jedem anderen Wagen, zunächst eine bedeutendere Kraft nothwendig, als dann zur Inganghaltung des Wagens. In diesem Momente rotirt die secundäre Maschine gar nicht, erzeugt also auch keinen Gegenstrom, und folglich wirkt die volle Strom- stärke der primären Maschine. Dann setzt sich der Wagen in Bewegung und die secundäre Maschine beginnt, einen Gegenstrom zu erzeugen. Mit der zunehmenden Geschwindigkeit des Wagens nimmt auch der Gegenstrom zu und der Wagen wird sich mit gleichmäßiger Schnelligkeit fortbewegen, sobald die Differenz von Strom und Gegenstrom constant geworden ist. Soll der Wagen nun eine Steigung über- winden, so wird von ihm eine größere Arbeitsleistung beansprucht und folglich wird die Rotationsgeschwindigkeit der secundären Maschine abnehmen; dies ver- ursacht aber auch eine Abnahme des Gegenstromes, also eine Verstärkung des Betriebsstromes und nach dem Constantwerden der Differenz abermals eine gleich- mäßige Bewegung des Wagens. Der umgekehrte Gang tritt ein, wenn sich der Wagen im Gefälle bewegt; hier wird ihm durch das Gefälle eine Kraft zu- geführt, er geräth in schnelleren Gang, veranlaßt aber hierdurch eine Verstärkung des Gegenstromes, bis eben auch unter dieser Bedingung wieder das Gleichgewicht hergestellt ist und der Wagen mit gleich- mäßiger Schnelligkeit seinen Lauf fortsetzt. Die Steigerung des Gegenstromes bewirkt sogar durch ihre Rückwirkung auf die primäre Maschine von einer gewissen Grenze an eine Bremsung des Wagens.
Die Stromleitung, d. h. die Ver- bindung der primären mit der secundären Maschine, ist bei der Bahn in Lichterfelde durch die Schienen hergestellt, welche auf Holzschwellen gelegt sind und mit Aus- nahme der Wegübergänge oberhalb der Erde stehen. Die einzelnen Schienen sind zur Sicherung einer ununterbrochenen Leitung an den Schienenstößen durch
[Abbildung]
Fig. 608.
Wagen der elektrischen Bahn zu Lichterfelde.
elastische Kupferstreifen miteinander verbunden. Die Ströme gelangen von der einen Schiene in den eisernen Radkranz, welcher das Holzscheibenrad umfaßt und von diesem zu einer cylindrischen Metallbüchse, welche auf der Radaxe aufgesetzt ist. Auf dieser schleift eine Metallfeder als directe Verlängerung eines Poles der secundären Maschine. In gleicher Weise erfolgt die Stromrückleitung durch das zweite Rad und die andere Schiene. Diese Art der Stromführung soll aber durchaus kein Muster für die Anlage von Straßenbahnen sein, sondern die Lichterfelder Bahn stellt, wie sich Siemens ausdrückt, gewissermaßen eine auf die Erde gesetzte Hoch- bahn dar. Bei Straßenbahnen kann diese Art der Stromleitung nicht angewendet werden, weil das Hohllegen der Schienen aus Rücksicht für den anderweitigen Verkehr in den meisten Fällen unzulässig erscheinen wird, weil bei größeren Anlagen, in Folge der Anwendung höher gespannter Ströme, das gleichzeitige Berühren beider Schienen durch Menschen oder Thiere gefährlich werden kann
Urbanitzky: Elektricität. 54
jedem anderen Wagen, zunächſt eine bedeutendere Kraft nothwendig, als dann zur Inganghaltung des Wagens. In dieſem Momente rotirt die ſecundäre Maſchine gar nicht, erzeugt alſo auch keinen Gegenſtrom, und folglich wirkt die volle Strom- ſtärke der primären Maſchine. Dann ſetzt ſich der Wagen in Bewegung und die ſecundäre Maſchine beginnt, einen Gegenſtrom zu erzeugen. Mit der zunehmenden Geſchwindigkeit des Wagens nimmt auch der Gegenſtrom zu und der Wagen wird ſich mit gleichmäßiger Schnelligkeit fortbewegen, ſobald die Differenz von Strom und Gegenſtrom conſtant geworden iſt. Soll der Wagen nun eine Steigung über- winden, ſo wird von ihm eine größere Arbeitsleiſtung beanſprucht und folglich wird die Rotationsgeſchwindigkeit der ſecundären Maſchine abnehmen; dies ver- urſacht aber auch eine Abnahme des Gegenſtromes, alſo eine Verſtärkung des Betriebsſtromes und nach dem Conſtantwerden der Differenz abermals eine gleich- mäßige Bewegung des Wagens. Der umgekehrte Gang tritt ein, wenn ſich der Wagen im Gefälle bewegt; hier wird ihm durch das Gefälle eine Kraft zu- geführt, er geräth in ſchnelleren Gang, veranlaßt aber hierdurch eine Verſtärkung des Gegenſtromes, bis eben auch unter dieſer Bedingung wieder das Gleichgewicht hergeſtellt iſt und der Wagen mit gleich- mäßiger Schnelligkeit ſeinen Lauf fortſetzt. Die Steigerung des Gegenſtromes bewirkt ſogar durch ihre Rückwirkung auf die primäre Maſchine von einer gewiſſen Grenze an eine Bremſung des Wagens.
Die Stromleitung, d. h. die Ver- bindung der primären mit der ſecundären Maſchine, iſt bei der Bahn in Lichterfelde durch die Schienen hergeſtellt, welche auf Holzſchwellen gelegt ſind und mit Aus- nahme der Wegübergänge oberhalb der Erde ſtehen. Die einzelnen Schienen ſind zur Sicherung einer ununterbrochenen Leitung an den Schienenſtößen durch
[Abbildung]
Fig. 608.
