpeau u. A. das Chorion auf seiner ganzen Oberfläche mit Zot-
ten besetzt. Doch findet sich auch an sehr kleinen Eiern nach
E. H. Weber (Hildebr. Anat. IV. S. 492.) eine Stelle, welche
glatt ist und auf welcher die Zotten weniger dicht stehen. Nach
ihm wird dieser glatte Theil durch bedeutende Vergrösserung zu
der grösseren, glatten Hälfte des Chorion, während der dicht mit
Zotten besetzte in die Bildung des Mutterkuchens eingeht. Nach
den übrigen Schriftstellern aber, welche glauben, dass im Anfange
das ganze Chorion mit Zotten bedeckt sey, schwindet ein Theil
derselben im Laufe der ferneren Entwickelung, während der übrig
bleibende Theil zur Bildung der Placenta eingeht. Was nun aber
die morphologischen Veränderungen der Zotten in dieser Bezie-
hung betrifft, so hat sie besonders von Bär (Untersuchungen über
die Gefässverb. etc. 1828. Fol.) an mehreren Säugethieren und
Seiler (die Gebärmutter und das Ei des Menschen 1832. Fol.) so
wie auch E. H. Weber (Hildebr. Anat. IV.) an dem Menschen
verfolgt. Nach K. E. v. Bär (l. c. S. 3.) sieht man drei und eine
halbe Woche nach der Befruchtung auf dem Eie des Schweines
1/6 Linie hohe Falten, welche er Zottenfalten des Eies nennt. Jede
von diesen hat auf ihrem freien Rande kleine Erhabenheiten oder
Zotten. Diese bedecken nicht bloss den mittleren gefüllten Theil,
sondern auch die leeren und zusammengefallenen Zipfel des Eies,
welche noch nicht von der Allantois ausgedehnt und ausgefüllt
werden. Diese Zottenfalten constituiren eine eigenthümliche Mem-
bran, das wahre Exochorion. In fünfwöchentlichen Eiern (l. c.
S. 5.) haben sich zwar die Zottenfalten erhoben, mehr aber
noch die auf ihnen befindlichen Zotten, welche sich auch zu wöl-
ben anfangen. Zugleich beginnen sich schon Verbindungsfältchen
zu zeigen. Die beiden Enden des Eies dagegen haben keine Zot-
tenfalten mehr, da diese hier allmählig abnehmen und dann plötz-
lich mit einer deutlichen, weissen Narbe aufhören. Sie stellen auf
diese Weise die sogenannten diverticula allantoidis dar. Nun
bilden sich (S. 6.) die Zotten des Chorion in ansehnliche, dicke
Zapfen um, welche in Querreihen bald vereinzelt, bald zusam-
menhängend stehen. Chorion und Allantois aber, welche von
zwei benachbarten Eiern einander berühren, stülpen sich in ein-
ander ein. In dem Eie der Wiederkäuer fehlen die Zottenfalten

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Die in dem Eileiter gebildeten Stoffe des Eies.
der Zotten des Chorion selbst näher beleuchtet werden. In frü-
hester Zeit ist nach allen Beobachtern, wie Lobstein, Meckel,
Velpeau u. A. das Chorion auf seiner ganzen Oberfläche mit Zot-
ten besetzt. Doch findet sich auch an sehr kleinen Eiern nach
E. H. Weber (Hildebr. Anat. IV. S. 492.) eine Stelle, welche
glatt ist und auf welcher die Zotten weniger dicht stehen. Nach
ihm wird dieser glatte Theil durch bedeutende Vergröſserung zu
der gröſseren, glatten Hälfte des Chorion, während der dicht mit
Zotten besetzte in die Bildung des Mutterkuchens eingeht. Nach
den übrigen Schriftstellern aber, welche glauben, daſs im Anfange
das ganze Chorion mit Zotten bedeckt sey, schwindet ein Theil
derselben im Laufe der ferneren Entwickelung, während der übrig
bleibende Theil zur Bildung der Placenta eingeht. Was nun aber
die morphologischen Veränderungen der Zotten in dieser Bezie-
hung betrifft, so hat sie besonders von Bär (Untersuchungen über
die Gefäſsverb. etc. 1828. Fol.) an mehreren Säugethieren und
Seiler (die Gebärmutter und das Ei des Menschen 1832. Fol.) so
wie auch E. H. Weber (Hildebr. Anat. IV.) an dem Menschen
verfolgt. Nach K. E. v. Bär (l. c. S. 3.) sieht man drei und eine
halbe Woche nach der Befruchtung auf dem Eie des Schweines
⅙ Linie hohe Falten, welche er Zottenfalten des Eies nennt. Jede
von diesen hat auf ihrem freien Rande kleine Erhabenheiten oder
Zotten. Diese bedecken nicht bloſs den mittleren gefüllten Theil,
sondern auch die leeren und zusammengefallenen Zipfel des Eies,
welche noch nicht von der Allantois ausgedehnt und ausgefüllt
werden. Diese Zottenfalten constituiren eine eigenthümliche Mem-
bran, das wahre Exochorion. In fünfwöchentlichen Eiern (l. c.
S. 5.) haben sich zwar die Zottenfalten erhoben, mehr aber
noch die auf ihnen befindlichen Zotten, welche sich auch zu wöl-
ben anfangen. Zugleich beginnen sich schon Verbindungsfältchen
zu zeigen. Die beiden Enden des Eies dagegen haben keine Zot-
tenfalten mehr, da diese hier allmählig abnehmen und dann plötz-
lich mit einer deutlichen, weiſsen Narbe aufhören. Sie stellen auf
diese Weise die sogenannten diverticula allantoidis dar. Nun
bilden sich (S. 6.) die Zotten des Chorion in ansehnliche, dicke
Zapfen um, welche in Querreihen bald vereinzelt, bald zusam-
menhängend stehen. Chorion und Allantois aber, welche von
zwei benachbarten Eiern einander berühren, stülpen sich in ein-
ander ein. In dem Eie der Wiederkäuer fehlen die Zottenfalten

