Schmertzens zu; allein sie erklären auch den Schmertz zugleich auf eine mechanische Art, in- dem sie ihn von der Ausspannung derer Ner- ven herleiten. Ein Mechanicus erklärt diesen Zufall folgendergestalt: Wenn an einem ge- wissen Theile des Körpers einiges Geblüt in eine Stockung geräth; so erhält davon die Se- le eine Empfindung. Auf eine iede Empfin- dung erfolgt im Körper eine Bewegung. Also muß sich das Geblüt, nach diesen Orte hin be- wegen, und es entsteht eine Entzündung. Heist das nicht eben so viel, als, die Sele ist die Ur- sach der Entzündung, also auch die Ursach des Schmertzens? Denn sie leiten, den darauf er- folgenden Schmertz ebenfalls aus der Expan- sion der Nerven her, und solchergestalt erklären sie ihn auch mechanisch, wie die Stahlianer. Man siehet also wol, daß ein solcher Mecha- nist, von dem ich ietzo rede, eben das behaupte, was ein Stahlianer behauptet, und dieser Satz läst sich auch umkehren. Jederman ist be- kandt, daß diese Mechanisten behaupten, die Fortdauer der Bewegung des Hertzens rühre von seiner Empfindlichkeit her. Nun giebt man mir aus der Erfahrung zu, daß wir uns dieser Empfindung am Hertzen nicht bewust sind. Leitet man also nicht die Bewegung des Hertzens von derienigen Kraft der Sele her, nach wel- cher sie sich von einer Sache Vorstellungen machen kan, ohne sich derselben bewust zu seyn? Dieses ist es aber eben, was die Stahlianer
behau-
Schmertzens zu; allein ſie erklaͤren auch den Schmertz zugleich auf eine mechaniſche Art, in- dem ſie ihn von der Ausſpannung derer Ner- ven herleiten. Ein Mechanicus erklaͤrt dieſen Zufall folgendergeſtalt: Wenn an einem ge- wiſſen Theile des Koͤrpers einiges Gebluͤt in eine Stockung geraͤth; ſo erhaͤlt davon die Se- le eine Empfindung. Auf eine iede Empfin- dung erfolgt im Koͤrper eine Bewegung. Alſo muß ſich das Gebluͤt, nach dieſen Orte hin be- wegen, und es entſteht eine Entzuͤndung. Heiſt das nicht eben ſo viel, als, die Sele iſt die Ur- ſach der Entzuͤndung, alſo auch die Urſach des Schmertzens? Denn ſie leiten, den darauf er- folgenden Schmertz ebenfalls aus der Expan- ſion der Nerven her, und ſolchergeſtalt erklaͤren ſie ihn auch mechaniſch, wie die Stahlianer. Man ſiehet alſo wol, daß ein ſolcher Mecha- niſt, von dem ich ietzo rede, eben das behaupte, was ein Stahlianer behauptet, und dieſer Satz laͤſt ſich auch umkehren. Jederman iſt be- kandt, daß dieſe Mechaniſten behaupten, die Fortdauer der Bewegung des Hertzens ruͤhre von ſeiner Empfindlichkeit her. Nun giebt man mir aus der Erfahrung zu, daß wir uns dieſer Empfindung am Hertzen nicht bewuſt ſind. Leitet man alſo nicht die Bewegung des Hertzens von derienigen Kraft der Sele her, nach wel- cher ſie ſich von einer Sache Vorſtellungen machen kan, ohne ſich derſelben bewuſt zu ſeyn? Dieſes iſt es aber eben, was die Stahlianer
behau-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0161"n="131"/>
Schmertzens zu; allein ſie erklaͤren auch den<lb/>
Schmertz zugleich auf eine mechaniſche Art, in-<lb/>
dem ſie ihn von der Ausſpannung derer Ner-<lb/>
