Ungern-Sternberg, Alexander von: Scholastika. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–102. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.legt, wo die Schöpfung dieser stereotypen Gemälde noch viel handwerksmäßiger betrieben wird, als in den Klöstern. In diesen letztern Behausungen kann man doch immer annehmen, daß irgend religiöser Sinn einwirkt und das todte Machwerk belebt, anders ist es aber, wo nur leidige Concurrenz zu flüchtigen und gedankenlosen Productionen hintreibt. Unserm Kloster war das Privilegium, Heiligenbilder zu malen, schon sehr frühzeitig gegeben worden. Die darauf bezügliche Urkunde war verbrieft und mit der Unterschrift des großen Gregorius versehen, des zweiten Metropoliten dieses Namens, der seine bischöfliche Behausung in den Mauern von Kiew aufgeschlagen hatte, und dessen Lebensende durch die Streitigkeiten mit dem Mönche Simon getrübt wurde, der anmaßlich als Nachfolger des heiligen Andreas von Nowgorod die Würden dieses Priesters sich aneignete und die Ruhe des Sprengels auf eine höchst betrübende Weise störte. Der ehrwürdige Patriarch wandte, ehe diese zänkischen Ereignisse sich in den Frieden seiner Tage mischten, einen großen Theil seiner Aufmerksamkeit und seiner apostolischen Liebe den Nonnen des Klosters der heiligen Anna zu. Er schenkte dem Altar ihrer Kirche einige Meßgewänder und Decken von einem, für die damaligen Zeiten, außerordentlichen Werthe; dann ließ er sich herab, die Bibliothek des Klosters mit einer Anzahl von Scripturen zu dotiren, die sämmtlich aus vermorschten Pergamentrollen bestanden, deren Schriftzüge Niemand mehr enträthseln konnte; ein legt, wo die Schöpfung dieser stereotypen Gemälde noch viel handwerksmäßiger betrieben wird, als in den Klöstern. In diesen letztern Behausungen kann man doch immer annehmen, daß irgend religiöser Sinn einwirkt und das todte Machwerk belebt, anders ist es aber, wo nur leidige Concurrenz zu flüchtigen und gedankenlosen Productionen hintreibt. Unserm Kloster war das Privilegium, Heiligenbilder zu malen, schon sehr frühzeitig gegeben worden. Die darauf bezügliche Urkunde war verbrieft und mit der Unterschrift des großen Gregorius versehen, des zweiten Metropoliten dieses Namens, der seine bischöfliche Behausung in den Mauern von Kiew aufgeschlagen hatte, und dessen Lebensende durch die Streitigkeiten mit dem Mönche Simon getrübt wurde, der anmaßlich als Nachfolger des heiligen Andreas von Nowgorod die Würden dieses Priesters sich aneignete und die Ruhe des Sprengels auf eine höchst betrübende Weise störte. Der ehrwürdige Patriarch wandte, ehe diese zänkischen Ereignisse sich in den Frieden seiner Tage mischten, einen großen Theil seiner Aufmerksamkeit und seiner apostolischen Liebe den Nonnen des Klosters der heiligen Anna zu. Er schenkte dem Altar ihrer Kirche einige Meßgewänder und Decken von einem, für die damaligen Zeiten, außerordentlichen Werthe; dann ließ er sich herab, die Bibliothek des Klosters mit einer Anzahl von Scripturen zu dotiren, die sämmtlich aus vermorschten Pergamentrollen bestanden, deren Schriftzüge Niemand mehr enträthseln konnte; ein <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0008"/> legt, wo die Schöpfung dieser stereotypen Gemälde noch viel handwerksmäßiger betrieben wird, als in den Klöstern. In diesen letztern Behausungen kann man doch immer annehmen, daß irgend religiöser Sinn einwirkt und das todte Machwerk belebt, anders ist es aber, wo nur leidige Concurrenz zu flüchtigen und gedankenlosen Productionen hintreibt.</p><lb/> <p>Unserm Kloster war das Privilegium, Heiligenbilder zu malen, schon sehr frühzeitig gegeben worden. Die darauf bezügliche Urkunde war verbrieft und mit der Unterschrift des großen Gregorius versehen, des zweiten Metropoliten dieses Namens, der seine bischöfliche Behausung in den Mauern von Kiew aufgeschlagen hatte, und dessen Lebensende durch die Streitigkeiten mit dem Mönche Simon getrübt wurde, der anmaßlich als Nachfolger des heiligen Andreas von Nowgorod die Würden dieses Priesters sich aneignete und die Ruhe des Sprengels auf eine höchst betrübende Weise störte. Der ehrwürdige Patriarch wandte, ehe diese zänkischen Ereignisse sich in den Frieden seiner Tage mischten, einen großen Theil seiner Aufmerksamkeit und seiner apostolischen Liebe den Nonnen des Klosters der heiligen Anna zu. Er schenkte dem Altar ihrer Kirche einige Meßgewänder und Decken von einem, für die damaligen Zeiten, außerordentlichen Werthe; dann ließ er sich herab, die Bibliothek des Klosters mit einer Anzahl von Scripturen zu dotiren, die sämmtlich aus vermorschten Pergamentrollen bestanden, deren Schriftzüge Niemand mehr enträthseln konnte; ein<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0008]
legt, wo die Schöpfung dieser stereotypen Gemälde noch viel handwerksmäßiger betrieben wird, als in den Klöstern. In diesen letztern Behausungen kann man doch immer annehmen, daß irgend religiöser Sinn einwirkt und das todte Machwerk belebt, anders ist es aber, wo nur leidige Concurrenz zu flüchtigen und gedankenlosen Productionen hintreibt.
Unserm Kloster war das Privilegium, Heiligenbilder zu malen, schon sehr frühzeitig gegeben worden. Die darauf bezügliche Urkunde war verbrieft und mit der Unterschrift des großen Gregorius versehen, des zweiten Metropoliten dieses Namens, der seine bischöfliche Behausung in den Mauern von Kiew aufgeschlagen hatte, und dessen Lebensende durch die Streitigkeiten mit dem Mönche Simon getrübt wurde, der anmaßlich als Nachfolger des heiligen Andreas von Nowgorod die Würden dieses Priesters sich aneignete und die Ruhe des Sprengels auf eine höchst betrübende Weise störte. Der ehrwürdige Patriarch wandte, ehe diese zänkischen Ereignisse sich in den Frieden seiner Tage mischten, einen großen Theil seiner Aufmerksamkeit und seiner apostolischen Liebe den Nonnen des Klosters der heiligen Anna zu. Er schenkte dem Altar ihrer Kirche einige Meßgewänder und Decken von einem, für die damaligen Zeiten, außerordentlichen Werthe; dann ließ er sich herab, die Bibliothek des Klosters mit einer Anzahl von Scripturen zu dotiren, die sämmtlich aus vermorschten Pergamentrollen bestanden, deren Schriftzüge Niemand mehr enträthseln konnte; ein
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/ungern_scholastika_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/ungern_scholastika_1910/8 |
Zitationshilfe: | Ungern-Sternberg, Alexander von: Scholastika. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–102. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ungern_scholastika_1910/8>, abgerufen am 22.07.2024. |