bende Organismus ein Ziel des Wachsthums? Warum entwickeln sich nicht alle Organe dessel- ben zu gleicher Zeit und in gleichem Verhältnis- se? Warum stehen einige bey ihrem Wachsthu- me in einer Sympathie, und andere in einem An- tagonismus? Warum reproduciren sich nur eini- ge, nicht alle Organe? Woher die wunderbare Ordnung in der Zahl der Sterbenden und Ge- bohrnen?
Was uns die Erfahrung der bisherigen Zei- ten in Beziehung auf diese Fragen liefern konnte, hat sie uns geliefert. Lasst uns jetzt versuchen, jene Probleme aus den obersten Sätzen, wovon unsere biologischen Untersuchungen ausgingen, zu lösen. Diese Auflösung kann indess nicht weiter gehen, als die Nothwendigkeit und Mög- lichkeit der mannichfaltigen Erscheinungen der Erzeugung, des Wachsthums und des Alterns der lebenden Körper bey den gegebenen Erfahrungs- begriffen der Materie und des Lebens zu zeigen. Fraget aber nicht nach der Nothwendigkeit dieser Begriffe! Wer diese Frage zu beantworten sich unterfängt, hat keinen Grund, worauf er bauen kann, als das ursprüngliche, unbedingte Seyn. Allein was ist das unbedingte Seyn anders, als die Gottheit selber? Und wozu kann eine Natur- philosophie, die von dieser ausgeht, führen, als zur Mystik und Schwärmerei?
Ja,
III. Bd. M m
bende Organismus ein Ziel des Wachsthums? Warum entwickeln sich nicht alle Organe dessel- ben zu gleicher Zeit und in gleichem Verhältnis- se? Warum stehen einige bey ihrem Wachsthu- me in einer Sympathie, und andere in einem An- tagonismus? Warum reproduciren sich nur eini- ge, nicht alle Organe? Woher die wunderbare Ordnung in der Zahl der Sterbenden und Ge- bohrnen?
Was uns die Erfahrung der bisherigen Zei- ten in Beziehung auf diese Fragen liefern konnte, hat sie uns geliefert. Laſst uns jetzt versuchen, jene Probleme aus den obersten Sätzen, wovon unsere biologischen Untersuchungen ausgingen, zu lösen. Diese Auflösung kann indeſs nicht weiter gehen, als die Nothwendigkeit und Mög- lichkeit der mannichfaltigen Erscheinungen der Erzeugung, des Wachsthums und des Alterns der lebenden Körper bey den gegebenen Erfahrungs- begriffen der Materie und des Lebens zu zeigen. Fraget aber nicht nach der Nothwendigkeit dieser Begriffe! Wer diese Frage zu beantworten sich unterfängt, hat keinen Grund, worauf er bauen kann, als das ursprüngliche, unbedingte Seyn. Allein was ist das unbedingte Seyn anders, als die Gottheit selber? Und wozu kann eine Natur- philosophie, die von dieser ausgeht, führen, als zur Mystik und Schwärmerei?
Ja,
III. Bd. M m
<TEI><text><body><divn="1"><divn="3"><p><pbfacs="#f0555"n="545"/>
bende Organismus ein Ziel des Wachsthums?<lb/>
Warum entwickeln sich nicht alle Organe dessel-<lb/>
ben zu gleicher Zeit und in gleichem Verhältnis-<lb/>
se? Warum stehen einige bey ihrem Wachsthu-<lb/>
me in einer Sympathie, und andere in einem An-<lb/>
tagonismus? Warum reproduciren sich nur eini-<lb/>
ge, nicht alle Organe? Woher die wunderbare<lb/>
Ordnung in der Zahl der Sterbenden und Ge-<lb/>
bohrnen?</p><lb/><p>Was uns die Erfahrung der bisherigen Zei-<lb/>
ten in Beziehung auf diese Fragen liefern konnte,<lb/>
hat sie uns geliefert. Laſst uns jetzt versuchen,<lb/>
jene Probleme aus den obersten Sätzen, wovon<lb/>
unsere biologischen Untersuchungen ausgingen,<lb/>
zu lösen. Diese Auflösung kann indeſs nicht<lb/>
weiter gehen, als die Nothwendigkeit und Mög-<lb/>
lichkeit der mannichfaltigen Erscheinungen der<lb/>
Erzeugung, des Wachsthums und des Alterns der<lb/>
lebenden Körper bey den gegebenen Erfahrungs-<lb/>
begriffen der Materie und des Lebens zu zeigen.<lb/>
Fraget aber nicht nach der Nothwendigkeit dieser<lb/>
Begriffe! Wer diese Frage zu beantworten sich<lb/>
unterfängt, hat keinen Grund, worauf er bauen<lb/>
kann, als das ursprüngliche, unbedingte Seyn.<lb/>
Allein was ist das unbedingte Seyn anders, als<lb/>
die Gottheit selber? Und wozu kann eine Natur-<lb/>
philosophie, die von dieser ausgeht, führen, als<lb/>
zur Mystik und Schwärmerei?</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#i">III. Bd.</hi> M m</fw><fwplace="bottom"type="catch">Ja,</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[545/0555]
bende Organismus ein Ziel des Wachsthums?
Warum entwickeln sich nicht alle Organe dessel-
ben zu gleicher Zeit und in gleichem Verhältnis-
se? Warum stehen einige bey ihrem Wachsthu-
me in einer Sympathie, und andere in einem An-
tagonismus? Warum reproduciren sich nur eini-
ge, nicht alle Organe? Woher die wunderbare
Ordnung in der Zahl der Sterbenden und Ge-
bohrnen?
Was uns die Erfahrung der bisherigen Zei-
ten in Beziehung auf diese Fragen liefern konnte,
hat sie uns geliefert. Laſst uns jetzt versuchen,
jene Probleme aus den obersten Sätzen, wovon
unsere biologischen Untersuchungen ausgingen,
zu lösen. Diese Auflösung kann indeſs nicht
weiter gehen, als die Nothwendigkeit und Mög-
lichkeit der mannichfaltigen Erscheinungen der
Erzeugung, des Wachsthums und des Alterns der
lebenden Körper bey den gegebenen Erfahrungs-
begriffen der Materie und des Lebens zu zeigen.
Fraget aber nicht nach der Nothwendigkeit dieser
Begriffe! Wer diese Frage zu beantworten sich
unterfängt, hat keinen Grund, worauf er bauen
kann, als das ursprüngliche, unbedingte Seyn.
Allein was ist das unbedingte Seyn anders, als
die Gottheit selber? Und wozu kann eine Natur-
philosophie, die von dieser ausgeht, führen, als
zur Mystik und Schwärmerei?
Ja,
III. Bd. M m
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 3. Göttingen, 1805, S. 545. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie03_1805/555>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.