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[83/0111] Die in dem Eileiter gebildeten Stoffe des Eies. der Zotten des Chorion selbst näher beleuchtet werden. In frü- hester Zeit ist nach allen Beobachtern, wie Lobstein, Meckel, Velpeau u. A. das Chorion auf seiner ganzen Oberfläche mit Zot- ten besetzt. Doch findet sich auch an sehr kleinen Eiern nach E. H. Weber (Hildebr. Anat. IV. S. 492.) eine Stelle, welche glatt ist und auf welcher die Zotten weniger dicht stehen. Nach ihm wird dieser glatte Theil durch bedeutende Vergröſserung zu der gröſseren, glatten Hälfte des Chorion, während der dicht mit Zotten besetzte in die Bildung des Mutterkuchens eingeht. Nach den übrigen Schriftstellern aber, welche glauben, daſs im Anfange das ganze Chorion mit Zotten bedeckt sey, schwindet ein Theil derselben im Laufe der ferneren Entwickelung, während der übrig bleibende Theil zur Bildung der Placenta eingeht. Was nun aber die morphologischen Veränderungen der Zotten in dieser Bezie- hung betrifft, so hat sie besonders von Bär (Untersuchungen über die Gefäſsverb. etc. 1828. Fol.) an mehreren Säugethieren und Seiler (die Gebärmutter und das Ei des Menschen 1832. Fol.) so wie auch E. H. Weber (Hildebr. Anat. IV.) an dem Menschen verfolgt. Nach K. E. v. Bär (l. c. S. 3.) sieht man drei und eine halbe Woche nach der Befruchtung auf dem Eie des Schweines ⅙ Linie hohe Falten, welche er Zottenfalten des Eies nennt. Jede von diesen hat auf ihrem freien Rande kleine Erhabenheiten oder Zotten. Diese bedecken nicht bloſs den mittleren gefüllten Theil, sondern auch die leeren und zusammengefallenen Zipfel des Eies, welche noch nicht von der Allantois ausgedehnt und ausgefüllt werden. Diese Zottenfalten constituiren eine eigenthümliche Mem- bran, das wahre Exochorion. In fünfwöchentlichen Eiern (l. c. S. 5.) haben sich zwar die Zottenfalten erhoben, mehr aber noch die auf ihnen befindlichen Zotten, welche sich auch zu wöl- ben anfangen. Zugleich beginnen sich schon Verbindungsfältchen zu zeigen. Die beiden Enden des Eies dagegen haben keine Zot- tenfalten mehr, da diese hier allmählig abnehmen und dann plötz- lich mit einer deutlichen, weiſsen Narbe aufhören. Sie stellen auf diese Weise die sogenannten diverticula allantoidis dar. Nun bilden sich (S. 6.) die Zotten des Chorion in ansehnliche, dicke Zapfen um, welche in Querreihen bald vereinzelt, bald zusam- menhängend stehen. Chorion und Allantois aber, welche von zwei benachbarten Eiern einander berühren, stülpen sich in ein- ander ein. In dem Eie der Wiederkäuer fehlen die Zottenfalten 6*

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/111>, abgerufen am 27.04.2024.