jenseits der Gränzen unsers Gesichtskreises bis in die Unendlichkeit hin unaufhörliche Bewegung statt finden muss. Bewegung aber kann nur da statt finden, wo entgegengesetzte Kräfte mit einander im Streite sind. Soll dieser Streit fortdauern, so muss etwas vorhanden seyn, was den Uebergang desselben zum Gleichgewichte verhindert. Was ist nun jenes Etwas, das dem Streite entgegenge- setzter Kräfte, wovon die unaufhörliche Thätig- keit im Universum abhängt, Fortdauer giebt? Wir haben hier eine Frage aufgeworfen, ohne deren Beantwortung jeder Schritt in der Naturwissen- schaft wankend und ungewiss ist.
Schon in der Kindheit des Menschengeschlechts forschte man nach der Lösung dieses Problems, obgleich keiner sich dasselbe bestimmt dachte. Aber auch hier gieng der menschliche Geist densel- ben Weg, wie bey allen Nachforschungen nach den Ursachen natürlicher Ereignisse. Gottheiten, Heroen und Dämonen waren für ihn die Triebfe- dern der ewig regen Thätigkeit im Universum. Der reifere Verstand schränkte die Zahl dieser hy- perphysischen Wesen ein. Doch nie gelang es ihm, sich ganz von ihnen los zu machen. Immer blieb es der unmittelbare Einfluss der Gottheit, oder eine Weltseele, worauf er endlich zurückkam.
Allein den letzten Grund der fortdauernden Thätigkeit des Weltalls in dem unmittelbaren Ein-
flusse
jenseits der Gränzen unsers Gesichtskreises bis in die Unendlichkeit hin unaufhörliche Bewegung statt finden muſs. Bewegung aber kann nur da statt finden, wo entgegengesetzte Kräfte mit einander im Streite sind. Soll dieser Streit fortdauern, so muſs etwas vorhanden seyn, was den Uebergang desselben zum Gleichgewichte verhindert. Was ist nun jenes Etwas, das dem Streite entgegenge- setzter Kräfte, wovon die unaufhörliche Thätig- keit im Universum abhängt, Fortdauer giebt? Wir haben hier eine Frage aufgeworfen, ohne deren Beantwortung jeder Schritt in der Naturwissen- schaft wankend und ungewiſs ist.
Schon in der Kindheit des Menschengeschlechts forschte man nach der Lösung dieses Problems, obgleich keiner sich dasselbe bestimmt dachte. Aber auch hier gieng der menschliche Geist densel- ben Weg, wie bey allen Nachforschungen nach den Ursachen natürlicher Ereignisse. Gottheiten, Heroen und Dämonen waren für ihn die Triebfe- dern der ewig regen Thätigkeit im Universum. Der reifere Verstand schränkte die Zahl dieser hy- perphysischen Wesen ein. Doch nie gelang es ihm, sich ganz von ihnen los zu machen. Immer blieb es der unmittelbare Einfluſs der Gottheit, oder eine Weltseele, worauf er endlich zurückkam.
Allein den letzten Grund der fortdauernden Thätigkeit des Weltalls in dem unmittelbaren Ein-
flusse
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jenseits der Gränzen unsers Gesichtskreises bis in
die Unendlichkeit hin unaufhörliche Bewegung statt
finden muſs. Bewegung aber kann nur da statt
finden, wo entgegengesetzte Kräfte mit einander
im Streite sind. Soll dieser Streit fortdauern, so
muſs etwas vorhanden seyn, was den Uebergang
desselben zum Gleichgewichte verhindert. Was
ist nun jenes Etwas, das dem Streite entgegenge-
setzter Kräfte, wovon die unaufhörliche Thätig-
keit im Universum abhängt, Fortdauer giebt? Wir
haben hier eine Frage aufgeworfen, ohne deren
Beantwortung jeder Schritt in der Naturwissen-
schaft wankend und ungewiſs ist.
Schon in der Kindheit des Menschengeschlechts
forschte man nach der Lösung dieses Problems,
obgleich keiner sich dasselbe bestimmt dachte.
Aber auch hier gieng der menschliche Geist densel-
ben Weg, wie bey allen Nachforschungen nach
den Ursachen natürlicher Ereignisse. Gottheiten,
Heroen und Dämonen waren für ihn die Triebfe-
dern der ewig regen Thätigkeit im Universum.
Der reifere Verstand schränkte die Zahl dieser hy-
perphysischen Wesen ein. Doch nie gelang es ihm,
sich ganz von ihnen los zu machen. Immer blieb
es der unmittelbare Einfluſs der Gottheit, oder eine
Weltseele, worauf er endlich zurückkam.
Allein den letzten Grund der fortdauernden
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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/51>, abgerufen am 04.12.2024.
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