Nun zerschneide man aber den Nerven des Schenkels des- jenigen Fußes, dessen Zehe nicht gequetschet wird, und den also blos dieser innere sinnliche Eindruck des reflektirten äu- ßern von der Quetschung am andern Fuße in Bewegung gesetzet hat, und quetsche den letztern abermals: so wird sich jener nicht mehr davon bewegen, obgleich die übrigen Glie- der, deren Nerven noch unversehret sind, die vorigen Be- wegungen wiederholen. Jn diesem Falle geschieht also eben das, was von einem innern sinnlichen Eindrucke ins Rückenmark unter gleichen Umständen erfolget. "Wenn "man nämlich das Rückenmark reizet und dadurch am "ganzen Körper krampfhafte Verzuckungen hervorbringt, "vorher aber noch etwa einen besondern Nerven zugleich "zerschneidet, so wird dieses Glied allein keine Krämpfe "ausstehen, dessen Nerven man durchschnitten hat." H. gr. P. 4 Th. S. 508. Der gewendete äußere sinnliche Ein- druck, welcher den Nerven der Gliedmaßen einen innern gegeben, setzet nämlich nur diejenigen Muskeln in Bewe- gung, zu denen er sich, vom Wendungspunkte an, rück- wärts bis in die Spitzen fortpflanzen kann. Dieser Be- weis aus der Erfahrung sey für Alle. Bey jedem ent- haupteten Thiere, das noch eine beträchtliche Zeit lebet, kann man auf gleiche Weise sowohl das Aufsteigen des äußern sinnlichen Eindrucks im berührten Nerven, als auch seinen Rückgang in denen, deren Gliedmaßen er beweget, augen- scheinlich darthun.
3. Von dieser Art der Nervenwirkungen äußerer sinn- licher Eindrücke, die, ehe sie zum Gehirn gelangen, we- nigstens ohne, oder unabhänglich davon, daß sie empfun- den werden, gewendet, und in innere verwandelt werden, die ihren Einfluß, ohne Seele und ohne Gehirn, in an- dern entfernten, oder in allen Theilen des Körpers äußern, giebt es täglich im thierischen Leben eine Menge, die bald für Seelenwirkungen äußerer Empfindungen, die sie oft auch zugleich sind, bald für besondre Wirkungen der äu- ßern sinnlichen Eindrücke durchs Gehirn, ohne empfunden
worden
II Th. Nervenk. 2 Kap. des aͤuß. ſinnl. Eindr.
Nun zerſchneide man aber den Nerven des Schenkels des- jenigen Fußes, deſſen Zehe nicht gequetſchet wird, und den alſo blos dieſer innere ſinnliche Eindruck des reflektirten aͤu- ßern von der Quetſchung am andern Fuße in Bewegung geſetzet hat, und quetſche den letztern abermals: ſo wird ſich jener nicht mehr davon bewegen, obgleich die uͤbrigen Glie- der, deren Nerven noch unverſehret ſind, die vorigen Be- wegungen wiederholen. Jn dieſem Falle geſchieht alſo eben das, was von einem innern ſinnlichen Eindrucke ins Ruͤckenmark unter gleichen Umſtaͤnden erfolget. „Wenn „man naͤmlich das Ruͤckenmark reizet und dadurch am „ganzen Koͤrper krampfhafte Verzuckungen hervorbringt, „vorher aber noch etwa einen beſondern Nerven zugleich „zerſchneidet, ſo wird dieſes Glied allein keine Kraͤmpfe „ausſtehen, deſſen Nerven man durchſchnitten hat.“ H. gr. P. 4 Th. S. 508. Der gewendete aͤußere ſinnliche Ein- druck, welcher den Nerven der Gliedmaßen einen innern gegeben, ſetzet naͤmlich nur diejenigen Muskeln in Bewe- gung, zu denen er ſich, vom Wendungspunkte an, ruͤck- waͤrts bis in die Spitzen fortpflanzen kann. Dieſer Be- weis aus der Erfahrung ſey fuͤr Alle. Bey jedem ent- haupteten Thiere, das noch eine betraͤchtliche Zeit lebet, kann man auf gleiche Weiſe ſowohl das Aufſteigen des aͤußern ſinnlichen Eindrucks im beruͤhrten Nerven, als auch ſeinen Ruͤckgang in denen, deren Gliedmaßen er beweget, augen- ſcheinlich darthun.
