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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802.

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Dieser Einwurf setzt uns in eine ähnliche
Lage, wie die ist, worin sich der Philosoph in
Betreff des Daseyns Gottes, der Unsterblichkeit,
und der menschlichen Freyheit befindet. Jener
sieht sich von allen Mitteln zum Beweise der letz-
tern gänzlich verlassen. Aber es giebt auch keinen
Weg, worauf ihm das Gegentheil bewiesen wer-
den könnte. Er folgt daher blos dem Interesse
der Sittenlehre, und nimmt diese Meynungen an,
weil die Moral ihrer nicht entbehren kann. So
auch hier. Es lässt sich nicht darthun, dass nicht
die Kette der repulsiven Kräfte, welche die sicht-
bare Welt bildet, durch eine gegenwirkende Kraft
irgendwo beschränkt ist. Aber es lässt sich auch
eben so wenig beweisen, dass diese Kette sich
nicht ins Unendliche erstreckt. Es giebt hier also
keinen andern Ausweg, als der Voraussetzung zu
folgen, die dem Interesse der Naturwissenschaft
am angemessensten ist, und dieses geht offenbar
auf die einfachere Voraussetzung von einer einzi-
gen Grundkraft und von der Unbeschränktheit des
Weltalls. Wir müssen auch hier, wie bey den
oben erwähnten Gegenständen, ohne Beweis glau-
ben, oder auf alle Naturphilosophie Verzicht thun.

So weit unser Blick reicht, finden wir ewig
rege Thätigkeit im Universum. Wenden wir auf
diesen Erfahrungssatz die letztere der beyden obi-
gen Folgerungen an, so ergiebt sich, dass auch

jenseits

Dieser Einwurf setzt uns in eine ähnliche
Lage, wie die ist, worin sich der Philosoph in
Betreff des Daseyns Gottes, der Unsterblichkeit,
und der menschlichen Freyheit befindet. Jener
sieht sich von allen Mitteln zum Beweise der letz-
tern gänzlich verlassen. Aber es giebt auch keinen
Weg, worauf ihm das Gegentheil bewiesen wer-
den könnte. Er folgt daher blos dem Interesse
der Sittenlehre, und nimmt diese Meynungen an,
weil die Moral ihrer nicht entbehren kann. So
auch hier. Es läſst sich nicht darthun, daſs nicht
die Kette der repulsiven Kräfte, welche die sicht-
bare Welt bildet, durch eine gegenwirkende Kraft
irgendwo beschränkt ist. Aber es läſst sich auch
eben so wenig beweisen, daſs diese Kette sich
nicht ins Unendliche erstreckt. Es giebt hier also
keinen andern Ausweg, als der Voraussetzung zu
folgen, die dem Interesse der Naturwissenschaft
am angemessensten ist, und dieses geht offenbar
auf die einfachere Voraussetzung von einer einzi-
gen Grundkraft und von der Unbeschränktheit des
Weltalls. Wir müssen auch hier, wie bey den
oben erwähnten Gegenständen, ohne Beweis glau-
ben, oder auf alle Naturphilosophie Verzicht thun.

So weit unser Blick reicht, finden wir ewig
rege Thätigkeit im Universum. Wenden wir auf
diesen Erfahrungssatz die letztere der beyden obi-
gen Folgerungen an, so ergiebt sich, daſs auch

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[30/0050] Dieser Einwurf setzt uns in eine ähnliche Lage, wie die ist, worin sich der Philosoph in Betreff des Daseyns Gottes, der Unsterblichkeit, und der menschlichen Freyheit befindet. Jener sieht sich von allen Mitteln zum Beweise der letz- tern gänzlich verlassen. Aber es giebt auch keinen Weg, worauf ihm das Gegentheil bewiesen wer- den könnte. Er folgt daher blos dem Interesse der Sittenlehre, und nimmt diese Meynungen an, weil die Moral ihrer nicht entbehren kann. So auch hier. Es läſst sich nicht darthun, daſs nicht die Kette der repulsiven Kräfte, welche die sicht- bare Welt bildet, durch eine gegenwirkende Kraft irgendwo beschränkt ist. Aber es läſst sich auch eben so wenig beweisen, daſs diese Kette sich nicht ins Unendliche erstreckt. Es giebt hier also keinen andern Ausweg, als der Voraussetzung zu folgen, die dem Interesse der Naturwissenschaft am angemessensten ist, und dieses geht offenbar auf die einfachere Voraussetzung von einer einzi- gen Grundkraft und von der Unbeschränktheit des Weltalls. Wir müssen auch hier, wie bey den oben erwähnten Gegenständen, ohne Beweis glau- ben, oder auf alle Naturphilosophie Verzicht thun. So weit unser Blick reicht, finden wir ewig rege Thätigkeit im Universum. Wenden wir auf diesen Erfahrungssatz die letztere der beyden obi- gen Folgerungen an, so ergiebt sich, daſs auch jenseits

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Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/50>, abgerufen am 19.04.2024.