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Ungern-Sternberg, Alexander von: Scholastika. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–102. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Umstand, der nicht wenig dazu beitrug, daß man sie mit einer andächtigen Scheu betrachtete und sie gewissenhaft den Motten und dem Schimmel preisgab zur Weiterbeförderung ins Reich der Vergänglichkeit. Die Liebe des ehrwürdigen Kirchenfürsten für die Bräute Christi ging sogar so weit, daß er sein eigenes Schlafgemach eines kostbaren Heiligenbildes beraubte und dasselbe in einer eigens dazu erbauten Seitenkapelle des Klosters aufstellen ließ. Dieses Gemälde stellte den heiligen Georg vor, den Schutzpatron Rußlands und unseres Patriarchen. Es war hier nicht die Rede davon, zu erkennen, als was und wie der Maler sich den Gegenstand seines Bildes ausgedacht hatte, das Ganze war ein einziger dintenschwarzer Grund, eingefaßt in eine Glorie von Goldblech, die ungefähr die Formen eines Ritters zu Pferde angab, jedoch äußerst unvollständig, und zwar in der Art, wie, wenn Kinder aus einem Bilderbogen eine Gruppe herausgeschnitten haben, die übriggebliebenen Papierreste noch anzuzeigen fähig sind, ob der entnommene Gegenstand ein Pferd, ein Thurm oder ein Triumphbogen war. Die Goldverbrämung dieses undeutbaren Bildes war auch unstreitig die Hauptsache; die Perlen, die Diamanten, die im Golde schwammen, die fingerlangen Buchstaben in slavonischer Sprache, die um den Rand des Bildes herumliefen, und wo ebenfalls kleine schwarze Klexe anzeigten, daß einst kleine Miniaturen sich hier eingeschoben hatten, gaben den alleinigen Gegenstand der Bewunderung und der Verehrung her. Man

Umstand, der nicht wenig dazu beitrug, daß man sie mit einer andächtigen Scheu betrachtete und sie gewissenhaft den Motten und dem Schimmel preisgab zur Weiterbeförderung ins Reich der Vergänglichkeit. Die Liebe des ehrwürdigen Kirchenfürsten für die Bräute Christi ging sogar so weit, daß er sein eigenes Schlafgemach eines kostbaren Heiligenbildes beraubte und dasselbe in einer eigens dazu erbauten Seitenkapelle des Klosters aufstellen ließ. Dieses Gemälde stellte den heiligen Georg vor, den Schutzpatron Rußlands und unseres Patriarchen. Es war hier nicht die Rede davon, zu erkennen, als was und wie der Maler sich den Gegenstand seines Bildes ausgedacht hatte, das Ganze war ein einziger dintenschwarzer Grund, eingefaßt in eine Glorie von Goldblech, die ungefähr die Formen eines Ritters zu Pferde angab, jedoch äußerst unvollständig, und zwar in der Art, wie, wenn Kinder aus einem Bilderbogen eine Gruppe herausgeschnitten haben, die übriggebliebenen Papierreste noch anzuzeigen fähig sind, ob der entnommene Gegenstand ein Pferd, ein Thurm oder ein Triumphbogen war. Die Goldverbrämung dieses undeutbaren Bildes war auch unstreitig die Hauptsache; die Perlen, die Diamanten, die im Golde schwammen, die fingerlangen Buchstaben in slavonischer Sprache, die um den Rand des Bildes herumliefen, und wo ebenfalls kleine schwarze Klexe anzeigten, daß einst kleine Miniaturen sich hier eingeschoben hatten, gaben den alleinigen Gegenstand der Bewunderung und der Verehrung her. Man

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[0009] Umstand, der nicht wenig dazu beitrug, daß man sie mit einer andächtigen Scheu betrachtete und sie gewissenhaft den Motten und dem Schimmel preisgab zur Weiterbeförderung ins Reich der Vergänglichkeit. Die Liebe des ehrwürdigen Kirchenfürsten für die Bräute Christi ging sogar so weit, daß er sein eigenes Schlafgemach eines kostbaren Heiligenbildes beraubte und dasselbe in einer eigens dazu erbauten Seitenkapelle des Klosters aufstellen ließ. Dieses Gemälde stellte den heiligen Georg vor, den Schutzpatron Rußlands und unseres Patriarchen. Es war hier nicht die Rede davon, zu erkennen, als was und wie der Maler sich den Gegenstand seines Bildes ausgedacht hatte, das Ganze war ein einziger dintenschwarzer Grund, eingefaßt in eine Glorie von Goldblech, die ungefähr die Formen eines Ritters zu Pferde angab, jedoch äußerst unvollständig, und zwar in der Art, wie, wenn Kinder aus einem Bilderbogen eine Gruppe herausgeschnitten haben, die übriggebliebenen Papierreste noch anzuzeigen fähig sind, ob der entnommene Gegenstand ein Pferd, ein Thurm oder ein Triumphbogen war. Die Goldverbrämung dieses undeutbaren Bildes war auch unstreitig die Hauptsache; die Perlen, die Diamanten, die im Golde schwammen, die fingerlangen Buchstaben in slavonischer Sprache, die um den Rand des Bildes herumliefen, und wo ebenfalls kleine schwarze Klexe anzeigten, daß einst kleine Miniaturen sich hier eingeschoben hatten, gaben den alleinigen Gegenstand der Bewunderung und der Verehrung her. Man

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:43:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:43:38Z)

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Zitationshilfe: Ungern-Sternberg, Alexander von: Scholastika. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–102. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ungern_scholastika_1910/9>, abgerufen am 22.11.2024.