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Ungern-Sternberg, Alexander von: Scholastika. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–102. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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hinab. Ich fühlte und sah die Nebel der Erde mir entgegenbrodeln und emporwirbeln; so eilig es ging, so konnte ich doch gewahren, daß mir andere Engel entgegenkamen, die vollendete und den Kampf ausgerungen habende Seelen aufwärts in das Haus des Himmels brachten. Die Antlitze dieser Vollendeten trieften so von Glanz und Seligkeitsschimmer, daß ich ihre irdischen Züge nicht erkennen konnte, doch schienen mir Einige bekannt. Siebzigtausend fliegende Posten kamen an mir vorüber; so viele konnte ich wenigstens zählen. Auf den Felsspitzen, in den Klüften schwarzen Basaltgerölls sah ich andere, aber unselige Gestalten; es waren gebrochene Leiber, gesenkte Köpfe, deren triefendes Haar von Angstschweiß übergossen war. Sie saßen und warteten der Boten, die sie hinabtragen sollten in den Aufenthalt der Verdammten. Wie ich sie sah, zitterte ich, denn ich fürchtete auch hier Bekannte zu finden, allein die Gesichter der Armen waren verdeckt durch das niederfallende Haar. So betrat ich denn die Erde von Neuem, und als mir die Binde von den Augen genommen wurde, fand ich mich hier auf meinem Lager liegend. Zugleich ward mir die innere Kunde, daß ich nicht lange mehr hier weilen würde. Ich schrie nach dir, Scholastika; mein Herz war um dich und deine kommenden Tage besorgt. Versprich mir, daß du diese heiligen Mauern nie verlassen willst, daß du nie in die Welt hinaustreten werdest, wo deine Seele könnte zu Schaden kommen. Gieb mir deine Hand darauf.

hinab. Ich fühlte und sah die Nebel der Erde mir entgegenbrodeln und emporwirbeln; so eilig es ging, so konnte ich doch gewahren, daß mir andere Engel entgegenkamen, die vollendete und den Kampf ausgerungen habende Seelen aufwärts in das Haus des Himmels brachten. Die Antlitze dieser Vollendeten trieften so von Glanz und Seligkeitsschimmer, daß ich ihre irdischen Züge nicht erkennen konnte, doch schienen mir Einige bekannt. Siebzigtausend fliegende Posten kamen an mir vorüber; so viele konnte ich wenigstens zählen. Auf den Felsspitzen, in den Klüften schwarzen Basaltgerölls sah ich andere, aber unselige Gestalten; es waren gebrochene Leiber, gesenkte Köpfe, deren triefendes Haar von Angstschweiß übergossen war. Sie saßen und warteten der Boten, die sie hinabtragen sollten in den Aufenthalt der Verdammten. Wie ich sie sah, zitterte ich, denn ich fürchtete auch hier Bekannte zu finden, allein die Gesichter der Armen waren verdeckt durch das niederfallende Haar. So betrat ich denn die Erde von Neuem, und als mir die Binde von den Augen genommen wurde, fand ich mich hier auf meinem Lager liegend. Zugleich ward mir die innere Kunde, daß ich nicht lange mehr hier weilen würde. Ich schrie nach dir, Scholastika; mein Herz war um dich und deine kommenden Tage besorgt. Versprich mir, daß du diese heiligen Mauern nie verlassen willst, daß du nie in die Welt hinaustreten werdest, wo deine Seele könnte zu Schaden kommen. Gieb mir deine Hand darauf.

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[0076] hinab. Ich fühlte und sah die Nebel der Erde mir entgegenbrodeln und emporwirbeln; so eilig es ging, so konnte ich doch gewahren, daß mir andere Engel entgegenkamen, die vollendete und den Kampf ausgerungen habende Seelen aufwärts in das Haus des Himmels brachten. Die Antlitze dieser Vollendeten trieften so von Glanz und Seligkeitsschimmer, daß ich ihre irdischen Züge nicht erkennen konnte, doch schienen mir Einige bekannt. Siebzigtausend fliegende Posten kamen an mir vorüber; so viele konnte ich wenigstens zählen. Auf den Felsspitzen, in den Klüften schwarzen Basaltgerölls sah ich andere, aber unselige Gestalten; es waren gebrochene Leiber, gesenkte Köpfe, deren triefendes Haar von Angstschweiß übergossen war. Sie saßen und warteten der Boten, die sie hinabtragen sollten in den Aufenthalt der Verdammten. Wie ich sie sah, zitterte ich, denn ich fürchtete auch hier Bekannte zu finden, allein die Gesichter der Armen waren verdeckt durch das niederfallende Haar. So betrat ich denn die Erde von Neuem, und als mir die Binde von den Augen genommen wurde, fand ich mich hier auf meinem Lager liegend. Zugleich ward mir die innere Kunde, daß ich nicht lange mehr hier weilen würde. Ich schrie nach dir, Scholastika; mein Herz war um dich und deine kommenden Tage besorgt. Versprich mir, daß du diese heiligen Mauern nie verlassen willst, daß du nie in die Welt hinaustreten werdest, wo deine Seele könnte zu Schaden kommen. Gieb mir deine Hand darauf.

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:43:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:43:38Z)

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Zitationshilfe: Ungern-Sternberg, Alexander von: Scholastika. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–102. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ungern_scholastika_1910/76>, abgerufen am 25.11.2024.