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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822.

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zeitig getroffen wird. Wir bringen ihn immer
nur in die Axe des einen Auges, und sehen ihn
mit diesem deutlicher als mit dem andern. Bey
Menschen, deren eines Auge viel schwächer
als das andere ist, ruhet oft das schwächere
beym gleichzeitigen Gebrauch des andern ganz;
bey solchen entsteht leicht Unabhängigkeit der
Bewegung des einen Auges von der des andern
und Schielen k). Sind beyde Augen gleich
stark, oder doch in der Stärke nicht sehr ver-
schieden, so wird ein Gegenstand, den man
anhaltend betrachtet, bald in die Axe des einen,
bald in die des andern gebracht, indem beym
Ermüden des einen das andere dessen Funktion
übernimmt, und hieraus entsteht das Wanken
der Objekte beym gemeinschaftlichen und an-
gestrengten Wirken beyder Augen.

Diese gemeinschaftliche Thätigkeit ist wich-
tig bey der Schätzung der räumlichen Verhält-
nisse der Gegenstände. Wir können die Ent-
fernung, Grösse, Lage, Gestalt und Bewegung
der Dinge sowohl mit Einem, als mit beyden
Augen, doch auf die erstere Art nur unvoll-
kommen beurtheilen. Die Schätzung der Ent-
fernung geht immer jedem Urtheil über die
übrigen jener Verhältnisse vorher. Sie lässt
sich beym Gebrauche des einen Auges allein

nur
k) Home, Philos. Transact. Y. 1797.

zeitig getroffen wird. Wir bringen ihn immer
nur in die Axe des einen Auges, und sehen ihn
mit diesem deutlicher als mit dem andern. Bey
Menschen, deren eines Auge viel schwächer
als das andere ist, ruhet oft das schwächere
beym gleichzeitigen Gebrauch des andern ganz;
bey solchen entsteht leicht Unabhängigkeit der
Bewegung des einen Auges von der des andern
und Schielen k). Sind beyde Augen gleich
stark, oder doch in der Stärke nicht sehr ver-
schieden, so wird ein Gegenstand, den man
anhaltend betrachtet, bald in die Axe des einen,
bald in die des andern gebracht, indem beym
Ermüden des einen das andere dessen Funktion
übernimmt, und hieraus entsteht das Wanken
der Objekte beym gemeinschaftlichen und an-
gestrengten Wirken beyder Augen.

Diese gemeinschaftliche Thätigkeit ist wich-
tig bey der Schätzung der räumlichen Verhält-
nisse der Gegenstände. Wir können die Ent-
fernung, Gröſse, Lage, Gestalt und Bewegung
der Dinge sowohl mit Einem, als mit beyden
Augen, doch auf die erstere Art nur unvoll-
kommen beurtheilen. Die Schätzung der Ent-
fernung geht immer jedem Urtheil über die
übrigen jener Verhältnisse vorher. Sie läſst
sich beym Gebrauche des einen Auges allein

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[566/0588] zeitig getroffen wird. Wir bringen ihn immer nur in die Axe des einen Auges, und sehen ihn mit diesem deutlicher als mit dem andern. Bey Menschen, deren eines Auge viel schwächer als das andere ist, ruhet oft das schwächere beym gleichzeitigen Gebrauch des andern ganz; bey solchen entsteht leicht Unabhängigkeit der Bewegung des einen Auges von der des andern und Schielen k). Sind beyde Augen gleich stark, oder doch in der Stärke nicht sehr ver- schieden, so wird ein Gegenstand, den man anhaltend betrachtet, bald in die Axe des einen, bald in die des andern gebracht, indem beym Ermüden des einen das andere dessen Funktion übernimmt, und hieraus entsteht das Wanken der Objekte beym gemeinschaftlichen und an- gestrengten Wirken beyder Augen. Diese gemeinschaftliche Thätigkeit ist wich- tig bey der Schätzung der räumlichen Verhält- nisse der Gegenstände. Wir können die Ent- fernung, Gröſse, Lage, Gestalt und Bewegung der Dinge sowohl mit Einem, als mit beyden Augen, doch auf die erstere Art nur unvoll- kommen beurtheilen. Die Schätzung der Ent- fernung geht immer jedem Urtheil über die übrigen jener Verhältnisse vorher. Sie läſst sich beym Gebrauche des einen Auges allein nur k) Home, Philos. Transact. Y. 1797.

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Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822, S. 566. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822/588>, abgerufen am 17.05.2024.