um mich sich schließen, bleiben meine offen so lange ich lebe. Wenn irgend jemand mir Theueren ein Haar gekrümmt wird, werde ich keine Schonung mehr kennen. Daß in Würzburg Umtriebe stattfinden ist mir bekannt. Ich sage nicht, daß Sie theilgenommen, aber damit Sie's sagen. Vor zwei Zeugen rede ich. Wüßte ich daß Sie schuldig, ich würde es Ihnen sagen. Offen und grad ist meine Art, und so hoffe ich zu sterben. Ich spreche nicht von Dankbarkeit und Pflichten gegen den Landesherrn, aber dumm, dumm ist's sich so zu benehmen."*)
Die Leitung des neuen Ministeriums übernahm der Pfälzer Maurer, der einst in der griechischen Regentschaft mit Abel zusammengewirkt, da- heim aber den zur ultramontanen Partei übergegangenen alten Freund gänzlich aufgegeben hatte. Er war, zum Entsetzen der Clericalen, der erste protestantische Minister Baierns: so lange wirkten, trotz der rechtlich an- erkannten Gleichheit, die alten confessionellen Erinnerungen noch in den meisten deutschen Staaten nach, in Preußen ward erst nach der Revo- lution der erste katholische Minister möglich. Mit dem Könige hatte Maurer schon als Kind in dem Rohrbacher Schlößchen bei Heidelberg oft zusammen gespielt. Mehr Gelehrter als Staatsmann, aber geschäftstüchtig, erfahren, arbeitsam, übernahm er das peinliche Amt nur aus Pflichtgefühl und mit der redlichen Absicht, die durch eine rohe Parteiherrschaft dem Lande ge- schlagenen Wunden zu heilen. Die Indigenats-Urkunde für Gräfin Lola Landsfeld mußte er freilich unterzeichnen, obgleich er eine solche Standes- erhöhung erst kürzlich im Staatsrathe selber für eine große "Calamität" erklärt hatte; doch jeden persönlichen Verkehr mit der neuen Gräfin ver- bat er sich ernstlich. Mit gesetzgeberischem Feuereifer, wie einst in Griechen- land, arbeitete er nun an der lange geplanten Justizreform und gewann den König für das öffentlich-mündliche Verfahren; nur von Geschworenen wollte Ludwig nichts hören. Die beiden so schwer mißhandelten Liberalen Behr und Eisenmann erlangten endlich ihre Freiheit wieder; die Uni- versitäten erhielten eine neue, etwas verständigere Studienordnung, die Studenten erweiterte Rechte für ihre Verbindungen. Andererseits wurde die Missionsthätigkeit der Redemtoristen beschränkt und den Nonnen die Ablegung der ewigen Gelübde erst in reiferem Lebensalter gestattet. Er- gebene Anhänger nannten die neue, offenbar ehrliche Regierung schon das Ministerium der Morgenröthe.
Der Wiener Hof zeigte sich über das Unglück seiner bairischen Freunde tief bekümmert. Sein Gesandter Graf Senfft, der so lange mit den Münchener Ultramontanen Hand in Hand gegangen war, gab Feste zu Ehren der gestürzten Minister, er bekam die Ungnade König Ludwig's stark zu fühlen und sah sich schließlich gezwungen, ohne Abschied zu verschwinden. Nachher ließ sich die Hofburg, da sie ihre üble Laune nicht bemeistern
*) König Ludwig, Anrede an den Bischof von Würzburg, Aschaffenburg, Aug. 1847.