ven herleiten. Ein Mechanicus erklaͤrt dieſen<lb/>
Zufall folgendergeſtalt: Wenn an einem ge-<lb/>
wiſſen Theile des Koͤrpers einiges Gebluͤt in<lb/>
eine Stockung geraͤth; ſo erhaͤlt davon die Se-<lb/>
le eine Empfindung. Auf eine iede Empfin-<lb/>
dung erfolgt im Koͤrper eine Bewegung. Alſo<lb/>
muß ſich das Gebluͤt, nach dieſen Orte hin be-<lb/>
wegen, und es entſteht eine Entzuͤndung. Heiſt<lb/>
das nicht eben ſo viel, als, die Sele iſt die Ur-<lb/>ſach der Entzuͤndung, alſo auch die Urſach des<lb/>
Schmertzens? Denn ſie leiten, den darauf er-<lb/>
folgenden Schmertz ebenfalls aus der Expan-<lb/>ſion der Nerven her, und ſolchergeſtalt erklaͤren<lb/>ſie ihn auch mechaniſch, wie die Stahlianer.<lb/>
Man ſiehet alſo wol, daß ein ſolcher Mecha-<lb/>
niſt, von dem ich ietzo rede, eben das behaupte,<lb/>
was ein Stahlianer behauptet, und dieſer Satz<lb/>
laͤſt ſich auch umkehren. Jederman iſt be-<lb/>
kandt, daß dieſe Mechaniſten behaupten, die<lb/>
Fortdauer der Bewegung des Hertzens ruͤhre<lb/>
von ſeiner Empfindlichkeit her. Nun giebt man<lb/>
mir aus der Erfahrung zu, daß wir uns dieſer<lb/>
Empfindung am Hertzen nicht bewuſt ſind.<lb/>
Leitet man alſo nicht die Bewegung des Hertzens<lb/>
von derienigen Kraft der Sele her, nach wel-<lb/>
cher ſie ſich von einer Sache Vorſtellungen<lb/>
machen kan, ohne ſich derſelben bewuſt zu ſeyn?<lb/>
Dieſes iſt es aber eben, was die Stahlianer<lb/><fwplace="bottom"type="catch">behau-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[131/0161]
Schmertzens zu; allein ſie erklaͤren auch den
Schmertz zugleich auf eine mechaniſche Art, in-
dem ſie ihn von der Ausſpannung derer Ner-
ven herleiten. Ein Mechanicus erklaͤrt dieſen
Zufall folgendergeſtalt: Wenn an einem ge-
wiſſen Theile des Koͤrpers einiges Gebluͤt in
eine Stockung geraͤth; ſo erhaͤlt davon die Se-
le eine Empfindung. Auf eine iede Empfin-
dung erfolgt im Koͤrper eine Bewegung. Alſo
muß ſich das Gebluͤt, nach dieſen Orte hin be-
wegen, und es entſteht eine Entzuͤndung. Heiſt
das nicht eben ſo viel, als, die Sele iſt die Ur-
ſach der Entzuͤndung, alſo auch die Urſach des
Schmertzens? Denn ſie leiten, den darauf er-
folgenden Schmertz ebenfalls aus der Expan-
ſion der Nerven her, und ſolchergeſtalt erklaͤren
ſie ihn auch mechaniſch, wie die Stahlianer.
Man ſiehet alſo wol, daß ein ſolcher Mecha-
niſt, von dem ich ietzo rede, eben das behaupte,
was ein Stahlianer behauptet, und dieſer Satz
laͤſt ſich auch umkehren. Jederman iſt be-
kandt, daß dieſe Mechaniſten behaupten, die
Fortdauer der Bewegung des Hertzens ruͤhre
von ſeiner Empfindlichkeit her. Nun giebt man
mir aus der Erfahrung zu, daß wir uns dieſer
Empfindung am Hertzen nicht bewuſt ſind.
Leitet man alſo nicht die Bewegung des Hertzens
von derienigen Kraft der Sele her, nach wel-
cher ſie ſich von einer Sache Vorſtellungen
machen kan, ohne ſich derſelben bewuſt zu ſeyn?
Dieſes iſt es aber eben, was die Stahlianer
behau-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/161>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.