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Ungern-Sternberg, Alexander von: Scholastika. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–102. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Richtung auf die Poststation jenseit des Waldes. Ein einzelner Reiter suchte durch seinen wiederholten Anruf den letzten der Schlitten zu bewegen, anzuhalten, allein vergebens. Entweder wollte der Eigenthümer des ärmlichen Fahrzeugs nicht hören, oder er konnte nicht bei den Stößen des Sturmwindes, der über die Fläche des Sees mit besonderem Getöse dahinbraus'te. Der Reiter, nachdem er noch ein paar Mal vergebens gerufen, wandte sein Pferd und kehrte zu dem umbuschten Ufer zurück, wo im Schutz einiger mit dichter Schneelage bedeckter Weiden zwei dunkle Gestalten zusammengekauert seiner warteten.

Beim Blut Christi! rief die Stimme des Reiters, es bleibt euch kein anderes Mittel, das Kloster ungefährdet zu erreichen, als daß das Dämchen hinter mir auf dem Pferde Platz nimmt und das Herrchen, so gut es geht, unserer Fährte folgt.

Nein, entgegnete die Frau, das darf nicht sein. Mein Gefährte ist in dieser Gegend, überhaupt in diesem Lande fremd; er könnte verunglücken. Wenn es Euch recht ist, so laßt ihn aufs Pferd steigen, ich gehe.

Das kann mir gleichgültig sein! rief der Reiter mürrisch. Nur macht schnell! Ihr begreift, lieben Leutchen, daß ich euretwillen nicht eine halbe Stunde später meine Farben im Kloster abliefern werde, und daß ich ferner dem großen, schwarzen Ofen in der Halle lieber Stand halten möchte, als euch.

Richtung auf die Poststation jenseit des Waldes. Ein einzelner Reiter suchte durch seinen wiederholten Anruf den letzten der Schlitten zu bewegen, anzuhalten, allein vergebens. Entweder wollte der Eigenthümer des ärmlichen Fahrzeugs nicht hören, oder er konnte nicht bei den Stößen des Sturmwindes, der über die Fläche des Sees mit besonderem Getöse dahinbraus'te. Der Reiter, nachdem er noch ein paar Mal vergebens gerufen, wandte sein Pferd und kehrte zu dem umbuschten Ufer zurück, wo im Schutz einiger mit dichter Schneelage bedeckter Weiden zwei dunkle Gestalten zusammengekauert seiner warteten.

Beim Blut Christi! rief die Stimme des Reiters, es bleibt euch kein anderes Mittel, das Kloster ungefährdet zu erreichen, als daß das Dämchen hinter mir auf dem Pferde Platz nimmt und das Herrchen, so gut es geht, unserer Fährte folgt.

Nein, entgegnete die Frau, das darf nicht sein. Mein Gefährte ist in dieser Gegend, überhaupt in diesem Lande fremd; er könnte verunglücken. Wenn es Euch recht ist, so laßt ihn aufs Pferd steigen, ich gehe.

Das kann mir gleichgültig sein! rief der Reiter mürrisch. Nur macht schnell! Ihr begreift, lieben Leutchen, daß ich euretwillen nicht eine halbe Stunde später meine Farben im Kloster abliefern werde, und daß ich ferner dem großen, schwarzen Ofen in der Halle lieber Stand halten möchte, als euch.

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[0100] Richtung auf die Poststation jenseit des Waldes. Ein einzelner Reiter suchte durch seinen wiederholten Anruf den letzten der Schlitten zu bewegen, anzuhalten, allein vergebens. Entweder wollte der Eigenthümer des ärmlichen Fahrzeugs nicht hören, oder er konnte nicht bei den Stößen des Sturmwindes, der über die Fläche des Sees mit besonderem Getöse dahinbraus'te. Der Reiter, nachdem er noch ein paar Mal vergebens gerufen, wandte sein Pferd und kehrte zu dem umbuschten Ufer zurück, wo im Schutz einiger mit dichter Schneelage bedeckter Weiden zwei dunkle Gestalten zusammengekauert seiner warteten. Beim Blut Christi! rief die Stimme des Reiters, es bleibt euch kein anderes Mittel, das Kloster ungefährdet zu erreichen, als daß das Dämchen hinter mir auf dem Pferde Platz nimmt und das Herrchen, so gut es geht, unserer Fährte folgt. Nein, entgegnete die Frau, das darf nicht sein. Mein Gefährte ist in dieser Gegend, überhaupt in diesem Lande fremd; er könnte verunglücken. Wenn es Euch recht ist, so laßt ihn aufs Pferd steigen, ich gehe. Das kann mir gleichgültig sein! rief der Reiter mürrisch. Nur macht schnell! Ihr begreift, lieben Leutchen, daß ich euretwillen nicht eine halbe Stunde später meine Farben im Kloster abliefern werde, und daß ich ferner dem großen, schwarzen Ofen in der Halle lieber Stand halten möchte, als euch.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:43:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:43:38Z)

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Zitationshilfe: Ungern-Sternberg, Alexander von: Scholastika. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–102. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ungern_scholastika_1910/100>, abgerufen am 05.05.2024.