V. 9. Der Niedergang des Deutſchen Bundes.
um mich ſich ſchließen, bleiben meine offen ſo lange ich lebe. Wenn irgend jemand mir Theueren ein Haar gekrümmt wird, werde ich keine Schonung mehr kennen. Daß in Würzburg Umtriebe ſtattfinden iſt mir bekannt. Ich ſage nicht, daß Sie theilgenommen, aber damit Sie’s ſagen. Vor zwei Zeugen rede ich. Wüßte ich daß Sie ſchuldig, ich würde es Ihnen ſagen. Offen und grad iſt meine Art, und ſo hoffe ich zu ſterben. Ich ſpreche nicht von Dankbarkeit und Pflichten gegen den Landesherrn, aber dumm, dumm iſt’s ſich ſo zu benehmen.“*)
Die Leitung des neuen Miniſteriums übernahm der Pfälzer Maurer, der einſt in der griechiſchen Regentſchaft mit Abel zuſammengewirkt, da- heim aber den zur ultramontanen Partei übergegangenen alten Freund gänzlich aufgegeben hatte. Er war, zum Entſetzen der Clericalen, der erſte proteſtantiſche Miniſter Baierns: ſo lange wirkten, trotz der rechtlich an- erkannten Gleichheit, die alten confeſſionellen Erinnerungen noch in den meiſten deutſchen Staaten nach, in Preußen ward erſt nach der Revo- lution der erſte katholiſche Miniſter möglich. Mit dem Könige hatte Maurer ſchon als Kind in dem Rohrbacher Schlößchen bei Heidelberg oft zuſammen geſpielt. Mehr Gelehrter als Staatsmann, aber geſchäftstüchtig, erfahren, arbeitſam, übernahm er das peinliche Amt nur aus Pflichtgefühl und mit der redlichen Abſicht, die durch eine rohe Parteiherrſchaft dem Lande ge- ſchlagenen Wunden zu heilen. Die Indigenats-Urkunde für Gräfin Lola Landsfeld mußte er freilich unterzeichnen, obgleich er eine ſolche Standes- erhöhung erſt kürzlich im Staatsrathe ſelber für eine große „Calamität“ erklärt hatte; doch jeden perſönlichen Verkehr mit der neuen Gräfin ver- bat er ſich ernſtlich. Mit geſetzgeberiſchem Feuereifer, wie einſt in Griechen- land, arbeitete er nun an der lange geplanten Juſtizreform und gewann den König für das öffentlich-mündliche Verfahren; nur von Geſchworenen wollte Ludwig nichts hören. Die beiden ſo ſchwer mißhandelten Liberalen Behr und Eiſenmann erlangten endlich ihre Freiheit wieder; die Uni- verſitäten erhielten eine neue, etwas verſtändigere Studienordnung, die Studenten erweiterte Rechte für ihre Verbindungen. Andererſeits wurde die Miſſionsthätigkeit der Redemtoriſten beſchränkt und den Nonnen die Ablegung der ewigen Gelübde erſt in reiferem Lebensalter geſtattet. Er- gebene Anhänger nannten die neue, offenbar ehrliche Regierung ſchon das Miniſterium der Morgenröthe.
Der Wiener Hof zeigte ſich über das Unglück ſeiner bairiſchen Freunde tief bekümmert. Sein Geſandter Graf Senfft, der ſo lange mit den Münchener Ultramontanen Hand in Hand gegangen war, gab Feſte zu Ehren der geſtürzten Miniſter, er bekam die Ungnade König Ludwig’s ſtark zu fühlen und ſah ſich ſchließlich gezwungen, ohne Abſchied zu verſchwinden. Nachher ließ ſich die Hofburg, da ſie ihre üble Laune nicht bemeiſtern
*) König Ludwig, Anrede an den Biſchof von Würzburg, Aſchaffenburg, Aug. 1847.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0670"n="656"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq">V.</hi> 9. Der Niedergang des Deutſchen Bundes.</fw><lb/>
um mich ſich ſchließen, bleiben meine offen ſo lange ich lebe. Wenn<lb/>
irgend jemand mir Theueren ein Haar gekrümmt wird, werde ich keine<lb/>
Schonung mehr kennen. Daß in Würzburg Umtriebe ſtattfinden iſt mir<lb/>
