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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802.

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alle Materien blos attraktive Kräfte, so würde die
anziehende Kraft jeder einzelnen auf die anziehen-
den Kräfte aller übrigen, und umgekehrt wurden
die anziehenden Kräfte aller übrigen auf die gleich-
namige Kraft jeder einzelnen als repulsive Kraft
wirken. Da es nun gleichgültig ist, welche von
zweyen entgegengesetzten Grössen für die positive
angenommen wird, so ist es einerley, ob wir uns
die zur Möglichkeit der Materie erforderliche Grund-
kraft als attraktive, oder als repulsive Kraft denken.

Aus dieser Annahme einer einzigen Grundkraft
ergeben sich zwey für den Verfolg unserer Unter-
suchungen wichtige Folgerungen, die sich bey der
Voraussetzung zweyer Grundkräfte nicht erweisen
lassen.

Erstens ergiebt sich daraus die Unendlich-
keit des Universums
. Ist nehmlich jede Ma-
terie nur dadurch Materie, dass andere Materien
auf sie einwirken, so kann das Weltall nirgends
Gränzen haben, weil sich sonst alle Materien ins
Unendliche zerstreuen würden.

Eine zweyte Folgerung aus jener Vorausse-
tzung ist: dass keine partielle Bewegung
im Universum vorhanden seyn kann,
ohne dass das Ganze daran Theil nimmt
.
Denn Bewegung ist Stöhrung des Gleichgewichts
entgegengesetzter Kräfte. Diese Stöhrung aber
ist nur dadurch möglich, dass die eine der letztern

wächst,

alle Materien blos attraktive Kräfte, so würde die
anziehende Kraft jeder einzelnen auf die anziehen-
den Kräfte aller übrigen, und umgekehrt wurden
die anziehenden Kräfte aller übrigen auf die gleich-
namige Kraft jeder einzelnen als repulsive Kraft
wirken. Da es nun gleichgültig ist, welche von
zweyen entgegengesetzten Gröſsen für die positive
angenommen wird, so ist es einerley, ob wir uns
die zur Möglichkeit der Materie erforderliche Grund-
kraft als attraktive, oder als repulsive Kraft denken.

Aus dieser Annahme einer einzigen Grundkraft
ergeben sich zwey für den Verfolg unserer Unter-
suchungen wichtige Folgerungen, die sich bey der
Voraussetzung zweyer Grundkräfte nicht erweisen
lassen.

Erstens ergiebt sich daraus die Unendlich-
keit des Universums
. Ist nehmlich jede Ma-
terie nur dadurch Materie, daſs andere Materien
auf sie einwirken, so kann das Weltall nirgends
Gränzen haben, weil sich sonst alle Materien ins
Unendliche zerstreuen würden.

Eine zweyte Folgerung aus jener Vorausse-
tzung ist: daſs keine partielle Bewegung
im Universum vorhanden seyn kann,
ohne daſs das Ganze daran Theil nimmt
.
Denn Bewegung ist Stöhrung des Gleichgewichts
entgegengesetzter Kräfte. Diese Stöhrung aber
ist nur dadurch möglich, daſs die eine der letztern

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[28/0048] alle Materien blos attraktive Kräfte, so würde die anziehende Kraft jeder einzelnen auf die anziehen- den Kräfte aller übrigen, und umgekehrt wurden die anziehenden Kräfte aller übrigen auf die gleich- namige Kraft jeder einzelnen als repulsive Kraft wirken. Da es nun gleichgültig ist, welche von zweyen entgegengesetzten Gröſsen für die positive angenommen wird, so ist es einerley, ob wir uns die zur Möglichkeit der Materie erforderliche Grund- kraft als attraktive, oder als repulsive Kraft denken. Aus dieser Annahme einer einzigen Grundkraft ergeben sich zwey für den Verfolg unserer Unter- suchungen wichtige Folgerungen, die sich bey der Voraussetzung zweyer Grundkräfte nicht erweisen lassen. Erstens ergiebt sich daraus die Unendlich- keit des Universums. Ist nehmlich jede Ma- terie nur dadurch Materie, daſs andere Materien auf sie einwirken, so kann das Weltall nirgends Gränzen haben, weil sich sonst alle Materien ins Unendliche zerstreuen würden. Eine zweyte Folgerung aus jener Vorausse- tzung ist: daſs keine partielle Bewegung im Universum vorhanden seyn kann, ohne daſs das Ganze daran Theil nimmt. Denn Bewegung ist Stöhrung des Gleichgewichts entgegengesetzter Kräfte. Diese Stöhrung aber ist nur dadurch möglich, daſs die eine der letztern wächst,

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Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/48>, abgerufen am 29.03.2024.