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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802.

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Empirie, er braucht sich doch nur zum Theil dar-
auf zu verlassen; er kann jenes Zeugniss berichti-
gen. Die Krankheitssymptome sind Gegenstände
der sinnlichen Wahrnehmung; was ihnen zum
Grunde liegt, oder die Krankheit selbst, entzieht
sich den Sinnen, und dies ist das Unbekannte,
was der Dogmatiker sucht; die veranlassenden Ur-
sachen der letztern lassen sich wieder durch Beobach-
tungen ausmachen. Die Krankheitssymptome, die
Krankheit selbst, und deren veranlassenden Ursa-
chen machen also eine Kette von Ursachen und
Wirkungen aus, worin der Dogmatiker das erste
und letzte Glied kennt, oder wenigstens zu er-
kennen im Stande ist, und das mittlere aufsucht.
Ist das erste Glied anders, so muss auch das letz-
te anders seyn, und umgekehrt. Mangelhafte
Kenntniss des erstern kann folglich der Dogmatiker
durch genauere Untersuchung des letztern, und
mangelhafte Kenntniss des letztern durch sorgfäl-
tigere Erforschung des erstern berichtigen. Uebri-
gens muss auch das grösste Genie bey der Empirie
unter der Last der unzähligen zerstreuten Thatsa-
chen erliegen. Nur dann assimilirt sich das Man-
nichfaltige dem Geiste, nur dann bleibt es ihm im-
mer gegenwärtig, wenn er Einheit darin erblickt.
Und diese Einheit findet er nur beym Dogmatismus.

Nach dem bisher Vorgetragenen lässt sich nicht
weiter zweifeln, dass medicinische Praxis ohne al-

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Empirie, er braucht sich doch nur zum Theil dar-
auf zu verlassen; er kann jenes Zeugniſs berichti-
gen. Die Krankheitssymptome sind Gegenstände
der sinnlichen Wahrnehmung; was ihnen zum
Grunde liegt, oder die Krankheit selbst, entzieht
sich den Sinnen, und dies ist das Unbekannte,
was der Dogmatiker sucht; die veranlassenden Ur-
sachen der letztern lassen sich wieder durch Beobach-
tungen ausmachen. Die Krankheitssymptome, die
Krankheit selbst, und deren veranlassenden Ursa-
chen machen also eine Kette von Ursachen und
Wirkungen aus, worin der Dogmatiker das erste
und letzte Glied kennt, oder wenigstens zu er-
kennen im Stande ist, und das mittlere aufsucht.
Ist das erste Glied anders, so muſs auch das letz-
te anders seyn, und umgekehrt. Mangelhafte
Kenntniſs des erstern kann folglich der Dogmatiker
durch genauere Untersuchung des letztern, und
mangelhafte Kenntniſs des letztern durch sorgfäl-
tigere Erforschung des erstern berichtigen. Uebri-
gens muſs auch das gröſste Genie bey der Empirie
unter der Last der unzähligen zerstreuten Thatsa-
chen erliegen. Nur dann assimilirt sich das Man-
nichfaltige dem Geiste, nur dann bleibt es ihm im-
mer gegenwärtig, wenn er Einheit darin erblickt.
Und diese Einheit findet er nur beym Dogmatismus.

Nach dem bisher Vorgetragenen läſst sich nicht
weiter zweifeln, daſs medicinische Praxis ohne al-

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[136/0156] Empirie, er braucht sich doch nur zum Theil dar- auf zu verlassen; er kann jenes Zeugniſs berichti- gen. Die Krankheitssymptome sind Gegenstände der sinnlichen Wahrnehmung; was ihnen zum Grunde liegt, oder die Krankheit selbst, entzieht sich den Sinnen, und dies ist das Unbekannte, was der Dogmatiker sucht; die veranlassenden Ur- sachen der letztern lassen sich wieder durch Beobach- tungen ausmachen. Die Krankheitssymptome, die Krankheit selbst, und deren veranlassenden Ursa- chen machen also eine Kette von Ursachen und Wirkungen aus, worin der Dogmatiker das erste und letzte Glied kennt, oder wenigstens zu er- kennen im Stande ist, und das mittlere aufsucht. Ist das erste Glied anders, so muſs auch das letz- te anders seyn, und umgekehrt. Mangelhafte Kenntniſs des erstern kann folglich der Dogmatiker durch genauere Untersuchung des letztern, und mangelhafte Kenntniſs des letztern durch sorgfäl- tigere Erforschung des erstern berichtigen. Uebri- gens muſs auch das gröſste Genie bey der Empirie unter der Last der unzähligen zerstreuten Thatsa- chen erliegen. Nur dann assimilirt sich das Man- nichfaltige dem Geiste, nur dann bleibt es ihm im- mer gegenwärtig, wenn er Einheit darin erblickt. Und diese Einheit findet er nur beym Dogmatismus. Nach dem bisher Vorgetragenen läſst sich nicht weiter zweifeln, daſs medicinische Praxis ohne al- len

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Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/156>, abgerufen am 04.12.2024.