bekannt. Ich ſage nicht, daß Sie theilgenommen, aber damit Sie’s ſagen.<lb/>
Vor zwei Zeugen rede ich. Wüßte ich daß Sie ſchuldig, ich würde es<lb/>
Ihnen ſagen. Offen und grad iſt meine Art, und ſo hoffe ich zu ſterben.<lb/>
Ich ſpreche nicht von Dankbarkeit und Pflichten gegen den Landesherrn,<lb/>
aber dumm, dumm iſt’s ſich ſo zu benehmen.“<noteplace="foot"n="*)">König Ludwig, Anrede an den Biſchof von Würzburg, Aſchaffenburg, Aug. 1847.</note></p><lb/><p>Die Leitung des neuen Miniſteriums übernahm der Pfälzer Maurer,<lb/>
der einſt in der griechiſchen Regentſchaft mit Abel zuſammengewirkt, da-<lb/>
heim aber den zur ultramontanen Partei übergegangenen alten Freund<lb/>
gänzlich aufgegeben hatte. Er war, zum Entſetzen der Clericalen, der erſte<lb/>
proteſtantiſche Miniſter Baierns: ſo lange wirkten, trotz der rechtlich an-<lb/>
erkannten Gleichheit, die alten confeſſionellen Erinnerungen noch in den<lb/>
meiſten deutſchen Staaten nach, in Preußen ward erſt nach der Revo-<lb/>
lution der erſte katholiſche Miniſter möglich. Mit dem Könige hatte Maurer<lb/>ſchon als Kind in dem Rohrbacher Schlößchen bei Heidelberg oft zuſammen<lb/>
geſpielt. Mehr Gelehrter als Staatsmann, aber geſchäftstüchtig, erfahren,<lb/>
arbeitſam, übernahm er das peinliche Amt nur aus Pflichtgefühl und mit<lb/>
der redlichen Abſicht, die durch eine rohe Parteiherrſchaft dem Lande ge-<lb/>ſchlagenen Wunden zu heilen. Die Indigenats-Urkunde für Gräfin Lola<lb/>
Landsfeld mußte er freilich unterzeichnen, obgleich er eine ſolche Standes-<lb/>
erhöhung erſt kürzlich im Staatsrathe ſelber für eine große „Calamität“<lb/>
erklärt hatte; doch jeden perſönlichen Verkehr mit der neuen Gräfin ver-<lb/>
bat er ſich ernſtlich. Mit geſetzgeberiſchem Feuereifer, wie einſt in Griechen-<lb/>
land, arbeitete er nun an der lange geplanten Juſtizreform und gewann den<lb/>
König für das öffentlich-mündliche Verfahren; nur von Geſchworenen<lb/>
wollte Ludwig nichts hören. Die beiden ſo ſchwer mißhandelten Liberalen<lb/>
Behr und Eiſenmann erlangten endlich ihre Freiheit wieder; die Uni-<lb/>
verſitäten erhielten eine neue, etwas verſtändigere Studienordnung, die<lb/>
Studenten erweiterte Rechte für ihre Verbindungen. Andererſeits wurde<lb/>
die Miſſionsthätigkeit der Redemtoriſten beſchränkt und den Nonnen die<lb/>
Ablegung der ewigen Gelübde erſt in reiferem Lebensalter geſtattet. Er-<lb/>
gebene Anhänger nannten die neue, offenbar ehrliche Regierung ſchon<lb/>
das Miniſterium der Morgenröthe.</p><lb/><p>Der Wiener Hof zeigte ſich über das Unglück ſeiner bairiſchen Freunde<lb/>
tief bekümmert. Sein Geſandter Graf Senfft, der ſo lange mit den<lb/>
Münchener Ultramontanen Hand in Hand gegangen war, gab Feſte zu<lb/>
Ehren der geſtürzten Miniſter, er bekam die Ungnade König Ludwig’s ſtark<lb/>
zu fühlen und ſah ſich ſchließlich gezwungen, ohne Abſchied zu verſchwinden.<lb/>
Nachher ließ ſich die Hofburg, da ſie ihre üble Laune nicht bemeiſtern<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[656/0670]
V. 9. Der Niedergang des Deutſchen Bundes.
um mich ſich ſchließen, bleiben meine offen ſo lange ich lebe. Wenn
irgend jemand mir Theueren ein Haar gekrümmt wird, werde ich keine
Schonung mehr kennen. Daß in Würzburg Umtriebe ſtattfinden iſt mir
bekannt. Ich ſage nicht, daß Sie theilgenommen, aber damit Sie’s ſagen.
