er hatte mit sarmatischer Schlauheit längst erkannt, daß er dieser Regierung alles bieten durfte.*) In der That ließ ihn der König zur Krönung an das Hoflager entbieten und gab sich der angenehmen Hoffnung hin, der Prälat würde den versäumten Besuch bei Flottwell späterhin noch nachholen. Dort in Königsberg umringte den Erzbischof alsbald der polnische Adel und begrüßte ihn als einen Vorkämpfer der Nation; mit höchster Dreistig- keit ward unter den Augen des Königs ausgesprochen, jetzt sei es Zeit den Deutschen Flottwell zu stürzen. Die öffentliche Meinung zeigte sich in diesen polnischen Dingen völlig urtheilslos; sie war längst gewöhnt in jedem poli- tischen Gegner der Regierung einen ehrwürdigen Märtyrer zu sehen und pries dankbar die Milde des neuen Herrschers.
Unterdessen wurden die Zurüstungen getroffen für die Huldigung in Königsberg. Sie sollte mit besonderer Feierlichkeit erfolgen; denn es geschah zum ersten male, daß ein König von Preußen als völlig sou- veräner Herr aller seiner Lande den Thron bestieg. In dem alten Ordenslande hatte sich der verhaltene Partheihaß der letzten Jahre neuer- dings noch mehr verschärft, seit General Wrangel, als Nachfolger des fein gebildeten taktvollen Natzmer, an die Spitze des ersten Armee- corps getreten war. Die ostpreußischen Cürassiere fühlten sich hoch ge- ehrt, wieder unter die Befehle des kühnen Reitersmannes zu kommen, der sie einst im Befreiungskriege so ruhmvoll geführt hatte. Der Ober- präsident Schön aber vermochte in seinem Bildungshochmuth weder die militärischen Verdienste noch die humoristische Gutmüthigkeit des derben, polternden, streng conservativen Pommern zu würdigen; er verabscheute ihn ebenso gründlich wie den orthodoxen Generalsuperintendenten Sar- torius, und nannte ihn "das öffentlich dastehende Standbild der Stupi- dität und Uncultur". Der Haß der Männer ergriff auch die Frauen- welt Königsbergs: hier Schön's Freundin, die geistreiche, liebenswürdige, ganz demokratisch gesinnte Freiin Florentine v. Brederlow, dort seine feindliche Schwägerin Frau v. Bardeleben mit den Gottseligen des ver- rufenen Muckerkreises. Schön's Partei aber behauptete entschieden das Uebergewicht. Durch seine langjährige Verwaltung fest mit dem Lande verwachsen, schien er Vielen ehrwürdig, Anderen schreckhaft, den Meisten unentbehrlich; er beherrschte fast das gesammte Beamtenthum und den größten Theil des Landadels, desgleichen die hierzulande weit verbreiteten Freimaurer und den ganzen Lehrerstand, der noch durchaus vom Geiste des alten Dinter erfüllt war. Mit den Gelehrten stand er von jeher auf gutem Fuße. Die akademische Jugend endlich verehrte ihn, nach der Legende der Provinz, als den bürgerlichen York, der auch in Zukunft der Vorkämpfer altpreußischer Freiheit bleiben müsse; denn seit Kurzem war auf der Albertina das politische Leben etwas reger geworden, bei
*) Willisen's Bericht an den König, 12. Aug. Rochow an Dunin, 29. Aug. 1840.
V. 1. Die frohen Tage der Erwartung.
er hatte mit ſarmatiſcher Schlauheit längſt erkannt, daß er dieſer Regierung alles bieten durfte.*) In der That ließ ihn der König zur Krönung an das Hoflager entbieten und gab ſich der angenehmen Hoffnung hin, der Prälat würde den verſäumten Beſuch bei Flottwell ſpäterhin noch nachholen. Dort in Königsberg umringte den Erzbiſchof alsbald der polniſche Adel und begrüßte ihn als einen Vorkämpfer der Nation; mit höchſter Dreiſtig- keit ward unter den Augen des Königs ausgeſprochen, jetzt ſei es Zeit den Deutſchen Flottwell zu ſtürzen. Die öffentliche Meinung zeigte ſich in dieſen polniſchen Dingen völlig urtheilslos; ſie war längſt gewöhnt in jedem poli- tiſchen Gegner der Regierung einen ehrwürdigen Märtyrer zu ſehen und pries dankbar die Milde des neuen Herrſchers.
