Physikers lassen sich wiederhohlen und prüfen, und er darf daher nicht verfälschen, wenn er auch dazu aufgelegt ist. Aber den Arzt drückt nicht die Furcht vor der Entdeckung eines Betrugs. Er kann bey gehöriger Vorsicht täuschen, ohne Ge- fahr, der Täuschung je überführt zu werden. Zwar sagt man: die Natur hat ein Gepräge der Wahrheit, das keine Kunst nachahmen kann. Aber angenommen, dass diese Behauptung auch ihre Richtigkeit hat, so wird doch jenes Gepräge schwer aufzufinden, und noch schwerer zu entzif- fern seyn, und kein Menschenalter wird hinrei- chen, um diese Arbeit mit jeder Erfahrung vor- zunehmen. Jede Erfahrung, wovon wir Gebrauch machen wollen, muss aber dieser Prüfung unter- worfen werden, und zwar von uns selbst unter- worfen werden: denn nur auf unser eigenes Ur- theil, nicht auf die Aussagen Anderer, die von Vor- urtheilen und Leidenschaften verblendet seyn kön- nen, durfen wir uns hierbey verlassen.
Endlich, wenn wir auch diese Schwürigkeit bey Seite setzen, und dem Empiriker einen noch so grossen Reichthum an reinen objektiven Erfah- rungen zugestehen, so bleibt doch bey allem dem die Anwendung dieser Schätze für ihn höchst be- schränkt. Um nehmlich mit der Gewissheit eines glücklichen Erfolgs eine Arzney, die in einem beo- bachteten Falle heilsame Wirkungen hervorbrachte,
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Physikers lassen sich wiederhohlen und prüfen, und er darf daher nicht verfälschen, wenn er auch dazu aufgelegt ist. Aber den Arzt drückt nicht die Furcht vor der Entdeckung eines Betrugs. Er kann bey gehöriger Vorsicht täuschen, ohne Ge- fahr, der Täuschung je überführt zu werden. Zwar sagt man: die Natur hat ein Gepräge der Wahrheit, das keine Kunst nachahmen kann. Aber angenommen, daſs diese Behauptung auch ihre Richtigkeit hat, so wird doch jenes Gepräge schwer aufzufinden, und noch schwerer zu entzif- fern seyn, und kein Menschenalter wird hinrei- chen, um diese Arbeit mit jeder Erfahrung vor- zunehmen. Jede Erfahrung, wovon wir Gebrauch machen wollen, muſs aber dieser Prüfung unter- worfen werden, und zwar von uns selbst unter- worfen werden: denn nur auf unser eigenes Ur- theil, nicht auf die Aussagen Anderer, die von Vor- urtheilen und Leidenschaften verblendet seyn kön- nen, durfen wir uns hierbey verlassen.
Endlich, wenn wir auch diese Schwürigkeit bey Seite setzen, und dem Empiriker einen noch so groſsen Reichthum an reinen objektiven Erfah- rungen zugestehen, so bleibt doch bey allem dem die Anwendung dieser Schätze für ihn höchst be- schränkt. Um nehmlich mit der Gewiſsheit eines glücklichen Erfolgs eine Arzney, die in einem beo- bachteten Falle heilsame Wirkungen hervorbrachte,
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Physikers lassen sich wiederhohlen und prüfen,
und er darf daher nicht verfälschen, wenn er auch
dazu aufgelegt ist. Aber den Arzt drückt nicht
die Furcht vor der Entdeckung eines Betrugs. Er
kann bey gehöriger Vorsicht täuschen, ohne Ge-
fahr, der Täuschung je überführt zu werden.
Zwar sagt man: die Natur hat ein Gepräge der
Wahrheit, das keine Kunst nachahmen kann.
Aber angenommen, daſs diese Behauptung auch
ihre Richtigkeit hat, so wird doch jenes Gepräge
schwer aufzufinden, und noch schwerer zu entzif-
fern seyn, und kein Menschenalter wird hinrei-
chen, um diese Arbeit mit jeder Erfahrung vor-
zunehmen. Jede Erfahrung, wovon wir Gebrauch
machen wollen, muſs aber dieser Prüfung unter-
worfen werden, und zwar von uns selbst unter-
worfen werden: denn nur auf unser eigenes Ur-
theil, nicht auf die Aussagen Anderer, die von Vor-
urtheilen und Leidenschaften verblendet seyn kön-
nen, durfen wir uns hierbey verlassen.
Endlich, wenn wir auch diese Schwürigkeit
bey Seite setzen, und dem Empiriker einen noch
so groſsen Reichthum an reinen objektiven Erfah-
rungen zugestehen, so bleibt doch bey allem dem
die Anwendung dieser Schätze für ihn höchst be-
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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/154>, abgerufen am 04.12.2024.
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