der Muskeln des Angesichts und der Augen nicht auf der entgegengesetzten Seite der Ver- letzung erfolgt.
Diese Erklärung gab schon Morgagnip). Da er sich indess von der wirklichen Kreuzung der Pyramidalstränge nicht überzeugt hatte, so dünkte ihn, eine andere Voraussetzung sey wahr- scheinlicher, nämlich die, dass eine Verletzung der einen Hemisphäre eine Lähmung der gleich- seitigen Hälfte des Körpers nebst einer organi- schen Krankheit der andern Hemisphäre verur- sachen könne, und dass bey fortdauernder Läh- mung die erstere Verletzung sich verliere, ohne sichtbare Spuren zurückzulassen, die letztere hingegen bis zum Tode immer mehr zunehme. Aber mit dieser Hypothese ist nicht der Umstand zu vereinigen, dass bey Versuchen an Thieren nach Verletzungen der einen Hemisphäre des Gehirns die entgegengesetzte Seite nicht erst nach längerer Zeit, sondern plötzlich gelähmt wird. Es lässt sich auch gegen sie einwenden, dass die nachfolgende Verletzung eben so gut wie die ursprüngliche eine Lähmung der gleich- seitigen Muskeln des Körpers verursachen würde, so dass nach Verwundungen der einen Hemi- sphäre erst die gleichseitige und dann auch die andere Hälfte des Körpers paralytisch werden
müsste,
p) A. a. O. p. 502. §. 26.
der Muskeln des Angesichts und der Augen nicht auf der entgegengesetzten Seite der Ver- letzung erfolgt.
Diese Erklärung gab schon Morgagnip). Da er sich indeſs von der wirklichen Kreuzung der Pyramidalstränge nicht überzeugt hatte, so dünkte ihn, eine andere Voraussetzung sey wahr- scheinlicher, nämlich die, daſs eine Verletzung der einen Hemisphäre eine Lähmung der gleich- seitigen Hälfte des Körpers nebst einer organi- schen Krankheit der andern Hemisphäre verur- sachen könne, und daſs bey fortdauernder Läh- mung die erstere Verletzung sich verliere, ohne sichtbare Spuren zurückzulassen, die letztere hingegen bis zum Tode immer mehr zunehme. Aber mit dieser Hypothese ist nicht der Umstand zu vereinigen, daſs bey Versuchen an Thieren nach Verletzungen der einen Hemisphäre des Gehirns die entgegengesetzte Seite nicht erst nach längerer Zeit, sondern plötzlich gelähmt wird. Es läſst sich auch gegen sie einwenden, daſs die nachfolgende Verletzung eben so gut wie die ursprüngliche eine Lähmung der gleich- seitigen Muskeln des Körpers verursachen würde, so daſs nach Verwundungen der einen Hemi- sphäre erst die gleichseitige und dann auch die andere Hälfte des Körpers paralytisch werden
müſste,
p) A. a. O. p. 502. §. 26.
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der Muskeln des Angesichts und der Augen
nicht auf der entgegengesetzten Seite der Ver-
letzung erfolgt.
Diese Erklärung gab schon Morgagni p).
Da er sich indeſs von der wirklichen Kreuzung
der Pyramidalstränge nicht überzeugt hatte, so
dünkte ihn, eine andere Voraussetzung sey wahr-
scheinlicher, nämlich die, daſs eine Verletzung
der einen Hemisphäre eine Lähmung der gleich-
seitigen Hälfte des Körpers nebst einer organi-
schen Krankheit der andern Hemisphäre verur-
sachen könne, und daſs bey fortdauernder Läh-
mung die erstere Verletzung sich verliere, ohne
sichtbare Spuren zurückzulassen, die letztere
hingegen bis zum Tode immer mehr zunehme.
Aber mit dieser Hypothese ist nicht der Umstand
zu vereinigen, daſs bey Versuchen an Thieren
nach Verletzungen der einen Hemisphäre des
Gehirns die entgegengesetzte Seite nicht erst
nach längerer Zeit, sondern plötzlich gelähmt
wird. Es läſst sich auch gegen sie einwenden,
daſs die nachfolgende Verletzung eben so gut
wie die ursprüngliche eine Lähmung der gleich-
seitigen Muskeln des Körpers verursachen würde,
so daſs nach Verwundungen der einen Hemi-
sphäre erst die gleichseitige und dann auch die
andere Hälfte des Körpers paralytisch werden
müſste,
p) A. a. O. p. 502. §. 26.
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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822/141>, abgerufen am 30.01.2025.
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