Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

wächst, indem die andere abnimmt. Folglich kann
keine Bewegung der Materie vorgehen, ohne dass
die zu ihrer Existenz erforderliche Grundkraft zu-
oder abnimmt, indem diejenigen Kräfte, wovon
diese begränzt wird, eine entgegengesetzte Verän-
derung erleiden. Nun wird die Grundkraft jeder
einzelnen Materie durch die Grundkräfte aller übri-
gen begränzt. Also kann keine Bewegung in jener
statt finden, ohne dass auch diese daran Theil
nehmen.

Ehe wir von diesen beyden Folgerungen wei-
tern Gebrauch machen, ist es nothwendig, zur
Rechtfertigung der erstern etwas beyzufügen. Die
Anwendung der Bedingungen der Erfahrung auf
den empirischen Begriff von der Undurchdringlich-
keit der Materie scheint uns hier auf einen Satz
zu führen, wohin wir mit Hülfe der erstern allein
nicht gelangen können. Inzwischen die Richtig-
keit dieser Folgerung ist nur scheinbar. Wir ge-
ben euch zu, kann man uns entgegensetzen, dass
das Interesse der Naturforschung es erfordert, zur
Möglichkeit der Materie nur eine einzige Grund-
kraft anzunehmen. Aber ist es darum auch erlaubt,
mit dieser Grundkraft über die Gränzen der Sinnen-
welt hinauszugehen? Kann nicht jenseits des Ster-
nenhimmels, wohin die Erfahrung nicht mehr
reicht, eine Kraft vorhanden seyn, die dem Inbe-
griffe aller repulsiven Kräfte Schranken setzt?

Dieser

wächst, indem die andere abnimmt. Folglich kann
keine Bewegung der Materie vorgehen, ohne daſs
die zu ihrer Existenz erforderliche Grundkraft zu-
oder abnimmt, indem diejenigen Kräfte, wovon
diese begränzt wird, eine entgegengesetzte Verän-
derung erleiden. Nun wird die Grundkraft jeder
einzelnen Materie durch die Grundkräfte aller übri-
gen begränzt. Also kann keine Bewegung in jener
statt finden, ohne daſs auch diese daran Theil
nehmen.

Ehe wir von diesen beyden Folgerungen wei-
tern Gebrauch machen, ist es nothwendig, zur
Rechtfertigung der erstern etwas beyzufügen. Die
Anwendung der Bedingungen der Erfahrung auf
den empirischen Begriff von der Undurchdringlich-
keit der Materie scheint uns hier auf einen Satz
zu führen, wohin wir mit Hülfe der erstern allein
nicht gelangen können. Inzwischen die Richtig-
keit dieser Folgerung ist nur scheinbar. Wir ge-
ben euch zu, kann man uns entgegensetzen, daſs
das Interesse der Naturforschung es erfordert, zur
Möglichkeit der Materie nur eine einzige Grund-
kraft anzunehmen. Aber ist es darum auch erlaubt,
mit dieser Grundkraft über die Gränzen der Sinnen-
welt hinauszugehen? Kann nicht jenseits des Ster-
nenhimmels, wohin die Erfahrung nicht mehr
reicht, eine Kraft vorhanden seyn, die dem Inbe-
griffe aller repulsiven Kräfte Schranken setzt?

Dieser
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0049" n="29"/>
wächst, indem die andere abnimmt. Folglich kann<lb/>
keine Bewegung der Materie vorgehen, ohne da&#x017F;s<lb/>
die zu ihrer Existenz erforderliche Grundkraft zu-<lb/>
oder abnimmt, indem diejenigen Kräfte, wovon<lb/>
diese begränzt wird, eine entgegengesetzte Verän-<lb/>
derung erleiden. Nun wird die Grundkraft jeder<lb/>
einzelnen Materie durch die Grundkräfte aller übri-<lb/>
gen begränzt. Also kann keine Bewegung in jener<lb/>
statt finden, ohne da&#x017F;s auch diese daran Theil<lb/>
nehmen.</p><lb/>
          <p>Ehe wir von diesen beyden Folgerungen wei-<lb/>
tern Gebrauch machen, ist es nothwendig, zur<lb/>
Rechtfertigung der erstern etwas beyzufügen. Die<lb/>
Anwendung der Bedingungen der Erfahrung auf<lb/>
den empirischen Begriff von der Undurchdringlich-<lb/>
keit der Materie scheint uns hier auf einen Satz<lb/>
zu führen, wohin wir mit Hülfe der erstern allein<lb/>
nicht gelangen können. Inzwischen die Richtig-<lb/>
keit dieser Folgerung ist nur scheinbar. Wir ge-<lb/>
ben euch zu, kann man uns entgegensetzen, da&#x017F;s<lb/>
das Interesse der Naturforschung es erfordert, zur<lb/>
Möglichkeit der Materie nur eine einzige Grund-<lb/>
kraft anzunehmen. Aber ist es darum auch erlaubt,<lb/>
mit dieser Grundkraft über die Gränzen der Sinnen-<lb/>
welt hinauszugehen? Kann nicht jenseits des Ster-<lb/>
nenhimmels, wohin die Erfahrung nicht mehr<lb/>
reicht, eine Kraft vorhanden seyn, die dem Inbe-<lb/>
griffe aller repulsiven Kräfte Schranken setzt?</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Dieser</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0049] wächst, indem die andere abnimmt. Folglich kann keine Bewegung der Materie vorgehen, ohne daſs die zu ihrer Existenz erforderliche Grundkraft zu- oder abnimmt, indem diejenigen Kräfte, wovon diese begränzt wird, eine entgegengesetzte Verän- derung erleiden. Nun wird die Grundkraft jeder einzelnen Materie durch die Grundkräfte aller übri- gen begränzt. Also kann keine Bewegung in jener statt finden, ohne daſs auch diese daran Theil nehmen. Ehe wir von diesen beyden Folgerungen wei- tern Gebrauch machen, ist es nothwendig, zur Rechtfertigung der erstern etwas beyzufügen. Die Anwendung der Bedingungen der Erfahrung auf den empirischen Begriff von der Undurchdringlich- keit der Materie scheint uns hier auf einen Satz zu führen, wohin wir mit Hülfe der erstern allein nicht gelangen können. Inzwischen die Richtig- keit dieser Folgerung ist nur scheinbar. Wir ge- ben euch zu, kann man uns entgegensetzen, daſs das Interesse der Naturforschung es erfordert, zur Möglichkeit der Materie nur eine einzige Grund- kraft anzunehmen. Aber ist es darum auch erlaubt, mit dieser Grundkraft über die Gränzen der Sinnen- welt hinauszugehen? Kann nicht jenseits des Ster- nenhimmels, wohin die Erfahrung nicht mehr reicht, eine Kraft vorhanden seyn, die dem Inbe- griffe aller repulsiven Kräfte Schranken setzt? Dieser

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/49
Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/49>, abgerufen am 27.04.2024.