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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

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1 Abschn. überhaupt.
worden zu seyn, bald für unerklärbare Sympathien aus-
gegeben werden. "Obgleich, saget der Herr v. Haller,
"die Bewegung der Muskeln aus dem Gehirne, durch die
"Nervenstämme, nach den besondern Nerven des Körpers
"herniedersteigt, so hat man doch auch Exempel, daß, wenn
"Nerven sehr heftig gereizet werden, dadurch auch entfern-
"te, oder auch wohl alle Nerven durchgängig in eine all-
"gemeine Empörung, und in ähnliche Ausartungen mit ge-
"zogen worden, wofern nur der Reiz fähig genug ist, und
"man hat von dieser Sache nicht nur an lebendigen Thie-
"ren, sondern auch an kranken Menschen Beweise. Wenn
"ein Nerve unterbunden oder heftig gereizet wird, so ma-
"chen die Thiere ein erbärmliches Geheul, und zugleich er-
"folget ein durchgängiger Krampf des ganzen Körpers."
(Man kann den letztern in diesem Falle für eine Seelen-
wirkung der Empfindung des äußern sinnlichen Eindrucks
halten: allein "wenn man den Kopf, oder das Gehirn
"vernichtet, und das Herz herausreißt, und das Thier wahr-
"scheinlicher Weise bereits todt ist, so erfolgen dennoch bey
"jedem einzelnen Reize eines Nerven an den Muskeln eben
"solche Krämpfe," H. gr. P. 4 B. S. 529. und in die-
sem Falle sind es nothwendig Nervenwirkungen des unem-
pfundenen äußern sinnlichen Eindrucks, die auf die N. 2.
erklärte Weise entstehen. Eben diese Anmerkung ist bey
allen folgenden Fällen zu machen, wo die Krämpfe der
Muskeln zwar Seelenwirkungen des empfundenen, aber
auch Nervenwirkungen des unempfundenen gewendeten äu-
ßern sinnlichen Eindrucks entweder zugleich oder allein seyn
können.) "Vom Reize der Nerven des Gekröses hat man
"an einer Maus einen Krampf des Fußes wahrgenommen.
"Von einem ausgebrannten Zahne, und da man den Ner-
"ven entblößte, haben die Kinnbacken sich fest verschlossen.
"Da eine Wunde an einem Nerven der Fußsohle bey Ge-
"legenheit eines Hünerauges gemachet worden, ist darauf
"ein heftiges Zittern, ein Unvermögen zu gehen, und ein
"Krampf mit vorwärts gekrümmten Gliedern erfolget.

"Nach

1 Abſchn. uͤberhaupt.
worden zu ſeyn, bald fuͤr unerklaͤrbare Sympathien aus-
gegeben werden. „Obgleich, ſaget der Herr v. Haller,
„die Bewegung der Muskeln aus dem Gehirne, durch die
„Nervenſtaͤmme, nach den beſondern Nerven des Koͤrpers
„herniederſteigt, ſo hat man doch auch Exempel, daß, wenn
„Nerven ſehr heftig gereizet werden, dadurch auch entfern-
„te, oder auch wohl alle Nerven durchgaͤngig in eine all-
„gemeine Empoͤrung, und in aͤhnliche Ausartungen mit ge-
„zogen worden, wofern nur der Reiz faͤhig genug iſt, und
„man hat von dieſer Sache nicht nur an lebendigen Thie-
„ren, ſondern auch an kranken Menſchen Beweiſe. Wenn
„ein Nerve unterbunden oder heftig gereizet wird, ſo ma-
„chen die Thiere ein erbaͤrmliches Geheul, und zugleich er-
„folget ein durchgaͤngiger Krampf des ganzen Koͤrpers.“
(Man kann den letztern in dieſem Falle fuͤr eine Seelen-
wirkung der Empfindung des aͤußern ſinnlichen Eindrucks
halten: allein „wenn man den Kopf, oder das Gehirn
„vernichtet, und das Herz herausreißt, und das Thier wahr-
„ſcheinlicher Weiſe bereits todt iſt, ſo erfolgen dennoch bey
„jedem einzelnen Reize eines Nerven an den Muskeln eben
„ſolche Kraͤmpfe,“ H. gr. P. 4 B. S. 529. und in die-
ſem Falle ſind es nothwendig Nervenwirkungen des unem-
pfundenen aͤußern ſinnlichen Eindrucks, die auf die N. 2.
erklaͤrte Weiſe entſtehen. Eben dieſe Anmerkung iſt bey
allen folgenden Faͤllen zu machen, wo die Kraͤmpfe der
Muskeln zwar Seelenwirkungen des empfundenen, aber
auch Nervenwirkungen des unempfundenen gewendeten aͤu-
ßern ſinnlichen Eindrucks entweder zugleich oder allein ſeyn
koͤnnen.) „Vom Reize der Nerven des Gekroͤſes hat man
„an einer Maus einen Krampf des Fußes wahrgenommen.
„Von einem ausgebrannten Zahne, und da man den Ner-
„ven entbloͤßte, haben die Kinnbacken ſich feſt verſchloſſen.
„Da eine Wunde an einem Nerven der Fußſohle bey Ge-
„legenheit eines Huͤnerauges gemachet worden, iſt darauf
„ein heftiges Zittern, ein Unvermoͤgen zu gehen, und ein
„Krampf mit vorwaͤrts gekruͤmmten Gliedern erfolget.

