menheit lange fortsetzen können, wenn man ihnen selbst das, was etwa ein Werkzeug einer Vorstellungskraft seyn könn- te, nämlich das ganze Haupt, worinn ihre Seele wohnen müßte, nimmt; (und alles dieses haben wir bisher zu be- weisen gesuchet: §. 621 -- 624.) so muß man hieraus schließen, daß es der Natur gefallen habe, einen ansehnli- chen Theil ihrer thierischen Schöpfung nicht in nähere Ge- meinschaft mit einem denkenden Wesen zu setzen, oder ihn unnütz zu beseelen. Jedoch es ist billig, auch die Gegen- gründe dieser Meynung zu überlegen, von welchen doch nur einige wichtig sind.
1. Daß es wider den Begriff eines Thieres streite, von Natur unbeseelt zu leben, ist schon oben beantwortet. §. 622.
2. Man saget aber: "die Thiere empfinden doch gleich- "wohl alle, wenn man ihnen äußere sinnliche Eindrücke "giebt, und da äußere Empfindungen Vorstellungen sind; "so müssen sie beseelt seyn." Allein wir erfahren nicht, daß sie die äußern sinnlichen Eindrücke empfinden, sondern nur, daß diese thierische Bewegungen in ihnen veranlassen. Es lassen sich aber alle unmittelbare und zufällige Seelenwir- kungen der äußern Empfindungen durch die Nervenkräfte ihrer äußern sinnlichen Eindrücke, sogar bey beseelten Thie- ren im Leben und nach der Enthauptung ersetzen, §. 542 -- 544. und selbst bey diesen ist es schwerer zu erweisen, daß sie Seelenwirkungen der äußern Empfindungen dieser Ein- drücke, als daß sie nur bloße Nervenwirkungen derselben sind. §. 582 -- 588.
3. "Viele Jnsekten, Würmer, u. s. w. die man für "unbeseelt halten möchte, haben gleichwohl Gliedmaßen "äußerer Sinne, besonders Augen, und da deren Nerven "bloße Empfindungsnerven sind, so müssen doch diese eine "Vorstellungskraft besitzen." Dieser Einwurf ist von nicht geringer Wichtigkeit. Allein sind das bey diesen Thieren wirklich Gliedmaßen äußerer Sinne, Augen, Ohren, Zun- gen, Nasen, was wir um einiger Aehnlichkeit willen dafür
halten?
III Th. Natur der Thiere im Ganzen.
menheit lange fortſetzen koͤnnen, wenn man ihnen ſelbſt das, was etwa ein Werkzeug einer Vorſtellungskraft ſeyn koͤnn- te, naͤmlich das ganze Haupt, worinn ihre Seele wohnen muͤßte, nimmt; (und alles dieſes haben wir bisher zu be- weiſen geſuchet: §. 621 — 624.) ſo muß man hieraus ſchließen, daß es der Natur gefallen habe, einen anſehnli- chen Theil ihrer thieriſchen Schoͤpfung nicht in naͤhere Ge- meinſchaft mit einem denkenden Weſen zu ſetzen, oder ihn unnuͤtz zu beſeelen. Jedoch es iſt billig, auch die Gegen- gruͤnde dieſer Meynung zu uͤberlegen, von welchen doch nur einige wichtig ſind.
