rathen; an dies unmaßgebliche Gutachten war der König jedoch nicht ge- bunden, und der Hausminister Graf Bray, dessen Unterschrift erfordert wurde, hatte grade einen langen Urlaub angetreten. Da traten die anderen vier Minister, Abel, Seinsheim, Gumppenberg, Schrenck, die an der Sache amtlich gar nicht betheiligt waren, zur Berathung zusammen, und Abel erkannte mit dem Scharfblick des erfahrenen Parteimannes, jetzt sei für ihn die rechte Stunde gekommen, um mit feierlicher Salbung, mit dem ganzen Schmerze tief gekränkter Tugend den längst gebotenen Abschied zu fordern.
Statt dem Könige, wie ihr gutes Recht war, bescheiden vorzustellen, eine solche Standeserhöhung sei ein Aergerniß und müsse auch den Ruf der nicht unmittelbar betheiligten Minister schädigen, überreichten sie ihm am 11. Febr. 1847 ein langes, von Abel verfaßtes Memorandum, das in der Geschichte deutscher Monarchien ohne Beispiel dastand. Unter einem Schwall unterthänigster Ergebenheitsversicherungen tadelten sie sein Verhältniß zu Lola mit einer Roheit, die der sechzigjährige Monarch von seinen Dienern nicht hinnehmen durfte. Sie behaupteten: "das National- gefühl ist auf das Tiefste verletzt, weil Baiern sich von einer Fremden, deren Ruf in der öffentlichen Meinung gebrandmarkt ist, regiert glaubt" -- und doch hatte Lola bisher ihren Uebermuth wohl an einzelnen Polizei- beamten ausgelassen, aber auf den Gang der großen Staatsgeschäfte noch nirgends eingewirkt. Sie versicherten mit ungeheuerlicher Uebertreibung: "Eine gleiche Stimmung besteht in Berchtesgaden und Passau, in Aschaffen- burg und Zweibrücken, ja sie ist über ganz Europa verbreitet, ja sie ist ganz die gleiche in der Hütte des Armen wie in dem Palaste des Reichen. Es ist nicht blos der Ruhm und das Glück der Regierung Ew. K. Maje- stät, es ist die Sache des Königthums, die auf dem Spiele steht." Sie wagten ihrem Könige sogar die offenbare Unwahrheit zu sagen: "auf die Länge würde auch die bewaffnete Macht" dem allgemeinen Unwillen nicht widerstehen, "und wo soll noch eine Hilfe gefunden werden, wenn auch dieses ungeheure Uebel einträte, wenn auch dieses Bollwerk schwankte." Allerdings herrschte in den Münchener Kasernen, Dank der erbärmlichen Verwaltung des mitunterzeichneten Kriegsministers Gumppenberg, zur Zeit gräuliche Unordnung; doch wer sollte glauben, daß diese lebenslustigen, königstreuen bairischen Soldaten ihrem noch immer geliebten "Ludwigel" wegen einer anstößigen Liebesgeschichte den Fahneneid brechen könnten -- wenn sie nicht etwa durch die Priester künstlich aufgewiegelt wurden? Dann drohten die Minister dem Monarchen auch noch mit den "unberechen- baren Folgen" der Verhandlungen des "unter solchen Eindrücken" ein- zuberufenden nächsten Landtags, der in Wahrheit ziemlich still verlaufen sollte. Zum Schluß baten sie den König, falls er "ihr heißes Flehen nicht erhören" wolle, um ihre Entlassung.
Einige der Unterzeichner mochten vielleicht die Wirkung ihrer Worte
Memorandum des Miniſteriums Abel.
rathen; an dies unmaßgebliche Gutachten war der König jedoch nicht ge- bunden, und der Hausminiſter Graf Bray, deſſen Unterſchrift erfordert wurde, hatte grade einen langen Urlaub angetreten. Da traten die anderen vier Miniſter, Abel, Seinsheim, Gumppenberg, Schrenck, die an der Sache amtlich gar nicht betheiligt waren, zur Berathung zuſammen, und Abel erkannte mit dem Scharfblick des erfahrenen Parteimannes, jetzt ſei für ihn die rechte Stunde gekommen, um mit feierlicher Salbung, mit dem ganzen Schmerze tief gekränkter Tugend den längſt gebotenen Abſchied zu fordern.