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[413/0437] 1 Abſchn. uͤberhaupt. worden zu ſeyn, bald fuͤr unerklaͤrbare Sympathien aus- gegeben werden. „Obgleich, ſaget der Herr v. Haller, „die Bewegung der Muskeln aus dem Gehirne, durch die „Nervenſtaͤmme, nach den beſondern Nerven des Koͤrpers „herniederſteigt, ſo hat man doch auch Exempel, daß, wenn „Nerven ſehr heftig gereizet werden, dadurch auch entfern- „te, oder auch wohl alle Nerven durchgaͤngig in eine all- „gemeine Empoͤrung, und in aͤhnliche Ausartungen mit ge- „zogen worden, wofern nur der Reiz faͤhig genug iſt, und „man hat von dieſer Sache nicht nur an lebendigen Thie- „ren, ſondern auch an kranken Menſchen Beweiſe. Wenn „ein Nerve unterbunden oder heftig gereizet wird, ſo ma- „chen die Thiere ein erbaͤrmliches Geheul, und zugleich er- „folget ein durchgaͤngiger Krampf des ganzen Koͤrpers.“ (Man kann den letztern in dieſem Falle fuͤr eine Seelen- wirkung der Empfindung des aͤußern ſinnlichen Eindrucks halten: allein „wenn man den Kopf, oder das Gehirn „vernichtet, und das Herz herausreißt, und das Thier wahr- „ſcheinlicher Weiſe bereits todt iſt, ſo erfolgen dennoch bey „jedem einzelnen Reize eines Nerven an den Muskeln eben „ſolche Kraͤmpfe,“ H. gr. P. 4 B. S. 529. und in die- ſem Falle ſind es nothwendig Nervenwirkungen des unem- pfundenen aͤußern ſinnlichen Eindrucks, die auf die N. 2. erklaͤrte Weiſe entſtehen. Eben dieſe Anmerkung iſt bey allen folgenden Faͤllen zu machen, wo die Kraͤmpfe der Muskeln zwar Seelenwirkungen des empfundenen, aber auch Nervenwirkungen des unempfundenen gewendeten aͤu- ßern ſinnlichen Eindrucks entweder zugleich oder allein ſeyn koͤnnen.) „Vom Reize der Nerven des Gekroͤſes hat man „an einer Maus einen Krampf des Fußes wahrgenommen. „Von einem ausgebrannten Zahne, und da man den Ner- „ven entbloͤßte, haben die Kinnbacken ſich feſt verſchloſſen. „Da eine Wunde an einem Nerven der Fußſohle bey Ge- „legenheit eines Huͤnerauges gemachet worden, iſt darauf „ein heftiges Zittern, ein Unvermoͤgen zu gehen, und ein „Krampf mit vorwaͤrts gekruͤmmten Gliedern erfolget. „Nach

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/437>, abgerufen am 22.11.2024.