3. Von dieſer Art der Nervenwirkungen aͤußerer ſinn- licher Eindruͤcke, die, ehe ſie zum Gehirn gelangen, we- nigſtens ohne, oder unabhaͤnglich davon, daß ſie empfun- den werden, gewendet, und in innere verwandelt werden, die ihren Einfluß, ohne Seele und ohne Gehirn, in an- dern entfernten, oder in allen Theilen des Koͤrpers aͤußern, giebt es taͤglich im thieriſchen Leben eine Menge, die bald fuͤr Seelenwirkungen aͤußerer Empfindungen, die ſie oft auch zugleich ſind, bald fuͤr beſondre Wirkungen der aͤu- ßern ſinnlichen Eindruͤcke durchs Gehirn, ohne empfunden
worden
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II Th. Nervenk. 2 Kap. des aͤuß. ſinnl. Eindr.
Nun zerſchneide man aber den Nerven des Schenkels des-
jenigen Fußes, deſſen Zehe nicht gequetſchet wird, und den
alſo blos dieſer innere ſinnliche Eindruck des reflektirten aͤu-
ßern von der Quetſchung am andern Fuße in Bewegung
geſetzet hat, und quetſche den letztern abermals: ſo wird ſich
jener nicht mehr davon bewegen, obgleich die uͤbrigen Glie-
der, deren Nerven noch unverſehret ſind, die vorigen Be-
wegungen wiederholen. Jn dieſem Falle geſchieht alſo
eben das, was von einem innern ſinnlichen Eindrucke ins
Ruͤckenmark unter gleichen Umſtaͤnden erfolget. „Wenn
„man naͤmlich das Ruͤckenmark reizet und dadurch am
„ganzen Koͤrper krampfhafte Verzuckungen hervorbringt,
„vorher aber noch etwa einen beſondern Nerven zugleich
„zerſchneidet, ſo wird dieſes Glied allein keine Kraͤmpfe
„ausſtehen, deſſen Nerven man durchſchnitten hat.“ H. gr.
P. 4 Th. S. 508. Der gewendete aͤußere ſinnliche Ein-
druck, welcher den Nerven der Gliedmaßen einen innern
gegeben, ſetzet naͤmlich nur diejenigen Muskeln in Bewe-
gung, zu denen er ſich, vom Wendungspunkte an, ruͤck-
waͤrts bis in die Spitzen fortpflanzen kann. Dieſer Be-
weis aus der Erfahrung ſey fuͤr Alle. Bey jedem ent-
haupteten Thiere, das noch eine betraͤchtliche Zeit lebet, kann
man auf gleiche Weiſe ſowohl das Aufſteigen des aͤußern
ſinnlichen Eindrucks im beruͤhrten Nerven, als auch ſeinen
Ruͤckgang in denen, deren Gliedmaßen er beweget, augen-
ſcheinlich darthun.
3. Von dieſer Art der Nervenwirkungen aͤußerer ſinn-
licher Eindruͤcke, die, ehe ſie zum Gehirn gelangen, we-
nigſtens ohne, oder unabhaͤnglich davon, daß ſie empfun-
den werden, gewendet, und in innere verwandelt werden,
die ihren Einfluß, ohne Seele und ohne Gehirn, in an-
dern entfernten, oder in allen Theilen des Koͤrpers aͤußern,
giebt es taͤglich im thieriſchen Leben eine Menge, die bald
fuͤr Seelenwirkungen aͤußerer Empfindungen, die ſie oft
auch zugleich ſind, bald fuͤr beſondre Wirkungen der aͤu-
ßern ſinnlichen Eindruͤcke durchs Gehirn, ohne empfunden
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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/436>, abgerufen am 16.06.2024.
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