Wir kehren von dieser Ausschweifung zu un- serm Gegenstande zurück. Jeder einzelne Orga- nismus ist abhängig von dem Universum. Wird die Einwirkung des letztern auf ihn verändert, so muss sich eine gänzliche Umwandelung mit ihm ereignen, und ein neuer, dem vorigen nicht mehr ähnlicher Organismus muss aus seinen Trümmern hervorgehen -- Da possim figere pedem, terram monebo! Gesetzt, einem Archimed würde dieses Verlangen gewährt, und die Erde aus ihren Angeln gerissen, was würde erfolgen? Ihre jetzige Organi- sation würde eine totale Revolution erleiden; keine Spur derselben würde übrig bleiben; dennoch aber würde sie zu einem neuen, obgleich dem vorigen ganz unähnlichen Ganzen organisirt werden. Soll also jedes einzelne, einen Theil des all- gemeinen Organismus ausmachende or- ganische System unverändert bleiben, so darf die Einwirkung von aussen nicht verändert werden, und der Willkühr freyer Wesen kein Einfluss auf dasselbe gestattet seyn.
Mit diesem Satze ist nun die Absicht unserer bisherigen Untersuchungen erfüllt, und unsere obige Erklärung des Lebens gerechtfertigt. Wir giengen auf die Beantwortung der Frage aus: ob sich aus der Grundkraft, worauf uns der Begriff von der Undurchdringlichkeit der Materie führt,
eine
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Wir kehren von dieser Ausschweifung zu un- serm Gegenstande zurück. Jeder einzelne Orga- nismus ist abhängig von dem Universum. Wird die Einwirkung des letztern auf ihn verändert, so muſs sich eine gänzliche Umwandelung mit ihm ereignen, und ein neuer, dem vorigen nicht mehr ähnlicher Organismus muſs aus seinen Trümmern hervorgehen — Da possim figere pedem, terram monebo! Gesetzt, einem Archimed würde dieses Verlangen gewährt, und die Erde aus ihren Angeln gerissen, was würde erfolgen? Ihre jetzige Organi- sation würde eine totale Revolution erleiden; keine Spur derselben würde übrig bleiben; dennoch aber würde sie zu einem neuen, obgleich dem vorigen ganz unähnlichen Ganzen organisirt werden. Soll also jedes einzelne, einen Theil des all- gemeinen Organismus ausmachende or- ganische System unverändert bleiben, so darf die Einwirkung von aussen nicht verändert werden, und der Willkühr freyer Wesen kein Einfluſs auf dasselbe gestattet seyn.
Mit diesem Satze ist nun die Absicht unserer bisherigen Untersuchungen erfüllt, und unsere obige Erklärung des Lebens gerechtfertigt. Wir giengen auf die Beantwortung der Frage aus: ob sich aus der Grundkraft, worauf uns der Begriff von der Undurchdringlichkeit der Materie führt,
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Wir kehren von dieser Ausschweifung zu un-
serm Gegenstande zurück. Jeder einzelne Orga-
nismus ist abhängig von dem Universum. Wird
die Einwirkung des letztern auf ihn verändert,
so muſs sich eine gänzliche Umwandelung mit ihm
ereignen, und ein neuer, dem vorigen nicht mehr
ähnlicher Organismus muſs aus seinen Trümmern
hervorgehen — Da possim figere pedem, terram
monebo! Gesetzt, einem Archimed würde dieses
Verlangen gewährt, und die Erde aus ihren Angeln
gerissen, was würde erfolgen? Ihre jetzige Organi-
sation würde eine totale Revolution erleiden; keine
Spur derselben würde übrig bleiben; dennoch aber
würde sie zu einem neuen, obgleich dem vorigen
ganz unähnlichen Ganzen organisirt werden. Soll
also jedes einzelne, einen Theil des all-
gemeinen Organismus ausmachende or-
ganische System unverändert bleiben,
so darf die Einwirkung von aussen nicht
verändert werden, und der Willkühr
freyer Wesen kein Einfluſs auf dasselbe
gestattet seyn.
Mit diesem Satze ist nun die Absicht unserer
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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/57>, abgerufen am 04.12.2024.
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