Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

Dieser Einwurf würde freylich von Gewicht
seyn, wenn der Vorwurf, den Schelling (n) der
Kantischen Hypothese von einer attraktiven und
repulsiven Kraft, als Grundkräften der Materie,
mit Recht macht, dass sie blos die verschiedenen
Dichtigkeitsgrade der Körper, nicht aber die spe-
cifiquen Qualitäten und Formen derselben erkläre,
auch unsere Voraussetzung von einer einzigen
Grundkraft träfe. Es ist aber oben gezeigt worden,
dass sich aus dieser eine unendliche Mannichfaltig-
keit von zusammengesetzten Kräften und Formen
herleiten lässt. Und bey diesem Reichthume an
Erklärungsgründen haltet ihr euch für berechtigt,
noch andere Grundkräfte ausser der repulsiven
in die Natur einzuführen?

Gesetzt aber, es wäre auch aufs strengste dar-
gethan, dass zur Erklärung mancher Phänomene,
die wir gewöhnlich als Wirkungen lebloser Agen-
tien betrachten, noch eine andere Grundkraft aus-
ser der von uns angenommenen nothwendig sey,
so hättet ihr noch zu beweisen, dass jene zweyte
Grundkraft nicht einerley mit unserer Lebenskraft
sey, und dass jene Erscheinungen nicht zu denen
der lebenden Natur gerechnet werden können,
ehe ihr einen Einwurf davon gegen uns hernehmen
dürftet. Aber wie diesen Beweis führen? Wir

kön-
(n) Erster Entwurf eines Systems der Naturphilosophie.
S. 106.

Dieser Einwurf würde freylich von Gewicht
seyn, wenn der Vorwurf, den Schelling (n) der
Kantischen Hypothese von einer attraktiven und
repulsiven Kraft, als Grundkräften der Materie,
mit Recht macht, daſs sie blos die verschiedenen
Dichtigkeitsgrade der Körper, nicht aber die spe-
cifiquen Qualitäten und Formen derselben erkläre,
auch unsere Voraussetzung von einer einzigen
Grundkraft träfe. Es ist aber oben gezeigt worden,
daſs sich aus dieser eine unendliche Mannichfaltig-
keit von zusammengesetzten Kräften und Formen
herleiten läſst. Und bey diesem Reichthume an
Erklärungsgründen haltet ihr euch für berechtigt,
noch andere Grundkräfte ausser der repulsiven
in die Natur einzuführen?

Gesetzt aber, es wäre auch aufs strengste dar-
gethan, daſs zur Erklärung mancher Phänomene,
die wir gewöhnlich als Wirkungen lebloser Agen-
tien betrachten, noch eine andere Grundkraft aus-
ser der von uns angenommenen nothwendig sey,
so hättet ihr noch zu beweisen, daſs jene zweyte
Grundkraft nicht einerley mit unserer Lebenskraft
sey, und daſs jene Erscheinungen nicht zu denen
der lebenden Natur gerechnet werden können,
ehe ihr einen Einwurf davon gegen uns hernehmen
dürftet. Aber wie diesen Beweis führen? Wir

kön-
(n) Erster Entwurf eines Systems der Naturphilosophie.
S. 106.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0074" n="54"/>
          <p>Dieser Einwurf würde freylich von Gewicht<lb/>
seyn, wenn der Vorwurf, den <hi rendition="#k">Schelling</hi> <note place="foot" n="(n)">Erster Entwurf eines Systems der Naturphilosophie.<lb/>
S. 106.</note> der<lb/><hi rendition="#k">Kant</hi>ischen Hypothese von einer attraktiven und<lb/>
repulsiven Kraft, als Grundkräften der Materie,<lb/>
mit Recht macht, da&#x017F;s sie blos die verschiedenen<lb/>
Dichtigkeitsgrade der Körper, nicht aber die spe-<lb/>
cifiquen Qualitäten und Formen derselben erkläre,<lb/>
auch unsere Voraussetzung von einer einzigen<lb/>
Grundkraft träfe. Es ist aber oben gezeigt worden,<lb/>
da&#x017F;s sich aus dieser eine unendliche Mannichfaltig-<lb/>
keit von zusammengesetzten Kräften und Formen<lb/>
herleiten lä&#x017F;st. Und bey diesem Reichthume an<lb/>
Erklärungsgründen haltet ihr euch für berechtigt,<lb/>
noch andere Grundkräfte ausser der repulsiven<lb/>
in die Natur einzuführen?</p><lb/>
          <p>Gesetzt aber, es wäre auch aufs strengste dar-<lb/>
gethan, da&#x017F;s zur Erklärung mancher Phänomene,<lb/>
die wir gewöhnlich als Wirkungen lebloser Agen-<lb/>
tien betrachten, noch eine andere Grundkraft aus-<lb/>
ser der von uns angenommenen nothwendig sey,<lb/>
so hättet ihr noch zu beweisen, da&#x017F;s jene zweyte<lb/>
Grundkraft nicht einerley mit unserer Lebenskraft<lb/>
sey, und da&#x017F;s jene Erscheinungen nicht zu denen<lb/>
der lebenden Natur gerechnet werden können,<lb/>
ehe ihr einen Einwurf davon gegen uns hernehmen<lb/>
dürftet. Aber wie diesen Beweis führen? Wir<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">kön-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[54/0074] Dieser Einwurf würde freylich von Gewicht seyn, wenn der Vorwurf, den Schelling (n) der Kantischen Hypothese von einer attraktiven und repulsiven Kraft, als Grundkräften der Materie, mit Recht macht, daſs sie blos die verschiedenen Dichtigkeitsgrade der Körper, nicht aber die spe- cifiquen Qualitäten und Formen derselben erkläre, auch unsere Voraussetzung von einer einzigen Grundkraft träfe. Es ist aber oben gezeigt worden, daſs sich aus dieser eine unendliche Mannichfaltig- keit von zusammengesetzten Kräften und Formen herleiten läſst. Und bey diesem Reichthume an Erklärungsgründen haltet ihr euch für berechtigt, noch andere Grundkräfte ausser der repulsiven in die Natur einzuführen? Gesetzt aber, es wäre auch aufs strengste dar- gethan, daſs zur Erklärung mancher Phänomene, die wir gewöhnlich als Wirkungen lebloser Agen- tien betrachten, noch eine andere Grundkraft aus- ser der von uns angenommenen nothwendig sey, so hättet ihr noch zu beweisen, daſs jene zweyte Grundkraft nicht einerley mit unserer Lebenskraft sey, und daſs jene Erscheinungen nicht zu denen der lebenden Natur gerechnet werden können, ehe ihr einen Einwurf davon gegen uns hernehmen dürftet. Aber wie diesen Beweis führen? Wir kön- (n) Erster Entwurf eines Systems der Naturphilosophie. S. 106.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/74
Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/74>, abgerufen am 04.12.2024.