Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755.

Bild:
<< vorherige Seite
Briefe.
Wer ist nicht schwach?
Wer widersteht erobernden Geberden?
Der gestern, wie ein Almanach,
Von Eh und Weibern sprach,
Kann heute Mann und morgen Hahnrey werden.
Denn ieder schilt und ieder wagt,
Was tausenden mislung, was tausend schon beklagt.
Die Wollust einer guten Ehe
Verdunkelt iedes Gut, verdunkelt alles Wehe
Vor unserm trunknen Blick;
Und ieder hofft ein gleiches Glück.
Soll, nach des Himmels Rath, ich endlich mich ver-
mählen;
So wähl er selbst für mich: kein Sterblicher kann wäh-
len,
Daß diese Wahl ihm nie gereut.
Liebt mich ein gutes Kind mit wahrer Zärtlichkeit;
So hat sie die Vollkommenheit,
Die mich entzückt, die ich begehre:
Sie ist mir Pallas und Cythere.
Das, Freund! ist meine Sittenlehre!

Da inzwischen eine Hauptbeschwerlichkeit der Ehen zu seyn
scheinet, daß ihre Vergnügungen in kurzer Zeit matt
und frostig werden: so will ich Jhnen, zu künftig beliebi-
gem Gebrauch, ein besonderes Hülfsmittel wider diese
Plage nicht vorenthalten, das ich in einem alten unge-
druckten griechischen Buche gefunden habe. Ein alter A-
thenienser hat sich zwar durch unvorsichtigen Gebrauch

dessel-
Briefe.
Wer iſt nicht ſchwach?
Wer widerſteht erobernden Geberden?
Der geſtern, wie ein Almanach,
Von Eh und Weibern ſprach,
Kann heute Mann und morgen Hahnrey werden.
Denn ieder ſchilt und ieder wagt,
Was tauſenden mislung, was tauſend ſchon beklagt.
Die Wolluſt einer guten Ehe
Verdunkelt iedes Gut, verdunkelt alles Wehe
Vor unſerm trunknen Blick;
Und ieder hofft ein gleiches Gluͤck.
Soll, nach des Himmels Rath, ich endlich mich ver-
maͤhlen;
So waͤhl er ſelbſt fuͤr mich: kein Sterblicher kann waͤh-
len,
Daß dieſe Wahl ihm nie gereut.
Liebt mich ein gutes Kind mit wahrer Zaͤrtlichkeit;
So hat ſie die Vollkommenheit,
Die mich entzuͤckt, die ich begehre:
Sie iſt mir Pallas und Cythere.
Das, Freund! iſt meine Sittenlehre!

Da inzwiſchen eine Hauptbeſchwerlichkeit der Ehen zu ſeyn
ſcheinet, daß ihre Vergnuͤgungen in kurzer Zeit matt
und froſtig werden: ſo will ich Jhnen, zu kuͤnftig beliebi-
gem Gebrauch, ein beſonderes Huͤlfsmittel wider dieſe
Plage nicht vorenthalten, das ich in einem alten unge-
druckten griechiſchen Buche gefunden habe. Ein alter A-
thenienſer hat ſich zwar durch unvorſichtigen Gebrauch

