konnten diese leeren Worte wirken, da sie doch nichts zurücknahmen? Graf Reventlow-Preetz wurde im Schlosse Plön nicht vorgelassen, als er noch einmal herbeikam um dem Monarchen die Augen zu öffnen; mit den aufsässigen Landständen Holsteins wollte Christian nichts mehr zu schaffen haben. So hielt denn die Bewegung im Volke an. Schon im Juli beschloß eine große Volksversammlung in Neumünster, auf Antrag des Anwalts Lorentzen: das Land müsse festhalten an den drei Kernsätzen seines alten Rechts und nöthigenfalls sich an Deutschland anschließen. Als Th. Olshausen eine zweite große Volkskundgebung bei Nortorf veranstalten wollte, wurde er gefangen nach Rendsburg abgeführt, die Nortorfer Versammlung ging vor der herannahenden bewaffneten Macht ruhig auseinander; Olshausen aber mußte wieder frei gegeben werden, und die Kieler begrüßten ihn bei der Heimkehr wie einen Triumphator.
Der Herzog von Augustenburg hatte unmittelbar vor dem Erscheinen des Offenen Briefs den Kopenhagener Hof besucht um seine Söhne vorzustellen und dort eine überraschend freundliche Aufnahme gefunden; der gnädige König ernannte sogar die beiden jungen Prinzen zu Oberstleutnants, was die Dänen verstimmte und die deutsche Königin bösen Nachreden aussetzte.*) In denselben Tagen aber bereitete Christian den Gewaltstreich gegen die Rechte seiner Agnaten heimlich vor. Als der unerwartete Schlag erfolgt war, legte der Herzog alsbald Verwahrung ein und sendete sodann eine Beschwerde an den Bundestag. Alle Prinzen der augustenburgischen und der glücksburgischen Linie schlossen sich ihm an. Nur der junge Prinz Christian von Glücksburg stellte sich auf die Seite des Königs; der hatte vor Kurzem eine Tochter der Landgräfin Charlotte geheirathet und baute auf die Zukunft der hessischen Linie. Der Großherzog von Oldenburg behielt sich ebenfalls feierlich seine Erbansprüche vor.
Auch die Kieler Universität trat sofort wieder auf den Kampfplatz. Sie besaß zwar in ihrem Lehrkörper noch zwei fanatische Dänen, Flor und Paulsen, während in Kopenhagen längst kein Gelehrter mehr ein Wort zu Gunsten der Herzogthümer wagte; aber die deutsche Gesinnung überwog durchaus. Dahlmann selbst, der nach seiner gewissenhaften Weise die schwie- rige Erbfolgefrage lieber noch vertagt und erst genauer geprüft hätte, konnte nun nicht mehr verkennen, daß der Offene Brief mit der Untheilbarkeit der Lande zugleich die gesammte Verfassung bedrohte, und erklärte sich offen für seine Landsleute. In seinem Sinne lehrten jetzt die jungen Historiker Waitz und Droysen; für das deutsche Recht im Norden einzustehen galt als Ehrenpflicht unter den Kieler Gelehrten. Neun Professoren der Uni- versität, voran der alte Falck, veröffentlichten eine scharfe, in allem We- sentlichen siegreiche Widerlegung des Commissionsbedenkens, und der König fühlte sich so unsicher, daß er ihnen nur einen sanften Verweis ertheilen
*) Schoultz v. Ascheraden's Bericht, 28. Juni 1846.
V. 7. Polen und Schleswigholſtein.
konnten dieſe leeren Worte wirken, da ſie doch nichts zurücknahmen? Graf Reventlow-Preetz wurde im Schloſſe Plön nicht vorgelaſſen, als er noch einmal herbeikam um dem Monarchen die Augen zu öffnen; mit den aufſäſſigen Landſtänden Holſteins wollte Chriſtian nichts mehr zu ſchaffen haben. So hielt denn die Bewegung im Volke an. Schon im Juli beſchloß eine große Volksverſammlung in Neumünſter, auf Antrag des Anwalts Lorentzen: das Land müſſe feſthalten an den drei Kernſätzen ſeines alten Rechts und nöthigenfalls ſich an Deutſchland anſchließen. Als Th. Olshauſen eine zweite große Volkskundgebung bei Nortorf veranſtalten wollte, wurde er gefangen nach Rendsburg abgeführt, die Nortorfer Verſammlung ging vor der herannahenden bewaffneten Macht ruhig auseinander; Olshauſen aber mußte wieder frei gegeben werden, und die Kieler begrüßten ihn bei der Heimkehr wie einen Triumphator.
Der Herzog von Auguſtenburg hatte unmittelbar vor dem Erſcheinen des Offenen Briefs den Kopenhagener Hof beſucht um ſeine Söhne vorzuſtellen und dort eine überraſchend freundliche Aufnahme gefunden; der gnädige König ernannte ſogar die beiden jungen Prinzen zu Oberſtleutnants, was die Dänen verſtimmte und die deutſche Königin böſen Nachreden ausſetzte.*) In denſelben Tagen aber bereitete Chriſtian den Gewaltſtreich gegen die Rechte ſeiner Agnaten heimlich vor. Als der unerwartete Schlag erfolgt war, legte der Herzog alsbald Verwahrung ein und ſendete ſodann eine Beſchwerde an den Bundestag. Alle Prinzen der auguſtenburgiſchen und der glücksburgiſchen Linie ſchloſſen ſich ihm an. Nur der junge Prinz Chriſtian von Glücksburg ſtellte ſich auf die Seite des Königs; der hatte vor Kurzem eine Tochter der Landgräfin Charlotte geheirathet und baute auf die Zukunft der heſſiſchen Linie. Der Großherzog von Oldenburg behielt ſich ebenfalls feierlich ſeine Erbanſprüche vor.
