Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 3. Göttingen, 1805.

Bild:
<< vorherige Seite

Ja, es giebt ein absolutes, unbedingtes Seyn,
und wer einzig und allein aus diesem Seyn alles
Bedingte abgeleitet hätte, würde den Ruhm ver-
dienen, der Schöpfer einer wahrhaften Wissenschaft
gewesen zu seyn. Aber gerade das beweiset, dass
alle Construktion aus dem Absoluten ein eitles
Blendwerk ist, dass der Mensch sich nicht selber
zum Gotte zu machen, nicht zum unbedingten
Wissen zu erheben vermag, weil aus dem Ab-
soluten nichts Bedingtes hervorgehen kann, wenn
dasselbe nicht innere Bedingungen hat, und ein
solches noch eben so wenig, als das von aussen
Bedingte, den Namen des Absoluten verdient,
weil der Einbildungskraft in der Bestimmung die-
ser innern Bedingungen freyes Spiel gegeben ist,
und weil sich daher auf jenem vorgeblichen Un-
bedingten mehrere ganz verschiedene Systeme
gründen lassen, welche alle gleich wahr und
gleich falsch sind.

Bey den Anhängern jener Philosophie sind
die innern Bedingungen des Absoluten die ur-
sprünglichen Qualitäten.
Aber dieser, aus
der Leibnitzischen Monadenlehre entlehnten En-
telechien bedürfen wir nur, wie Leibnitz selber
schon bemerkt hat (k), zur Erklärung der leben-
digen Materie, nicht der Materie überhaupt. Ehe

also
(k) Leibnitii Opp. Studio L. Dutens. T. II. P. I.
p. 226. 231.

Ja, es giebt ein absolutes, unbedingtes Seyn,
und wer einzig und allein aus diesem Seyn alles
Bedingte abgeleitet hätte, würde den Ruhm ver-
dienen, der Schöpfer einer wahrhaften Wissenschaft
gewesen zu seyn. Aber gerade das beweiset, daſs
alle Construktion aus dem Absoluten ein eitles
Blendwerk ist, daſs der Mensch sich nicht selber
zum Gotte zu machen, nicht zum unbedingten
Wissen zu erheben vermag, weil aus dem Ab-
soluten nichts Bedingtes hervorgehen kann, wenn
dasselbe nicht innere Bedingungen hat, und ein
solches noch eben so wenig, als das von aussen
Bedingte, den Namen des Absoluten verdient,
weil der Einbildungskraft in der Bestimmung die-
ser innern Bedingungen freyes Spiel gegeben ist,
und weil sich daher auf jenem vorgeblichen Un-
bedingten mehrere ganz verschiedene Systeme
gründen lassen, welche alle gleich wahr und
gleich falsch sind.

Bey den Anhängern jener Philosophie sind
die innern Bedingungen des Absoluten die ur-
sprünglichen Qualitäten.
Aber dieser, aus
der Leibnitzischen Monadenlehre entlehnten En-
telechien bedürfen wir nur, wie Leibnitz selber
schon bemerkt hat (k), zur Erklärung der leben-
digen Materie, nicht der Materie überhaupt. Ehe

also
(k) Leibnitii Opp. Studio L. Dutens. T. II. P. I.
p. 226. 231.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="3">
          <pb facs="#f0556" n="546"/>
          <p>Ja, es giebt ein absolutes, unbedingtes Seyn,<lb/>
und wer einzig und allein aus diesem Seyn alles<lb/>
Bedingte abgeleitet hätte, würde den Ruhm ver-<lb/>
dienen, der Schöpfer einer wahrhaften Wissenschaft<lb/>
gewesen zu seyn. Aber gerade das beweiset, da&#x017F;s<lb/>
alle Construktion aus dem Absoluten ein eitles<lb/>
Blendwerk ist, da&#x017F;s der Mensch sich nicht selber<lb/>
zum Gotte zu machen, nicht zum unbedingten<lb/>
Wissen zu erheben vermag, weil aus dem Ab-<lb/>
soluten nichts Bedingtes hervorgehen kann, wenn<lb/>
dasselbe nicht innere Bedingungen hat, und ein<lb/>
solches noch eben so wenig, als das von aussen<lb/>
Bedingte, den Namen des Absoluten verdient,<lb/>
weil der Einbildungskraft in der Bestimmung die-<lb/>
ser innern Bedingungen freyes Spiel gegeben ist,<lb/>
und weil sich daher auf jenem vorgeblichen Un-<lb/>
bedingten mehrere ganz verschiedene Systeme<lb/>
gründen lassen, welche alle gleich wahr und<lb/>
gleich falsch sind.</p><lb/>
          <p>Bey den Anhängern jener Philosophie sind<lb/>
die innern Bedingungen des Absoluten die <hi rendition="#g">ur-<lb/>
sprünglichen Qualitäten.</hi> Aber dieser, aus<lb/>
der <hi rendition="#k">Leibnit</hi>zischen Monadenlehre entlehnten En-<lb/>
telechien bedürfen wir nur, wie <hi rendition="#k">Leibnitz</hi> selber<lb/>
schon bemerkt hat <note place="foot" n="(k)"><hi rendition="#k">Leibnitii</hi> Opp. Studio L. <hi rendition="#k">Dutens.</hi> T. II. P. I.<lb/>
p. 226. 231.</note>, zur Erklärung der leben-<lb/>
digen Materie, nicht der Materie überhaupt. Ehe<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">also</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[546/0556] Ja, es giebt ein absolutes, unbedingtes Seyn, und wer einzig und allein aus diesem Seyn alles Bedingte abgeleitet hätte, würde den Ruhm ver- dienen, der Schöpfer einer wahrhaften Wissenschaft gewesen zu seyn. Aber gerade das beweiset, daſs alle Construktion aus dem Absoluten ein eitles Blendwerk ist, daſs der Mensch sich nicht selber zum Gotte zu machen, nicht zum unbedingten Wissen zu erheben vermag, weil aus dem Ab- soluten nichts Bedingtes hervorgehen kann, wenn dasselbe nicht innere Bedingungen hat, und ein solches noch eben so wenig, als das von aussen Bedingte, den Namen des Absoluten verdient, weil der Einbildungskraft in der Bestimmung die- ser innern Bedingungen freyes Spiel gegeben ist, und weil sich daher auf jenem vorgeblichen Un- bedingten mehrere ganz verschiedene Systeme gründen lassen, welche alle gleich wahr und gleich falsch sind. Bey den Anhängern jener Philosophie sind die innern Bedingungen des Absoluten die ur- sprünglichen Qualitäten. Aber dieser, aus der Leibnitzischen Monadenlehre entlehnten En- telechien bedürfen wir nur, wie Leibnitz selber schon bemerkt hat (k), zur Erklärung der leben- digen Materie, nicht der Materie überhaupt. Ehe also (k) Leibnitii Opp. Studio L. Dutens. T. II. P. I. p. 226. 231.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie03_1805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie03_1805/556
Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 3. Göttingen, 1805, S. 546. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie03_1805/556>, abgerufen am 18.05.2024.