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Ungern-Sternberg, Alexander von: Scholastika. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–102. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Ich kann dir offen bekennen, daß die Augen, die du deinen Bildern giebst, eine wundersame Gewalt auf mich ausüben. Ich werde nicht müde, sie anzusehen; es kommt mir ein Gefühl wie aus der frühesten Kinderzeit, ich möchte es ein Gebet, eine Thräne, eine Ahnung nennen. Erklären läßt es sich nicht. Aber während die Heiligenbilder der andern Nonnen mich gleichgiltig lassen, sprechen die deinen lebhaft und eindringlich zu meinem innersten Wesen. Ihre sanften braunen Augen bergen so viel rührende Liebe, es sind deine eignen Augen, und du weißt, daß deine Augen dir alle Herzen gewinnen. Mit dem meinigen hast du den Anfang gemacht. Ja, ja, so ist es. Ich war flatterhaft und nichts weniger als ergeben und demüthig, als ich in dies paradiesische Eiland kam, diese glückselige Insel der Farbentöpfe, dies Eldorado der Pinsel, und was hast du aus mir gemacht in ganz kurzer Zeit! Ich denke nicht mehr an die Welt; ich will nicht mehr fort, ich bleibe bei dir, denn bei dir ist mein Herz.

Dieses zärtliche Geständniß wurde unterbrochen durch eine rauhe Stimme, die sich trotz der Stöße des Sturmwindes bemerkbar machte, und die die Strophen eines beliebten Volksliedes sang. Zu gleicher Zeit geschah ein Schlag ans Fenster, wie mit einem dünnen Stock oder einer Reitpeitsche geführt. Die schlummernde Nonne wurde dadurch aufgeweckt, und sie taumelte auf, sich die Augen reibend und ihre Schwestern, die unverändert in ihrer ruhigen Stellung blieben, anstarrend. Nun, rief

Ich kann dir offen bekennen, daß die Augen, die du deinen Bildern giebst, eine wundersame Gewalt auf mich ausüben. Ich werde nicht müde, sie anzusehen; es kommt mir ein Gefühl wie aus der frühesten Kinderzeit, ich möchte es ein Gebet, eine Thräne, eine Ahnung nennen. Erklären läßt es sich nicht. Aber während die Heiligenbilder der andern Nonnen mich gleichgiltig lassen, sprechen die deinen lebhaft und eindringlich zu meinem innersten Wesen. Ihre sanften braunen Augen bergen so viel rührende Liebe, es sind deine eignen Augen, und du weißt, daß deine Augen dir alle Herzen gewinnen. Mit dem meinigen hast du den Anfang gemacht. Ja, ja, so ist es. Ich war flatterhaft und nichts weniger als ergeben und demüthig, als ich in dies paradiesische Eiland kam, diese glückselige Insel der Farbentöpfe, dies Eldorado der Pinsel, und was hast du aus mir gemacht in ganz kurzer Zeit! Ich denke nicht mehr an die Welt; ich will nicht mehr fort, ich bleibe bei dir, denn bei dir ist mein Herz.

Dieses zärtliche Geständniß wurde unterbrochen durch eine rauhe Stimme, die sich trotz der Stöße des Sturmwindes bemerkbar machte, und die die Strophen eines beliebten Volksliedes sang. Zu gleicher Zeit geschah ein Schlag ans Fenster, wie mit einem dünnen Stock oder einer Reitpeitsche geführt. Die schlummernde Nonne wurde dadurch aufgeweckt, und sie taumelte auf, sich die Augen reibend und ihre Schwestern, die unverändert in ihrer ruhigen Stellung blieben, anstarrend. Nun, rief

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[0026] Ich kann dir offen bekennen, daß die Augen, die du deinen Bildern giebst, eine wundersame Gewalt auf mich ausüben. Ich werde nicht müde, sie anzusehen; es kommt mir ein Gefühl wie aus der frühesten Kinderzeit, ich möchte es ein Gebet, eine Thräne, eine Ahnung nennen. Erklären läßt es sich nicht. Aber während die Heiligenbilder der andern Nonnen mich gleichgiltig lassen, sprechen die deinen lebhaft und eindringlich zu meinem innersten Wesen. Ihre sanften braunen Augen bergen so viel rührende Liebe, es sind deine eignen Augen, und du weißt, daß deine Augen dir alle Herzen gewinnen. Mit dem meinigen hast du den Anfang gemacht. Ja, ja, so ist es. Ich war flatterhaft und nichts weniger als ergeben und demüthig, als ich in dies paradiesische Eiland kam, diese glückselige Insel der Farbentöpfe, dies Eldorado der Pinsel, und was hast du aus mir gemacht in ganz kurzer Zeit! Ich denke nicht mehr an die Welt; ich will nicht mehr fort, ich bleibe bei dir, denn bei dir ist mein Herz. Dieses zärtliche Geständniß wurde unterbrochen durch eine rauhe Stimme, die sich trotz der Stöße des Sturmwindes bemerkbar machte, und die die Strophen eines beliebten Volksliedes sang. Zu gleicher Zeit geschah ein Schlag ans Fenster, wie mit einem dünnen Stock oder einer Reitpeitsche geführt. Die schlummernde Nonne wurde dadurch aufgeweckt, und sie taumelte auf, sich die Augen reibend und ihre Schwestern, die unverändert in ihrer ruhigen Stellung blieben, anstarrend. Nun, rief

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:43:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Ungern-Sternberg, Alexander von: Scholastika. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–102. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ungern_scholastika_1910/26>, abgerufen am 24.11.2024.