Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

Wir kehren von dieser Ausschweifung zu un-
serm Gegenstande zurück. Jeder einzelne Orga-
nismus ist abhängig von dem Universum. Wird
die Einwirkung des letztern auf ihn verändert,
so muss sich eine gänzliche Umwandelung mit ihm
ereignen, und ein neuer, dem vorigen nicht mehr
ähnlicher Organismus muss aus seinen Trümmern
hervorgehen -- Da possim figere pedem, terram
monebo! Gesetzt, einem Archimed würde dieses
Verlangen gewährt, und die Erde aus ihren Angeln
gerissen, was würde erfolgen? Ihre jetzige Organi-
sation würde eine totale Revolution erleiden; keine
Spur derselben würde übrig bleiben; dennoch aber
würde sie zu einem neuen, obgleich dem vorigen
ganz unähnlichen Ganzen organisirt werden. Soll
also jedes einzelne, einen Theil des all-
gemeinen Organismus ausmachende or-
ganische System unverändert bleiben,
so darf die Einwirkung von aussen nicht
verändert werden, und der Willkühr
freyer Wesen kein Einfluss auf dasselbe
gestattet seyn
.

Mit diesem Satze ist nun die Absicht unserer
bisherigen Untersuchungen erfüllt, und unsere
obige Erklärung des Lebens gerechtfertigt. Wir
giengen auf die Beantwortung der Frage aus: ob
sich aus der Grundkraft, worauf uns der Begriff
von der Undurchdringlichkeit der Materie führt,

eine
C 3

Wir kehren von dieser Ausschweifung zu un-
serm Gegenstande zurück. Jeder einzelne Orga-
nismus ist abhängig von dem Universum. Wird
die Einwirkung des letztern auf ihn verändert,
so muſs sich eine gänzliche Umwandelung mit ihm
ereignen, und ein neuer, dem vorigen nicht mehr
ähnlicher Organismus muſs aus seinen Trümmern
hervorgehen — Da possim figere pedem, terram
monebo! Gesetzt, einem Archimed würde dieses
Verlangen gewährt, und die Erde aus ihren Angeln
gerissen, was würde erfolgen? Ihre jetzige Organi-
sation würde eine totale Revolution erleiden; keine
Spur derselben würde übrig bleiben; dennoch aber
würde sie zu einem neuen, obgleich dem vorigen
ganz unähnlichen Ganzen organisirt werden. Soll
also jedes einzelne, einen Theil des all-
gemeinen Organismus ausmachende or-
ganische System unverändert bleiben,
so darf die Einwirkung von aussen nicht
verändert werden, und der Willkühr
freyer Wesen kein Einfluſs auf dasselbe
gestattet seyn
.

Mit diesem Satze ist nun die Absicht unserer
bisherigen Untersuchungen erfüllt, und unsere
obige Erklärung des Lebens gerechtfertigt. Wir
giengen auf die Beantwortung der Frage aus: ob
sich aus der Grundkraft, worauf uns der Begriff
von der Undurchdringlichkeit der Materie führt,

eine
C 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0057" n="37"/>
          <p>Wir kehren von dieser Ausschweifung zu un-<lb/>
serm Gegenstande zurück. Jeder einzelne Orga-<lb/>
nismus ist abhängig von dem Universum. Wird<lb/>
die Einwirkung des letztern auf ihn verändert,<lb/>
so mu&#x017F;s sich eine gänzliche Umwandelung mit ihm<lb/>
ereignen, und ein neuer, dem vorigen nicht mehr<lb/>
ähnlicher Organismus mu&#x017F;s aus seinen Trümmern<lb/>
hervorgehen &#x2014; Da possim figere pedem, terram<lb/>
monebo! Gesetzt, einem Archimed würde dieses<lb/>
Verlangen gewährt, und die Erde aus ihren Angeln<lb/>
gerissen, was würde erfolgen? Ihre jetzige Organi-<lb/>
sation würde eine totale Revolution erleiden; keine<lb/>
Spur derselben würde übrig bleiben; dennoch aber<lb/>
würde sie zu einem neuen, <choice><sic>obgleieh</sic><corr>obgleich</corr></choice> dem vorigen<lb/>
ganz unähnlichen Ganzen organisirt werden. <hi rendition="#g">Soll<lb/>
also jedes einzelne, einen Theil des all-<lb/>
gemeinen Organismus ausmachende or-<lb/>
ganische System unverändert bleiben,<lb/>
so darf die Einwirkung von aussen nicht<lb/>
verändert werden, und der Willkühr<lb/>
freyer Wesen kein Einflu&#x017F;s auf dasselbe<lb/>
gestattet seyn</hi>.</p><lb/>
          <p>Mit diesem Satze ist nun die Absicht unserer<lb/>
bisherigen Untersuchungen erfüllt, und unsere<lb/>
obige Erklärung des Lebens gerechtfertigt. Wir<lb/>
giengen auf die Beantwortung der Frage aus: ob<lb/>
sich aus der Grundkraft, worauf uns der Begriff<lb/>
von der Undurchdringlichkeit der Materie führt,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C 3</fw><fw place="bottom" type="catch">eine</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[37/0057] Wir kehren von dieser Ausschweifung zu un- serm Gegenstande zurück. Jeder einzelne Orga- nismus ist abhängig von dem Universum. Wird die Einwirkung des letztern auf ihn verändert, so muſs sich eine gänzliche Umwandelung mit ihm ereignen, und ein neuer, dem vorigen nicht mehr ähnlicher Organismus muſs aus seinen Trümmern hervorgehen — Da possim figere pedem, terram monebo! Gesetzt, einem Archimed würde dieses Verlangen gewährt, und die Erde aus ihren Angeln gerissen, was würde erfolgen? Ihre jetzige Organi- sation würde eine totale Revolution erleiden; keine Spur derselben würde übrig bleiben; dennoch aber würde sie zu einem neuen, obgleich dem vorigen ganz unähnlichen Ganzen organisirt werden. Soll also jedes einzelne, einen Theil des all- gemeinen Organismus ausmachende or- ganische System unverändert bleiben, so darf die Einwirkung von aussen nicht verändert werden, und der Willkühr freyer Wesen kein Einfluſs auf dasselbe gestattet seyn. Mit diesem Satze ist nun die Absicht unserer bisherigen Untersuchungen erfüllt, und unsere obige Erklärung des Lebens gerechtfertigt. Wir giengen auf die Beantwortung der Frage aus: ob sich aus der Grundkraft, worauf uns der Begriff von der Undurchdringlichkeit der Materie führt, eine C 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/57
Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/57>, abgerufen am 04.05.2024.