Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.der sinnlichen Triebe. ren Seelenwirkungen des Triebes. §. 103. Kaum aberreget er sich nur in der Seele, so gesellen sich schon andre Vorstellungen, z. E. Nebenempfindungen, subordinirte Empfindungen, §. 225. und besonders eigenmächtigere Vorstellungen, Einbildungen, Vorhersehungen, unächte Empfindungen, §. 148. andre Triebe, Leidenschaften, ja bey dem Menschen Ueberlegungen und verständige Begier- den oder Verabscheuungen zu ihm, wozu der Gegenstand, der Gefallen hat, die Veranlassung giebt: z. E. man er- innert sich dabey ähnlicher Gegenstände mit ihren Neben- merkmalen, der Mensch erinnert sich der Bilder aus den verliebten Romanen, es giebt neue Bilder für die Vorher- sehungskräft, wollüstige Ahndungen, die sich oft zu unäch- ten äußern Empfindungen erhöhen, so daß man den ge- liebten Gegenstand stets vor Augen hat, und mit ihm zu reden glaubet. §. 148. Alle Bewegungen, womit ein Thier diesen Vorstellungen gemäß handelt, ja alle übrige Einflüsse, welche eben diese Vorstellungen ihrer Natur nach in die mechanischen Maschinen des Körpers haben, das Singen, das Schwirren, Girren, Winseln, und alle ei- genmächtige Lockungen zur Begattung, sind insgesammt nicht unmittelbare Seelenwirkungen des Triebes, §. 103. sondern zufällige von Nebenempfindungen, von eigenmäch- tig erregten und ihm beygesellten Jdeen, Nebenbegriffen, sinnlichen oder verständigen Begierden und Verabscheuun- gen und deren Befriedigungen, die weiter nichts mit ihm gemein haben, als daß sie um ihn her gewöhnlich sind, ihn begleiten und umgeben. Man könnte das eigenmächtige und beliebige Singen der Vögel, das Schwirren der Jn- sekten, das Winseln der Hunde, etc. womit sie zur Begat- tung locken, eben so wenig für unmittelbare Seelenwirkun- gen ihres Triebes halten, als den Selbstmord eines Ver- liebten: denn alles dieses sind Seelenwirkungen sinnlich willkührlicher Entschließungen, welche die Seele nur bey Gelegenheit und durch Veranlassung des Triebes fasset, und ohne die er allerdings seyn könnte, obgleich gewöhnlicher- maßen R
der ſinnlichen Triebe. ren Seelenwirkungen des Triebes. §. 103. Kaum aberreget er ſich nur in der Seele, ſo geſellen ſich ſchon andre Vorſtellungen, z. E. Nebenempfindungen, ſubordinirte Empfindungen, §. 225. und beſonders eigenmaͤchtigere Vorſtellungen, Einbildungen, Vorherſehungen, unaͤchte Empfindungen, §. 148. andre Triebe, Leidenſchaften, ja bey dem Menſchen Ueberlegungen und verſtaͤndige Begier- den oder Verabſcheuungen zu ihm, wozu der Gegenſtand, der Gefallen hat, die Veranlaſſung giebt: z. E. man er- innert ſich dabey aͤhnlicher Gegenſtaͤnde mit ihren Neben- merkmalen, der Menſch erinnert ſich der Bilder aus den verliebten Romanen, es giebt neue Bilder fuͤr die Vorher- ſehungskraͤft, wolluͤſtige Ahndungen, die ſich oft zu unaͤch- ten aͤußern Empfindungen erhoͤhen, ſo daß man den ge- liebten Gegenſtand ſtets vor Augen hat, und mit ihm zu reden glaubet. §. 148. Alle Bewegungen, womit ein Thier dieſen Vorſtellungen gemaͤß handelt, ja alle uͤbrige Einfluͤſſe, welche eben dieſe Vorſtellungen ihrer Natur nach in die mechaniſchen Maſchinen des Koͤrpers haben, das Singen, das Schwirren, Girren, Winſeln, und alle ei- genmaͤchtige Lockungen zur Begattung, ſind insgeſammt nicht unmittelbare Seelenwirkungen des Triebes, §. 