Vor zwei Zeugen rede ich. Wüßte ich daß Sie ſchuldig, ich würde es
Ihnen ſagen. Offen und grad iſt meine Art, und ſo hoffe ich zu ſterben.
Ich ſpreche nicht von Dankbarkeit und Pflichten gegen den Landesherrn,
aber dumm, dumm iſt’s ſich ſo zu benehmen.“ *)
Die Leitung des neuen Miniſteriums übernahm der Pfälzer Maurer,
der einſt in der griechiſchen Regentſchaft mit Abel zuſammengewirkt, da-
heim aber den zur ultramontanen Partei übergegangenen alten Freund
gänzlich aufgegeben hatte. Er war, zum Entſetzen der Clericalen, der erſte
proteſtantiſche Miniſter Baierns: ſo lange wirkten, trotz der rechtlich an-
erkannten Gleichheit, die alten confeſſionellen Erinnerungen noch in den
meiſten deutſchen Staaten nach, in Preußen ward erſt nach der Revo-
lution der erſte katholiſche Miniſter möglich. Mit dem Könige hatte Maurer
ſchon als Kind in dem Rohrbacher Schlößchen bei Heidelberg oft zuſammen
geſpielt. Mehr Gelehrter als Staatsmann, aber geſchäftstüchtig, erfahren,
arbeitſam, übernahm er das peinliche Amt nur aus Pflichtgefühl und mit
der redlichen Abſicht, die durch eine rohe Parteiherrſchaft dem Lande ge-
ſchlagenen Wunden zu heilen. Die Indigenats-Urkunde für Gräfin Lola
Landsfeld mußte er freilich unterzeichnen, obgleich er eine ſolche Standes-
erhöhung erſt kürzlich im Staatsrathe ſelber für eine große „Calamität“
erklärt hatte; doch jeden perſönlichen Verkehr mit der neuen Gräfin ver-
bat er ſich ernſtlich. Mit geſetzgeberiſchem Feuereifer, wie einſt in Griechen-
land, arbeitete er nun an der lange geplanten Juſtizreform und gewann den
König für das öffentlich-mündliche Verfahren; nur von Geſchworenen
wollte Ludwig nichts hören. Die beiden ſo ſchwer mißhandelten Liberalen
Behr und Eiſenmann erlangten endlich ihre Freiheit wieder; die Uni-
verſitäten erhielten eine neue, etwas verſtändigere Studienordnung, die
Studenten erweiterte Rechte für ihre Verbindungen. Andererſeits wurde
die Miſſionsthätigkeit der Redemtoriſten beſchränkt und den Nonnen die
Ablegung der ewigen Gelübde erſt in reiferem Lebensalter geſtattet. Er-
gebene Anhänger nannten die neue, offenbar ehrliche Regierung ſchon
das Miniſterium der Morgenröthe.
Der Wiener Hof zeigte ſich über das Unglück ſeiner bairiſchen Freunde
tief bekümmert. Sein Geſandter Graf Senfft, der ſo lange mit den
Münchener Ultramontanen Hand in Hand gegangen war, gab Feſte zu
Ehren der geſtürzten Miniſter, er bekam die Ungnade König Ludwig’s ſtark
zu fühlen und ſah ſich ſchließlich gezwungen, ohne Abſchied zu verſchwinden.
Nachher ließ ſich die Hofburg, da ſie ihre üble Laune nicht bemeiſtern
*) König Ludwig, Anrede an den Biſchof von Würzburg, Aſchaffenburg, Aug. 1847.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 656. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/670>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.