Wagen der elektriſchen Bahn zu Lichterfelde.
elaſtiſche Kupferſtreifen miteinander verbunden. Die Ströme gelangen von der einen Schiene in den eiſernen Radkranz, welcher das Holzſcheibenrad umfaßt und von dieſem zu einer cylindriſchen Metallbüchſe, welche auf der Radaxe aufgeſetzt iſt. Auf dieſer ſchleift eine Metallfeder als directe Verlängerung eines Poles der ſecundären Maſchine. In gleicher Weiſe erfolgt die Stromrückleitung durch das zweite Rad und die andere Schiene. Dieſe Art der Stromführung ſoll aber durchaus kein Muſter für die Anlage von Straßenbahnen ſein, ſondern die Lichterfelder Bahn ſtellt, wie ſich Siemens ausdrückt, gewiſſermaßen eine auf die Erde geſetzte Hoch- bahn dar. Bei Straßenbahnen kann dieſe Art der Stromleitung nicht angewendet werden, weil das Hohllegen der Schienen aus Rückſicht für den anderweitigen Verkehr in den meiſten Fällen unzuläſſig erſcheinen wird, weil bei größeren Anlagen, in Folge der Anwendung höher geſpannter Ströme, das gleichzeitige Berühren beider Schienen durch Menſchen oder Thiere gefährlich werden kann
Urbanitzky: Elektricität. 54
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jedem anderen Wagen, zunächſt eine bedeutendere Kraft nothwendig, als dann zur
Inganghaltung des Wagens. In dieſem Momente rotirt die ſecundäre Maſchine
gar nicht, erzeugt alſo auch keinen Gegenſtrom, und folglich wirkt die volle Strom-
ſtärke der primären Maſchine. Dann ſetzt ſich der Wagen in Bewegung und die
ſecundäre Maſchine beginnt, einen Gegenſtrom zu erzeugen. Mit der zunehmenden
Geſchwindigkeit des Wagens nimmt auch der Gegenſtrom zu und der Wagen wird
ſich mit gleichmäßiger Schnelligkeit fortbewegen, ſobald die Differenz von Strom
und Gegenſtrom conſtant geworden iſt. Soll der Wagen nun eine Steigung über-
winden, ſo wird von ihm eine größere Arbeitsleiſtung beanſprucht und folglich
wird die Rotationsgeſchwindigkeit der ſecundären Maſchine abnehmen; dies ver-
urſacht aber auch eine Abnahme des Gegenſtromes, alſo eine Verſtärkung des
Betriebsſtromes und nach dem Conſtantwerden der Differenz abermals eine gleich-
mäßige Bewegung des Wagens. Der
umgekehrte Gang tritt ein, wenn ſich der
Wagen im Gefälle bewegt; hier wird
ihm durch das Gefälle eine Kraft zu-
geführt, er geräth in ſchnelleren Gang,
veranlaßt aber hierdurch eine Verſtärkung
des Gegenſtromes, bis eben auch unter
dieſer Bedingung wieder das Gleichgewicht
hergeſtellt iſt und der Wagen mit gleich-
mäßiger Schnelligkeit ſeinen Lauf fortſetzt.
Die Steigerung des Gegenſtromes bewirkt
ſogar durch ihre Rückwirkung auf die
primäre Maſchine von einer gewiſſen Grenze
an eine Bremſung des Wagens.
Die Stromleitung, d. h. die Ver-
bindung der primären mit der ſecundären
Maſchine, iſt bei der Bahn in Lichterfelde
durch die Schienen hergeſtellt, welche auf
Holzſchwellen gelegt ſind und mit Aus-
nahme der Wegübergänge oberhalb der
Erde ſtehen. Die einzelnen Schienen ſind
zur Sicherung einer ununterbrochenen
Leitung an den Schienenſtößen durch
[Abbildung Fig. 608.
Wagen der elektriſchen Bahn zu Lichterfelde.]
elaſtiſche Kupferſtreifen miteinander verbunden. Die Ströme gelangen von der einen
Schiene in den eiſernen Radkranz, welcher das Holzſcheibenrad umfaßt und von
dieſem zu einer cylindriſchen Metallbüchſe, welche auf der Radaxe aufgeſetzt iſt. Auf
dieſer ſchleift eine Metallfeder als directe Verlängerung eines Poles der ſecundären
Maſchine. In gleicher Weiſe erfolgt die Stromrückleitung durch das zweite Rad
und die andere Schiene. Dieſe Art der Stromführung ſoll aber durchaus kein
Muſter für die Anlage von Straßenbahnen ſein, ſondern die Lichterfelder Bahn
ſtellt, wie ſich Siemens ausdrückt, gewiſſermaßen eine auf die Erde geſetzte Hoch-
bahn dar. Bei Straßenbahnen kann dieſe Art der Stromleitung nicht angewendet
werden, weil das Hohllegen der Schienen aus Rückſicht für den anderweitigen
Verkehr in den meiſten Fällen unzuläſſig erſcheinen wird, weil bei größeren
Anlagen, in Folge der Anwendung höher geſpannter Ströme, das gleichzeitige
Berühren beider Schienen durch Menſchen oder Thiere gefährlich werden kann
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Urbanitzky, Alfred von: Die Elektricität im Dienste der Menschheit. Wien; Leipzig, 1885, S. 849. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/urbanitzky_electricitaet_1885/863>, abgerufen am 23.11.2024.
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