Unterdeſſen wurden die Zurüſtungen getroffen für die Huldigung in Königsberg. Sie ſollte mit beſonderer Feierlichkeit erfolgen; denn es geſchah zum erſten male, daß ein König von Preußen als völlig ſou- veräner Herr aller ſeiner Lande den Thron beſtieg. In dem alten Ordenslande hatte ſich der verhaltene Partheihaß der letzten Jahre neuer- dings noch mehr verſchärft, ſeit General Wrangel, als Nachfolger des fein gebildeten taktvollen Natzmer, an die Spitze des erſten Armee- corps getreten war. Die oſtpreußiſchen Cüraſſiere fühlten ſich hoch ge- ehrt, wieder unter die Befehle des kühnen Reitersmannes zu kommen, der ſie einſt im Befreiungskriege ſo ruhmvoll geführt hatte. Der Ober- präſident Schön aber vermochte in ſeinem Bildungshochmuth weder die militäriſchen Verdienſte noch die humoriſtiſche Gutmüthigkeit des derben, polternden, ſtreng conſervativen Pommern zu würdigen; er verabſcheute ihn ebenſo gründlich wie den orthodoxen Generalſuperintendenten Sar- torius, und nannte ihn „das öffentlich daſtehende Standbild der Stupi- dität und Uncultur“. Der Haß der Männer ergriff auch die Frauen- welt Königsbergs: hier Schön’s Freundin, die geiſtreiche, liebenswürdige, ganz demokratiſch geſinnte Freiin Florentine v. Brederlow, dort ſeine feindliche Schwägerin Frau v. Bardeleben mit den Gottſeligen des ver- rufenen Muckerkreiſes. Schön’s Partei aber behauptete entſchieden das Uebergewicht. Durch ſeine langjährige Verwaltung feſt mit dem Lande verwachſen, ſchien er Vielen ehrwürdig, Anderen ſchreckhaft, den Meiſten unentbehrlich; er beherrſchte faſt das geſammte Beamtenthum und den größten Theil des Landadels, desgleichen die hierzulande weit verbreiteten Freimaurer und den ganzen Lehrerſtand, der noch durchaus vom Geiſte des alten Dinter erfüllt war. Mit den Gelehrten ſtand er von jeher auf gutem Fuße. Die akademiſche Jugend endlich verehrte ihn, nach der Legende der Provinz, als den bürgerlichen York, der auch in Zukunft der Vorkämpfer altpreußiſcher Freiheit bleiben müſſe; denn ſeit Kurzem war auf der Albertina das politiſche Leben etwas reger geworden, bei
*) Williſen’s Bericht an den König, 12. Aug. Rochow an Dunin, 29. Aug. 1840.
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er hatte mit ſarmatiſcher Schlauheit längſt erkannt, daß er dieſer Regierung
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das Hoflager entbieten und gab ſich der angenehmen Hoffnung hin, der
Prälat würde den verſäumten Beſuch bei Flottwell ſpäterhin noch nachholen.
Dort in Königsberg umringte den Erzbiſchof alsbald der polniſche Adel
und begrüßte ihn als einen Vorkämpfer der Nation; mit höchſter Dreiſtig-
keit ward unter den Augen des Königs ausgeſprochen, jetzt ſei es Zeit den
Deutſchen Flottwell zu ſtürzen. Die öffentliche Meinung zeigte ſich in dieſen
polniſchen Dingen völlig urtheilslos; ſie war längſt gewöhnt in jedem poli-
tiſchen Gegner der Regierung einen ehrwürdigen Märtyrer zu ſehen und
pries dankbar die Milde des neuen Herrſchers.
Unterdeſſen wurden die Zurüſtungen getroffen für die Huldigung
in Königsberg. Sie ſollte mit beſonderer Feierlichkeit erfolgen; denn es
geſchah zum erſten male, daß ein König von Preußen als völlig ſou-
veräner Herr aller ſeiner Lande den Thron beſtieg. In dem alten
Ordenslande hatte ſich der verhaltene Partheihaß der letzten Jahre neuer-
dings noch mehr verſchärft, ſeit General Wrangel, als Nachfolger des
fein gebildeten taktvollen Natzmer, an die Spitze des erſten Armee-
corps getreten war. Die oſtpreußiſchen Cüraſſiere fühlten ſich hoch ge-
ehrt, wieder unter die Befehle des kühnen Reitersmannes zu kommen,
der ſie einſt im Befreiungskriege ſo ruhmvoll geführt hatte. Der Ober-
präſident Schön aber vermochte in ſeinem Bildungshochmuth weder die
militäriſchen Verdienſte noch die humoriſtiſche Gutmüthigkeit des derben,
polternden, ſtreng conſervativen Pommern zu würdigen; er verabſcheute
ihn ebenſo gründlich wie den orthodoxen Generalſuperintendenten Sar-
torius, und nannte ihn „das öffentlich daſtehende Standbild der Stupi-
dität und Uncultur“. Der Haß der Männer ergriff auch die Frauen-
welt Königsbergs: hier Schön’s Freundin, die geiſtreiche, liebenswürdige,
ganz demokratiſch geſinnte Freiin Florentine v. Brederlow, dort ſeine
feindliche Schwägerin Frau v. Bardeleben mit den Gottſeligen des ver-
rufenen Muckerkreiſes. Schön’s Partei aber behauptete entſchieden das
Uebergewicht. Durch ſeine langjährige Verwaltung feſt mit dem Lande
verwachſen, ſchien er Vielen ehrwürdig, Anderen ſchreckhaft, den Meiſten
unentbehrlich; er beherrſchte faſt das geſammte Beamtenthum und den
größten Theil des Landadels, desgleichen die hierzulande weit verbreiteten
Freimaurer und den ganzen Lehrerſtand, der noch durchaus vom Geiſte
des alten Dinter erfüllt war. Mit den Gelehrten ſtand er von jeher
auf gutem Fuße. Die akademiſche Jugend endlich verehrte ihn, nach
der Legende der Provinz, als den bürgerlichen York, der auch in Zukunft
der Vorkämpfer altpreußiſcher Freiheit bleiben müſſe; denn ſeit Kurzem
war auf der Albertina das politiſche Leben etwas reger geworden, bei
*) Williſen’s Bericht an den König, 12. Aug. Rochow an Dunin, 29. Aug. 1840.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/54>, abgerufen am 23.11.2024.
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