Auch die Kieler Univerſität trat ſofort wieder auf den Kampfplatz. Sie beſaß zwar in ihrem Lehrkörper noch zwei fanatiſche Dänen, Flor und Paulſen, während in Kopenhagen längſt kein Gelehrter mehr ein Wort zu Gunſten der Herzogthümer wagte; aber die deutſche Geſinnung überwog durchaus. Dahlmann ſelbſt, der nach ſeiner gewiſſenhaften Weiſe die ſchwie- rige Erbfolgefrage lieber noch vertagt und erſt genauer geprüft hätte, konnte nun nicht mehr verkennen, daß der Offene Brief mit der Untheilbarkeit der Lande zugleich die geſammte Verfaſſung bedrohte, und erklärte ſich offen für ſeine Landsleute. In ſeinem Sinne lehrten jetzt die jungen Hiſtoriker Waitz und Droyſen; für das deutſche Recht im Norden einzuſtehen galt als Ehrenpflicht unter den Kieler Gelehrten. Neun Profeſſoren der Uni- verſität, voran der alte Falck, veröffentlichten eine ſcharfe, in allem We- ſentlichen ſiegreiche Widerlegung des Commiſſionsbedenkens, und der König fühlte ſich ſo unſicher, daß er ihnen nur einen ſanften Verweis ertheilen
*) Schoultz v. Aſcheraden’s Bericht, 28. Juni 1846.
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Reventlow-Preetz wurde im Schloſſe Plön nicht vorgelaſſen, als er noch einmal
herbeikam um dem Monarchen die Augen zu öffnen; mit den aufſäſſigen
Landſtänden Holſteins wollte Chriſtian nichts mehr zu ſchaffen haben.
So hielt denn die Bewegung im Volke an. Schon im Juli beſchloß eine
große Volksverſammlung in Neumünſter, auf Antrag des Anwalts Lorentzen:
das Land müſſe feſthalten an den drei Kernſätzen ſeines alten Rechts und
nöthigenfalls ſich an Deutſchland anſchließen. Als Th. Olshauſen eine
zweite große Volkskundgebung bei Nortorf veranſtalten wollte, wurde er
gefangen nach Rendsburg abgeführt, die Nortorfer Verſammlung ging
vor der herannahenden bewaffneten Macht ruhig auseinander; Olshauſen
aber mußte wieder frei gegeben werden, und die Kieler begrüßten ihn bei
der Heimkehr wie einen Triumphator.
Der Herzog von Auguſtenburg hatte unmittelbar vor dem Erſcheinen des
Offenen Briefs den Kopenhagener Hof beſucht um ſeine Söhne vorzuſtellen
und dort eine überraſchend freundliche Aufnahme gefunden; der gnädige
König ernannte ſogar die beiden jungen Prinzen zu Oberſtleutnants, was
die Dänen verſtimmte und die deutſche Königin böſen Nachreden ausſetzte. *)
In denſelben Tagen aber bereitete Chriſtian den Gewaltſtreich gegen die
Rechte ſeiner Agnaten heimlich vor. Als der unerwartete Schlag erfolgt
war, legte der Herzog alsbald Verwahrung ein und ſendete ſodann eine
Beſchwerde an den Bundestag. Alle Prinzen der auguſtenburgiſchen und
der glücksburgiſchen Linie ſchloſſen ſich ihm an. Nur der junge Prinz
Chriſtian von Glücksburg ſtellte ſich auf die Seite des Königs; der hatte
vor Kurzem eine Tochter der Landgräfin Charlotte geheirathet und baute
auf die Zukunft der heſſiſchen Linie. Der Großherzog von Oldenburg
behielt ſich ebenfalls feierlich ſeine Erbanſprüche vor.
Auch die Kieler Univerſität trat ſofort wieder auf den Kampfplatz.
Sie beſaß zwar in ihrem Lehrkörper noch zwei fanatiſche Dänen, Flor und
Paulſen, während in Kopenhagen längſt kein Gelehrter mehr ein Wort zu
Gunſten der Herzogthümer wagte; aber die deutſche Geſinnung überwog
durchaus. Dahlmann ſelbſt, der nach ſeiner gewiſſenhaften Weiſe die ſchwie-
rige Erbfolgefrage lieber noch vertagt und erſt genauer geprüft hätte, konnte
nun nicht mehr verkennen, daß der Offene Brief mit der Untheilbarkeit
der Lande zugleich die geſammte Verfaſſung bedrohte, und erklärte ſich offen
für ſeine Landsleute. In ſeinem Sinne lehrten jetzt die jungen Hiſtoriker
Waitz und Droyſen; für das deutſche Recht im Norden einzuſtehen galt
als Ehrenpflicht unter den Kieler Gelehrten. Neun Profeſſoren der Uni-
verſität, voran der alte Falck, veröffentlichten eine ſcharfe, in allem We-
ſentlichen ſiegreiche Widerlegung des Commiſſionsbedenkens, und der König
fühlte ſich ſo unſicher, daß er ihnen nur einen ſanften Verweis ertheilen
*) Schoultz v. Aſcheraden’s Bericht, 28. Juni 1846.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 578. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/592>, abgerufen am 22.11.2024.
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