1. Daß es wider den Begriff eines Thieres ſtreite, von Natur unbeſeelt zu leben, iſt ſchon oben beantwortet. §. 622.
2. Man ſaget aber: „die Thiere empfinden doch gleich- „wohl alle, wenn man ihnen aͤußere ſinnliche Eindruͤcke „giebt, und da aͤußere Empfindungen Vorſtellungen ſind; „ſo muͤſſen ſie beſeelt ſeyn.“ Allein wir erfahren nicht, daß ſie die aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke empfinden, ſondern nur, daß dieſe thieriſche Bewegungen in ihnen veranlaſſen. Es laſſen ſich aber alle unmittelbare und zufaͤllige Seelenwir- kungen der aͤußern Empfindungen durch die Nervenkraͤfte ihrer aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke, ſogar bey beſeelten Thie- ren im Leben und nach der Enthauptung erſetzen, §. 542 — 544. und ſelbſt bey dieſen iſt es ſchwerer zu erweiſen, daß ſie Seelenwirkungen der aͤußern Empfindungen dieſer Ein- druͤcke, als daß ſie nur bloße Nervenwirkungen derſelben ſind. §. 582 — 588.
3. „Viele Jnſekten, Wuͤrmer, u. ſ. w. die man fuͤr „unbeſeelt halten moͤchte, haben gleichwohl Gliedmaßen „aͤußerer Sinne, beſonders Augen, und da deren Nerven „bloße Empfindungsnerven ſind, ſo muͤſſen doch dieſe eine „Vorſtellungskraft beſitzen.“ Dieſer Einwurf iſt von nicht geringer Wichtigkeit. Allein ſind das bey dieſen Thieren wirklich Gliedmaßen aͤußerer Sinne, Augen, Ohren, Zun- gen, Naſen, was wir um einiger Aehnlichkeit willen dafuͤr
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III Th. Natur der Thiere im Ganzen.
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muͤßte, nimmt; (und alles dieſes haben wir bisher zu be-
weiſen geſuchet: §. 621 — 624.) ſo muß man hieraus
ſchließen, daß es der Natur gefallen habe, einen anſehnli-
chen Theil ihrer thieriſchen Schoͤpfung nicht in naͤhere Ge-
meinſchaft mit einem denkenden Weſen zu ſetzen, oder ihn
unnuͤtz zu beſeelen. Jedoch es iſt billig, auch die Gegen-
gruͤnde dieſer Meynung zu uͤberlegen, von welchen doch
nur einige wichtig ſind.
1. Daß es wider den Begriff eines Thieres ſtreite,
von Natur unbeſeelt zu leben, iſt ſchon oben beantwortet.
§. 622.
2. Man ſaget aber: „die Thiere empfinden doch gleich-
„wohl alle, wenn man ihnen aͤußere ſinnliche Eindruͤcke
„giebt, und da aͤußere Empfindungen Vorſtellungen ſind;
„ſo muͤſſen ſie beſeelt ſeyn.“ Allein wir erfahren nicht, daß
ſie die aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke empfinden, ſondern nur,
daß dieſe thieriſche Bewegungen in ihnen veranlaſſen. Es
laſſen ſich aber alle unmittelbare und zufaͤllige Seelenwir-
kungen der aͤußern Empfindungen durch die Nervenkraͤfte
ihrer aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke, ſogar bey beſeelten Thie-
ren im Leben und nach der Enthauptung erſetzen, §. 542 —
544. und ſelbſt bey dieſen iſt es ſchwerer zu erweiſen, daß
ſie Seelenwirkungen der aͤußern Empfindungen dieſer Ein-
druͤcke, als daß ſie nur bloße Nervenwirkungen derſelben
ſind. §. 582 — 588.
3. „Viele Jnſekten, Wuͤrmer, u. ſ. w. die man fuͤr
„unbeſeelt halten moͤchte, haben gleichwohl Gliedmaßen
„aͤußerer Sinne, beſonders Augen, und da deren Nerven
„bloße Empfindungsnerven ſind, ſo muͤſſen doch dieſe eine
„Vorſtellungskraft beſitzen.“ Dieſer Einwurf iſt von nicht
geringer Wichtigkeit. Allein ſind das bey dieſen Thieren
wirklich Gliedmaßen aͤußerer Sinne, Augen, Ohren, Zun-
gen, Naſen, was wir um einiger Aehnlichkeit willen dafuͤr
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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 634. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/658>, abgerufen am 22.11.2024.
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