Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

gentier, Fernel und Vesal erschüttert. Nach
dem Sturze desselben erhielt die Scheidekunst aus
der trüben Quelle der Alchemie eine Menge neuer
Entdeckungen. So wichtig diese für die damaligen
Zeiten waren, so blieben sie doch nur, um mich
der Worte des Baco zu bedienen, pauca experimen-
ta fornacis. Inzwischen hielt sie Sylvius für hin-
länglich, um auf ihnen eine neue Theorie der Heil-
kunde zu bauen, worin er alles aus chemischen
Gesichtspunkten ansahe, alle Lebenserscheinungen
für Wirkungen chemischer Kräfte erklärte.

Eine andere Wissenschaft, die in den damali-
gen und nächst folgenden Zeiten eifrig getrieben
wurde, war die Grössenlehre mit ihren Zweigen,
der Mechanik und Hydraulik. Mehrere einseitige
Köpfe unter ihren Bearbeitern, vorzüglich Pit-
cairn, Keil
und Borelli, glaubten durch die Fak-
kel dieser Wissenschaften Licht in den dunkeln Irr-
gängen der Medicin verbreiten zu können, und so
entstand die Sekte der Jatromathematiker, in deren
biologischem System mechanische Kräfte die Haupt-
rolle spielten.

Alle Kräfte der leblosen Natur waren jetzt
schon versucht, ohne dass die praktische Medicin
feste Principien dadurch erhalten hätte. Nur die
Geisterwelt war noch unangetastet geblieben.
Stahl nahm endlich auch diese zur Erklärung der
Lebenserscheinungen zu Hülfe. Bey der Prüfung

der
K 3

gentier, Fernel und Vesal erschüttert. Nach
dem Sturze desselben erhielt die Scheidekunst aus
der trüben Quelle der Alchemie eine Menge neuer
Entdeckungen. So wichtig diese für die damaligen
Zeiten waren, so blieben sie doch nur, um mich
der Worte des Baco zu bedienen, pauca experimen-
ta fornacis. Inzwischen hielt sie Sylvius für hin-
länglich, um auf ihnen eine neue Theorie der Heil-
kunde zu bauen, worin er alles aus chemischen
Gesichtspunkten ansahe, alle Lebenserscheinungen
für Wirkungen chemischer Kräfte erklärte.

Eine andere Wissenschaft, die in den damali-
gen und nächst folgenden Zeiten eifrig getrieben
wurde, war die Gröſsenlehre mit ihren Zweigen,
der Mechanik und Hydraulik. Mehrere einseitige
Köpfe unter ihren Bearbeitern, vorzüglich Pit-
cairn, Keil
und Borelli, glaubten durch die Fak-
kel dieser Wissenschaften Licht in den dunkeln Irr-
gängen der Medicin verbreiten zu können, und so
entstand die Sekte der Jatromathematiker, in deren
biologischem System mechanische Kräfte die Haupt-
rolle spielten.

Alle Kräfte der leblosen Natur waren jetzt
schon versucht, ohne daſs die praktische Medicin
feste Principien dadurch erhalten hätte. Nur die
Geisterwelt war noch unangetastet geblieben.
Stahl nahm endlich auch diese zur Erklärung der
Lebenserscheinungen zu Hülfe. Bey der Prüfung

der
K 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0169" n="149"/><hi rendition="#k">gentier, Fernel</hi> und <hi rendition="#k">Vesal</hi> erschüttert. Nach<lb/>
dem Sturze desselben erhielt die Scheidekunst aus<lb/>
der trüben Quelle der Alchemie eine Menge neuer<lb/>
Entdeckungen. So wichtig diese für die damaligen<lb/>
Zeiten waren, so blieben sie doch nur, um mich<lb/>
der Worte des <hi rendition="#k">Baco</hi> zu bedienen, pauca experimen-<lb/>
ta fornacis. Inzwischen hielt sie <hi rendition="#k">Sylvius</hi> für hin-<lb/>
länglich, um auf ihnen eine neue Theorie der Heil-<lb/>
kunde zu bauen, worin er alles aus chemischen<lb/>
Gesichtspunkten ansahe, alle Lebenserscheinungen<lb/>
für Wirkungen chemischer Kräfte erklärte.</p><lb/>
          <p>Eine andere Wissenschaft, die in den damali-<lb/>
gen und nächst folgenden Zeiten eifrig getrieben<lb/>
wurde, war die Grö&#x017F;senlehre mit ihren Zweigen,<lb/>
der Mechanik und Hydraulik. Mehrere einseitige<lb/>
Köpfe unter ihren Bearbeitern, vorzüglich <hi rendition="#k">Pit-<lb/>
cairn, Keil</hi> und <hi rendition="#k">Borelli</hi>, glaubten durch die Fak-<lb/>
kel dieser Wissenschaften Licht in den dunkeln Irr-<lb/>
gängen der Medicin verbreiten zu können, und so<lb/>
entstand die Sekte der Jatromathematiker, in deren<lb/>
biologischem System mechanische Kräfte die Haupt-<lb/>
rolle spielten.</p><lb/>
          <p>Alle Kräfte der leblosen Natur waren jetzt<lb/>
schon versucht, ohne da&#x017F;s die praktische Medicin<lb/>
feste Principien dadurch erhalten hätte. Nur die<lb/>
Geisterwelt war noch unangetastet geblieben.<lb/><hi rendition="#k">Stahl</hi> nahm endlich auch diese zur Erklärung der<lb/>
Lebenserscheinungen zu Hülfe. Bey der Prüfung<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">K 3</fw><fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[149/0169] gentier, Fernel und Vesal erschüttert. Nach dem Sturze desselben erhielt die Scheidekunst aus der trüben Quelle der Alchemie eine Menge neuer Entdeckungen. So wichtig diese für die damaligen Zeiten waren, so blieben sie doch nur, um mich der Worte des Baco zu bedienen, pauca experimen- ta fornacis. Inzwischen hielt sie Sylvius für hin- länglich, um auf ihnen eine neue Theorie der Heil- kunde zu bauen, worin er alles aus chemischen Gesichtspunkten ansahe, alle Lebenserscheinungen für Wirkungen chemischer Kräfte erklärte. Eine andere Wissenschaft, die in den damali- gen und nächst folgenden Zeiten eifrig getrieben wurde, war die Gröſsenlehre mit ihren Zweigen, der Mechanik und Hydraulik. Mehrere einseitige Köpfe unter ihren Bearbeitern, vorzüglich Pit- cairn, Keil und Borelli, glaubten durch die Fak- kel dieser Wissenschaften Licht in den dunkeln Irr- gängen der Medicin verbreiten zu können, und so entstand die Sekte der Jatromathematiker, in deren biologischem System mechanische Kräfte die Haupt- rolle spielten. Alle Kräfte der leblosen Natur waren jetzt schon versucht, ohne daſs die praktische Medicin feste Principien dadurch erhalten hätte. Nur die Geisterwelt war noch unangetastet geblieben. Stahl nahm endlich auch diese zur Erklärung der Lebenserscheinungen zu Hülfe. Bey der Prüfung der K 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/169
Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/169>, abgerufen am 01.05.2024.