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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822.

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Umgehung aller ihm aufstossenden Hindernisse,
und oft rascher als im Wachen zurück. Er be-
steigt Mauern, Dächer und andere gefährliche
Oerter, worauf den Wachenden schwindeln würde.
Er macht Sprünge, Tänze und andere Bewegun-
gen mit einer Kraft und Behendigkeit, die weit
grösser als im natürlichen Zustande sind, und
an Stellen, die er wachend nicht zu betreten
wagen würde. Er unterscheidet Farben, schreibt
Aufsätze, Briefe und Musiknoten, und das nicht
etwa wie der Sehende, dem die Augen verbun-
den sind, mit wankender Hand, sondern gerade,
leserlich und mit Beobachtung des gehörigen
Zwischenraums der Zeilen, sieht die beendigte
Schrift durch und fügt die nöthigen Verbesse-
rungen hinzu. Bey diesen und ähnlichen Hand-
lungen ist das Auge entweder offen, oder ver-
schlossen, aber in beyden Fällen der Augapfel
krampfhaft umgewälzt, so dass nur der Rand
der Iris unter dem obern Augenliede hervor-
scheint, die Pupille erweitert, und die Netzhaut
unempfindlich selbst gegen die heftigsten Reitz-
mittel. Kehrte auch auf Augenblicke das Sehe-
vermögen zurück, oder fände, wie in der Ver-
zuckung, nur Empfänglichkeit des Sehenerven
für diejenigen Eindrücke statt, die dem jedesma-
ligen Wirkungskreise der Phantasie gerade ent-
sprechen, so würde ein solches Sehen doch zur
Vollziehung so anhaltender, mannichfaltiger und

sicherer

Umgehung aller ihm aufstoſsenden Hindernisse,
und oft rascher als im Wachen zurück. Er be-
steigt Mauern, Dächer und andere gefährliche
Oerter, worauf den Wachenden schwindeln würde.
Er macht Sprünge, Tänze und andere Bewegun-
gen mit einer Kraft und Behendigkeit, die weit
gröſser als im natürlichen Zustande sind, und
an Stellen, die er wachend nicht zu betreten
wagen würde. Er unterscheidet Farben, schreibt
Aufsätze, Briefe und Musiknoten, und das nicht
etwa wie der Sehende, dem die Augen verbun-
den sind, mit wankender Hand, sondern gerade,
leserlich und mit Beobachtung des gehörigen
Zwischenraums der Zeilen, sieht die beendigte
Schrift durch und fügt die nöthigen Verbesse-
rungen hinzu. Bey diesen und ähnlichen Hand-
lungen ist das Auge entweder offen, oder ver-
schlossen, aber in beyden Fällen der Augapfel
krampfhaft umgewälzt, so daſs nur der Rand
der Iris unter dem obern Augenliede hervor-
scheint, die Pupille erweitert, und die Netzhaut
unempfindlich selbst gegen die heftigsten Reitz-
mittel. Kehrte auch auf Augenblicke das Sehe-
vermögen zurück, oder fände, wie in der Ver-
zuckung, nur Empfänglichkeit des Sehenerven
für diejenigen Eindrücke statt, die dem jedesma-
ligen Wirkungskreise der Phantasie gerade ent-
sprechen, so würde ein solches Sehen doch zur
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[45/0057] Umgehung aller ihm aufstoſsenden Hindernisse, und oft rascher als im Wachen zurück. Er be- steigt Mauern, Dächer und andere gefährliche Oerter, worauf den Wachenden schwindeln würde. Er macht Sprünge, Tänze und andere Bewegun- gen mit einer Kraft und Behendigkeit, die weit gröſser als im natürlichen Zustande sind, und an Stellen, die er wachend nicht zu betreten wagen würde. Er unterscheidet Farben, schreibt Aufsätze, Briefe und Musiknoten, und das nicht etwa wie der Sehende, dem die Augen verbun- den sind, mit wankender Hand, sondern gerade, leserlich und mit Beobachtung des gehörigen Zwischenraums der Zeilen, sieht die beendigte Schrift durch und fügt die nöthigen Verbesse- rungen hinzu. Bey diesen und ähnlichen Hand- lungen ist das Auge entweder offen, oder ver- schlossen, aber in beyden Fällen der Augapfel krampfhaft umgewälzt, so daſs nur der Rand der Iris unter dem obern Augenliede hervor- scheint, die Pupille erweitert, und die Netzhaut unempfindlich selbst gegen die heftigsten Reitz- mittel. Kehrte auch auf Augenblicke das Sehe- vermögen zurück, oder fände, wie in der Ver- zuckung, nur Empfänglichkeit des Sehenerven für diejenigen Eindrücke statt, die dem jedesma- ligen Wirkungskreise der Phantasie gerade ent- sprechen, so würde ein solches Sehen doch zur Vollziehung so anhaltender, mannichfaltiger und sicherer

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Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822/57>, abgerufen am 21.11.2024.