Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

sicherer Handlungen, wie die Schlafwandler wirk-
lich vollziehen, ganz unnütz seyn.

Nicht weniger als im Auge ist bey manchen
Schlafwandlern auch in den übrigen Sinnesorga-
nen alle Reitzbarkeit aufgehoben. Bey andern
verhält es sich zwar nicht so. Aber wenn auch
das Gehör, das Gefühl u. s. w. in allen Fällen
nicht nur ungeschwächt bliebe, sondern selbst
noch so sehr an Feinheit zunähme, so würde
doch keiner dieser äussern Sinne den Schlafwand-
ler bey seinen Handlungen leiten können, so
lange jener auf die dem Zustande des Wachens
gemässe Art wirkte. Ein Sinn lässt sich durch
einen andern bis auf einen gewissen Grad er-
setzen, aber bey dieser Wirkungsart nicht plötz-
lich, sondern nur allmählich und nach langer
Uebung. Der Blinde wird mit dem feinsten Ge-
fühl, Gehör u. s. w. auf unbekannten Wegen
immer tappend gehen. Der Gang des Schlaf-
wandlers aber ist kein Herumtappen, und seine
übrigen Handlungen verrathen nichts Erlerntes.

Alles dies ist schon von Wienholt in sei-
ner angeführten Schrift weitläuftiger ausgeführt.
Ihm schienen auch die Handlungen mancher
Thiere, denen die Augen fehlen, oder welche
dieser beraubt sind, auf einem ähnlichen Grund
wie die des Schlafwandlers zu beruhen. Einige

der

sicherer Handlungen, wie die Schlafwandler wirk-
lich vollziehen, ganz unnütz seyn.

Nicht weniger als im Auge ist bey manchen
Schlafwandlern auch in den übrigen Sinnesorga-
nen alle Reitzbarkeit aufgehoben. Bey andern
verhält es sich zwar nicht so. Aber wenn auch
das Gehör, das Gefühl u. s. w. in allen Fällen
nicht nur ungeschwächt bliebe, sondern selbst
noch so sehr an Feinheit zunähme, so würde
doch keiner dieser äuſsern Sinne den Schlafwand-
ler bey seinen Handlungen leiten können, so
lange jener auf die dem Zustande des Wachens
gemäſse Art wirkte. Ein Sinn läſst sich durch
einen andern bis auf einen gewissen Grad er-
setzen, aber bey dieser Wirkungsart nicht plötz-
lich, sondern nur allmählich und nach langer
Uebung. Der Blinde wird mit dem feinsten Ge-
fühl, Gehör u. s. w. auf unbekannten Wegen
immer tappend gehen. Der Gang des Schlaf-
wandlers aber ist kein Herumtappen, und seine
übrigen Handlungen verrathen nichts Erlerntes.

Alles dies ist schon von Wienholt in sei-
ner angeführten Schrift weitläuftiger ausgeführt.
Ihm schienen auch die Handlungen mancher
Thiere, denen die Augen fehlen, oder welche
dieser beraubt sind, auf einem ähnlichen Grund
wie die des Schlafwandlers zu beruhen. Einige

der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0058" n="46"/>
sicherer Handlungen, wie die Schlafwandler wirk-<lb/>
lich vollziehen, ganz unnütz seyn.</p><lb/>
            <p>Nicht weniger als im Auge ist bey manchen<lb/>
Schlafwandlern auch in den übrigen Sinnesorga-<lb/>
nen alle Reitzbarkeit aufgehoben. Bey andern<lb/>
verhält es sich zwar nicht so. Aber wenn auch<lb/>
das Gehör, das Gefühl u. s. w. in allen Fällen<lb/>
nicht nur ungeschwächt bliebe, sondern selbst<lb/>
noch so sehr an Feinheit zunähme, so würde<lb/>
doch keiner dieser äu&#x017F;sern Sinne den Schlafwand-<lb/>
ler bey seinen Handlungen leiten können, so<lb/>
lange jener auf die dem Zustande des Wachens<lb/>
gemä&#x017F;se Art wirkte. Ein Sinn lä&#x017F;st sich durch<lb/>
einen andern bis auf einen gewissen Grad er-<lb/>
setzen, aber bey dieser Wirkungsart nicht plötz-<lb/>
lich, sondern nur allmählich und nach langer<lb/>
Uebung. Der Blinde wird mit dem feinsten Ge-<lb/>
fühl, Gehör u. s. w. auf unbekannten Wegen<lb/>
immer tappend gehen. Der Gang des Schlaf-<lb/>
wandlers aber ist kein Herumtappen, und seine<lb/>
übrigen Handlungen verrathen nichts Erlerntes.</p><lb/>
            <p>Alles dies ist schon von <hi rendition="#k">Wienholt</hi> in sei-<lb/>
ner angeführten Schrift weitläuftiger ausgeführt.<lb/>
Ihm schienen auch die Handlungen mancher<lb/>
Thiere, denen die Augen fehlen, oder welche<lb/>
dieser beraubt sind, auf einem ähnlichen Grund<lb/>
wie die des Schlafwandlers zu beruhen. Einige<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[46/0058] sicherer Handlungen, wie die Schlafwandler wirk- lich vollziehen, ganz unnütz seyn. Nicht weniger als im Auge ist bey manchen Schlafwandlern auch in den übrigen Sinnesorga- nen alle Reitzbarkeit aufgehoben. Bey andern verhält es sich zwar nicht so. Aber wenn auch das Gehör, das Gefühl u. s. w. in allen Fällen nicht nur ungeschwächt bliebe, sondern selbst noch so sehr an Feinheit zunähme, so würde doch keiner dieser äuſsern Sinne den Schlafwand- ler bey seinen Handlungen leiten können, so lange jener auf die dem Zustande des Wachens gemäſse Art wirkte. Ein Sinn läſst sich durch einen andern bis auf einen gewissen Grad er- setzen, aber bey dieser Wirkungsart nicht plötz- lich, sondern nur allmählich und nach langer Uebung. Der Blinde wird mit dem feinsten Ge- fühl, Gehör u. s. w. auf unbekannten Wegen immer tappend gehen. Der Gang des Schlaf- wandlers aber ist kein Herumtappen, und seine übrigen Handlungen verrathen nichts Erlerntes. Alles dies ist schon von Wienholt in sei- ner angeführten Schrift weitläuftiger ausgeführt. Ihm schienen auch die Handlungen mancher Thiere, denen die Augen fehlen, oder welche dieser beraubt sind, auf einem ähnlichen Grund wie die des Schlafwandlers zu beruhen. Einige der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822/58
Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822/58>, abgerufen am 18.12.2024.