Statt dem Könige, wie ihr gutes Recht war, beſcheiden vorzuſtellen, eine ſolche Standeserhöhung ſei ein Aergerniß und müſſe auch den Ruf der nicht unmittelbar betheiligten Miniſter ſchädigen, überreichten ſie ihm am 11. Febr. 1847 ein langes, von Abel verfaßtes Memorandum, das in der Geſchichte deutſcher Monarchien ohne Beiſpiel daſtand. Unter einem Schwall unterthänigſter Ergebenheitsverſicherungen tadelten ſie ſein Verhältniß zu Lola mit einer Roheit, die der ſechzigjährige Monarch von ſeinen Dienern nicht hinnehmen durfte. Sie behaupteten: „das National- gefühl iſt auf das Tiefſte verletzt, weil Baiern ſich von einer Fremden, deren Ruf in der öffentlichen Meinung gebrandmarkt iſt, regiert glaubt“ — und doch hatte Lola bisher ihren Uebermuth wohl an einzelnen Polizei- beamten ausgelaſſen, aber auf den Gang der großen Staatsgeſchäfte noch nirgends eingewirkt. Sie verſicherten mit ungeheuerlicher Uebertreibung: „Eine gleiche Stimmung beſteht in Berchtesgaden und Paſſau, in Aſchaffen- burg und Zweibrücken, ja ſie iſt über ganz Europa verbreitet, ja ſie iſt ganz die gleiche in der Hütte des Armen wie in dem Palaſte des Reichen. Es iſt nicht blos der Ruhm und das Glück der Regierung Ew. K. Maje- ſtät, es iſt die Sache des Königthums, die auf dem Spiele ſteht.“ Sie wagten ihrem Könige ſogar die offenbare Unwahrheit zu ſagen: „auf die Länge würde auch die bewaffnete Macht“ dem allgemeinen Unwillen nicht widerſtehen, „und wo ſoll noch eine Hilfe gefunden werden, wenn auch dieſes ungeheure Uebel einträte, wenn auch dieſes Bollwerk ſchwankte.“ Allerdings herrſchte in den Münchener Kaſernen, Dank der erbärmlichen Verwaltung des mitunterzeichneten Kriegsminiſters Gumppenberg, zur Zeit gräuliche Unordnung; doch wer ſollte glauben, daß dieſe lebensluſtigen, königstreuen bairiſchen Soldaten ihrem noch immer geliebten „Ludwigel“ wegen einer anſtößigen Liebesgeſchichte den Fahneneid brechen könnten — wenn ſie nicht etwa durch die Prieſter künſtlich aufgewiegelt wurden? Dann drohten die Miniſter dem Monarchen auch noch mit den „unberechen- baren Folgen“ der Verhandlungen des „unter ſolchen Eindrücken“ ein- zuberufenden nächſten Landtags, der in Wahrheit ziemlich ſtill verlaufen ſollte. Zum Schluß baten ſie den König, falls er „ihr heißes Flehen nicht erhören“ wolle, um ihre Entlaſſung.
Einige der Unterzeichner mochten vielleicht die Wirkung ihrer Worte
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bunden, und der Hausminiſter Graf Bray, deſſen Unterſchrift erfordert
wurde, hatte grade einen langen Urlaub angetreten. Da traten die anderen
vier Miniſter, Abel, Seinsheim, Gumppenberg, Schrenck, die an der Sache
amtlich gar nicht betheiligt waren, zur Berathung zuſammen, und Abel
erkannte mit dem Scharfblick des erfahrenen Parteimannes, jetzt ſei für
ihn die rechte Stunde gekommen, um mit feierlicher Salbung, mit dem
ganzen Schmerze tief gekränkter Tugend den längſt gebotenen Abſchied zu
fordern.
Statt dem Könige, wie ihr gutes Recht war, beſcheiden vorzuſtellen,
eine ſolche Standeserhöhung ſei ein Aergerniß und müſſe auch den Ruf
der nicht unmittelbar betheiligten Miniſter ſchädigen, überreichten ſie ihm
am 11. Febr. 1847 ein langes, von Abel verfaßtes Memorandum, das
in der Geſchichte deutſcher Monarchien ohne Beiſpiel daſtand. Unter
einem Schwall unterthänigſter Ergebenheitsverſicherungen tadelten ſie ſein
Verhältniß zu Lola mit einer Roheit, die der ſechzigjährige Monarch von
ſeinen Dienern nicht hinnehmen durfte. Sie behaupteten: „das National-
gefühl iſt auf das Tiefſte verletzt, weil Baiern ſich von einer Fremden,
deren Ruf in der öffentlichen Meinung gebrandmarkt iſt, regiert glaubt“
— und doch hatte Lola bisher ihren Uebermuth wohl an einzelnen Polizei-
beamten ausgelaſſen, aber auf den Gang der großen Staatsgeſchäfte noch
nirgends eingewirkt. Sie verſicherten mit ungeheuerlicher Uebertreibung:
„Eine gleiche Stimmung beſteht in Berchtesgaden und Paſſau, in Aſchaffen-
burg und Zweibrücken, ja ſie iſt über ganz Europa verbreitet, ja ſie iſt
ganz die gleiche in der Hütte des Armen wie in dem Palaſte des Reichen.
Es iſt nicht blos der Ruhm und das Glück der Regierung Ew. K. Maje-
ſtät, es iſt die Sache des Königthums, die auf dem Spiele ſteht.“ Sie
wagten ihrem Könige ſogar die offenbare Unwahrheit zu ſagen: „auf die
Länge würde auch die bewaffnete Macht“ dem allgemeinen Unwillen nicht
widerſtehen, „und wo ſoll noch eine Hilfe gefunden werden, wenn auch
dieſes ungeheure Uebel einträte, wenn auch dieſes Bollwerk ſchwankte.“
Allerdings herrſchte in den Münchener Kaſernen, Dank der erbärmlichen
Verwaltung des mitunterzeichneten Kriegsminiſters Gumppenberg, zur Zeit
gräuliche Unordnung; doch wer ſollte glauben, daß dieſe lebensluſtigen,
königstreuen bairiſchen Soldaten ihrem noch immer geliebten „Ludwigel“
wegen einer anſtößigen Liebesgeſchichte den Fahneneid brechen könnten —
wenn ſie nicht etwa durch die Prieſter künſtlich aufgewiegelt wurden?
Dann drohten die Miniſter dem Monarchen auch noch mit den „unberechen-
baren Folgen“ der Verhandlungen des „unter ſolchen Eindrücken“ ein-
zuberufenden nächſten Landtags, der in Wahrheit ziemlich ſtill verlaufen
ſollte. Zum Schluß baten ſie den König, falls er „ihr heißes Flehen nicht
erhören“ wolle, um ihre Entlaſſung.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 653. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/667>, abgerufen am 22.11.2024.
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