deſſel-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0240" n="226"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Briefe.</hi> </fw><lb/>
            <l>Wer i&#x017F;t nicht &#x017F;chwach?</l><lb/>
            <l>Wer wider&#x017F;teht erobernden Geberden?</l><lb/>
            <l>Der ge&#x017F;tern, wie ein Almanach,</l><lb/>
            <l>Von Eh und Weibern &#x017F;prach,</l><lb/>
            <l>Kann heute Mann und morgen Hahnrey werden.</l><lb/>
            <l>Denn ieder &#x017F;chilt und ieder wagt,</l><lb/>
            <l>Was tau&#x017F;enden mislung, was tau&#x017F;end &#x017F;chon beklagt.</l><lb/>
            <l>Die Wollu&#x017F;t einer guten Ehe</l><lb/>
            <l>Verdunkelt iedes Gut, verdunkelt alles Wehe</l><lb/>
            <l>Vor un&#x017F;erm trunknen Blick;</l><lb/>
            <l>Und ieder hofft ein gleiches Glu&#x0364;ck.</l><lb/>
            <l>Soll, nach des Himmels Rath, ich endlich mich ver-</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">ma&#x0364;hlen;</hi> </l><lb/>
            <l>So wa&#x0364;hl er &#x017F;elb&#x017F;t fu&#x0364;r mich: kein Sterblicher kann wa&#x0364;h-</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">len,</hi> </l><lb/>
            <l>Daß die&#x017F;e Wahl ihm nie gereut.</l><lb/>
            <l>Liebt mich ein gutes Kind mit wahrer Za&#x0364;rtlichkeit;</l><lb/>
            <l>So hat &#x017F;ie die Vollkommenheit,</l><lb/>
            <l>Die mich entzu&#x0364;ckt, die ich begehre:</l><lb/>
            <l>Sie i&#x017F;t mir Pallas und Cythere.</l><lb/>
            <l>Das, Freund! i&#x017F;t meine Sittenlehre!</l>
          </lg><lb/>
          <p>Da inzwi&#x017F;chen eine Hauptbe&#x017F;chwerlichkeit der Ehen zu &#x017F;eyn<lb/>
&#x017F;cheinet, daß ihre Vergnu&#x0364;gungen in kurzer Zeit matt<lb/>
und fro&#x017F;tig werden: &#x017F;o will ich Jhnen, zu ku&#x0364;nftig beliebi-<lb/>
gem Gebrauch, ein be&#x017F;onderes Hu&#x0364;lfsmittel wider die&#x017F;e<lb/>
Plage nicht vorenthalten, das ich in einem alten unge-<lb/>
druckten griechi&#x017F;chen Buche gefunden habe. Ein alter A-<lb/>
thenien&#x017F;er hat &#x017F;ich zwar durch unvor&#x017F;ichtigen Gebrauch<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">de&#x017F;&#x017F;el-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[226/0240] Briefe. Wer iſt nicht ſchwach? Wer widerſteht erobernden Geberden? Der geſtern, wie ein Almanach, Von Eh und Weibern ſprach, Kann heute Mann und morgen Hahnrey werden. Denn ieder ſchilt und ieder wagt, Was tauſenden mislung, was tauſend ſchon beklagt. Die Wolluſt einer guten Ehe Verdunkelt iedes Gut, verdunkelt alles Wehe Vor unſerm trunknen Blick; Und ieder hofft ein gleiches Gluͤck. Soll, nach des Himmels Rath, ich endlich mich ver- maͤhlen; So waͤhl er ſelbſt fuͤr mich: kein Sterblicher kann waͤh- len, Daß dieſe Wahl ihm nie gereut. Liebt mich ein gutes Kind mit wahrer Zaͤrtlichkeit; So hat ſie die Vollkommenheit, Die mich entzuͤckt, die ich begehre: Sie iſt mir Pallas und Cythere. Das, Freund! iſt meine Sittenlehre! Da inzwiſchen eine Hauptbeſchwerlichkeit der Ehen zu ſeyn ſcheinet, daß ihre Vergnuͤgungen in kurzer Zeit matt und froſtig werden: ſo will ich Jhnen, zu kuͤnftig beliebi- gem Gebrauch, ein beſonderes Huͤlfsmittel wider dieſe Plage nicht vorenthalten, das ich in einem alten unge- druckten griechiſchen Buche gefunden habe. Ein alter A- thenienſer hat ſich zwar durch unvorſichtigen Gebrauch deſſel-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Erstausgabe der vorliegenden Gedichtsammlung … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755/240
Zitationshilfe: Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755/240>, abgerufen am 23.11.2024.