103. ſondern zufaͤllige von Nebenempfindungen, von eigenmaͤch- tig erregten und ihm beygeſellten Jdeen, Nebenbegriffen, ſinnlichen oder verſtaͤndigen Begierden und Verabſcheuun- gen und deren Befriedigungen, die weiter nichts mit ihm gemein haben, als daß ſie um ihn her gewoͤhnlich ſind, ihn begleiten und umgeben. Man koͤnnte das eigenmaͤchtige und beliebige Singen der Voͤgel, das Schwirren der Jn- ſekten, das Winſeln der Hunde, ꝛc. womit ſie zur Begat- tung locken, eben ſo wenig fuͤr unmittelbare Seelenwirkun- gen ihres Triebes halten, als den Selbſtmord eines Ver- liebten: denn alles dieſes ſind Seelenwirkungen ſinnlich willkuͤhrlicher Entſchließungen, welche die Seele nur bey Gelegenheit und durch Veranlaſſung des Triebes faſſet, und ohne die er allerdings ſeyn koͤnnte, obgleich gewoͤhnlicher- maßen R
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der ſinnlichen Triebe.
ren Seelenwirkungen des Triebes. §. 103. Kaum aber
reget er ſich nur in der Seele, ſo geſellen ſich ſchon andre
Vorſtellungen, z. E. Nebenempfindungen, ſubordinirte
Empfindungen, §. 225. und beſonders eigenmaͤchtigere
Vorſtellungen, Einbildungen, Vorherſehungen, unaͤchte
Empfindungen, §. 148. andre Triebe, Leidenſchaften, ja
bey dem Menſchen Ueberlegungen und verſtaͤndige Begier-
den oder Verabſcheuungen zu ihm, wozu der Gegenſtand,
der Gefallen hat, die Veranlaſſung giebt: z. E. man er-
innert ſich dabey aͤhnlicher Gegenſtaͤnde mit ihren Neben-
merkmalen, der Menſch erinnert ſich der Bilder aus den
verliebten Romanen, es giebt neue Bilder fuͤr die Vorher-
ſehungskraͤft, wolluͤſtige Ahndungen, die ſich oft zu unaͤch-
ten aͤußern Empfindungen erhoͤhen, ſo daß man den ge-
liebten Gegenſtand ſtets vor Augen hat, und mit ihm zu
reden glaubet. §. 148. Alle Bewegungen, womit ein
Thier dieſen Vorſtellungen gemaͤß handelt, ja alle uͤbrige
Einfluͤſſe, welche eben dieſe Vorſtellungen ihrer Natur nach
in die mechaniſchen Maſchinen des Koͤrpers haben, das
Singen, das Schwirren, Girren, Winſeln, und alle ei-
genmaͤchtige Lockungen zur Begattung, ſind insgeſammt
nicht unmittelbare Seelenwirkungen des Triebes, §. 103.
ſondern zufaͤllige von Nebenempfindungen, von eigenmaͤch-
tig erregten und ihm beygeſellten Jdeen, Nebenbegriffen,
ſinnlichen oder verſtaͤndigen Begierden und Verabſcheuun-
gen und deren Befriedigungen, die weiter nichts mit ihm
gemein haben, als daß ſie um ihn her gewoͤhnlich ſind, ihn
begleiten und umgeben. Man koͤnnte das eigenmaͤchtige
und beliebige Singen der Voͤgel, das Schwirren der Jn-
ſekten, das Winſeln der Hunde, ꝛc. womit ſie zur Begat-
tung locken, eben ſo wenig fuͤr unmittelbare Seelenwirkun-
gen ihres Triebes halten, als den Selbſtmord eines Ver-
liebten: denn alles dieſes ſind Seelenwirkungen ſinnlich
willkuͤhrlicher Entſchließungen, welche die Seele nur bey
Gelegenheit und durch Veranlaſſung des Triebes faſſet, und
ohne die er allerdings ſeyn koͤnnte, obgleich gewoͤhnlicher-
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