gleich in seinem ersten Gespräche mit Brühl, zornmuthig wider den großen Historiker. Und nun gab Friedrich Wilhelm das wohldurchdachte Werk seines verehrten Lehrers preis, allerdings nur für dies eine mal. Dann kam was kommen mußte. Auf der Candidatenliste stand Arnoldi's Name natürlich obenan, der König genehmigte sie ohne Weiteres, und im Juni wurde Arnoldi gewählt. Noch nicht genug der Schwäche. Da der Neu- gewählte eine Stelle in dem üblichen Huldigungseide der Bischöfe bedenk- lich fand, so strich Friedrich Wilhelm sie eigenhändig aus, und im tiefsten Herzen fühlte er sich erquickt, als er dann, heimkehrend von dem Dom- baufeste, den Bischof von Trier in seiner Metropole begrüßte. Eine nahe Zukunft sollte lehren, wie richtig der alte König den Prälaten beurtheilt hatte.
Noch kläglicher fast endeten die Breslauer Wirren, und hieran trug der König weniger Schuld als die Friedfertigkeit des edlen, frommen Fürstbischofs, der von seinem Freunde Brühl sehr hart aber leider nicht ganz ungerecht also geschildert wurde: "Sedlnitzky ist ein unverantwort- lich matter Mensch, kein Staatsmann, kein Bischof. O wäre er Con- sistorial- und Schulrath geblieben!" Kurz vor dem Thronwechsel war der Bischof durch ein Handschreiben des Papstes zur Abdankung aufge- fordert worden. *) Diese formlose Ermahnung bedeutete rechtlich gar nichts, da ihr weder ein kanonisches Verfahren noch eine Mittheilung an die Krone Preußen vorangegangen war. Trotzdem fühlte der Graf den Boden unter seinen Füßen wanken. Nachdem die Staatsgewalt in der Frage der gemischten Ehen nachgegeben hatte, konnte er doch nicht königlicher sein als der König und das alte Verfahren in Ehesachen noch aufrecht- halten. Volksbeliebt war er nicht. Die bigotten Polen Oberschlesiens kannten den stillen beschaulichen kleinen Herrn kaum, trotz seiner un- erschöpflichen Wohlthätigkeit. Sein Domcapitel hatte sich unter seiner gutmüthigen Leitung in Fraktionen zersplittert, und an der Spitze der rührigen ultramontanen Partei stand der weltkluge, ehrgeizige Domherr Förster, ein auch bei den Protestanten beliebter Kanzelredner, der früher- hin für liberal gegolten hatte, jetzt aber von dem Jesuitenpater Beckx Rathschläge empfing. Die clericalen Heißsporne haßten den Bischof töd- lich, Ketteler nannte ihn einen Elenden weil er dem Staate treu und gegen die Protestanten freundlich war. Eben jetzt, seit den letzten Jahren des alten Königs schwebte eine Verhandlung wegen der Rückgabe einiger der schlesischen Kirchen, welche einst unter Oesterreichs Herrschaft den Pro- testanten geraubt worden waren, und zu dieser Untersuchung bot Sedl- nitzky die Hand mit einer Unbefangenheit, die seinem Rechtsgefühle zur Ehre gereichte, einem Bischof aber nach römischen Grundsätzen nie verziehen werden konnte. Die Cardinäle hielten ihn, da sie von Deutschland so
*) s. o. IV. 710.
19*
Arnoldi in Trier.
gleich in ſeinem erſten Geſpräche mit Brühl, zornmuthig wider den großen Hiſtoriker. Und nun gab Friedrich Wilhelm das wohldurchdachte Werk ſeines verehrten Lehrers preis, allerdings nur für dies eine mal. Dann kam was kommen mußte. Auf der Candidatenliſte ſtand Arnoldi’s Name natürlich obenan, der König genehmigte ſie ohne Weiteres, und im Juni wurde Arnoldi gewählt. Noch nicht genug der Schwäche. Da der Neu- gewählte eine Stelle in dem üblichen Huldigungseide der Biſchöfe bedenk- lich fand, ſo ſtrich Friedrich Wilhelm ſie eigenhändig aus, und im tiefſten Herzen fühlte er ſich erquickt, als er dann, heimkehrend von dem Dom- baufeſte, den Biſchof von Trier in ſeiner Metropole begrüßte. Eine nahe Zukunft ſollte lehren, wie richtig der alte König den Prälaten beurtheilt hatte.
Noch kläglicher faſt endeten die Breslauer Wirren, und hieran trug der König weniger Schuld als die Friedfertigkeit des edlen, frommen Fürſtbiſchofs, der von ſeinem Freunde Brühl ſehr hart aber leider nicht ganz ungerecht alſo geſchildert wurde: „Sedlnitzky iſt ein unverantwort- lich matter Menſch, kein Staatsmann, kein Biſchof. O wäre er Con- ſiſtorial- und Schulrath geblieben!“ Kurz vor dem Thronwechſel war der Biſchof durch ein Handſchreiben des Papſtes zur Abdankung aufge- fordert worden. *) Dieſe formloſe Ermahnung bedeutete rechtlich gar nichts, da ihr weder ein kanoniſches Verfahren noch eine Mittheilung an die Krone Preußen vorangegangen war. Trotzdem fühlte der Graf den Boden unter ſeinen Füßen wanken. Nachdem die Staatsgewalt in der Frage der gemiſchten Ehen nachgegeben hatte, konnte er doch nicht königlicher ſein als der König und das alte Verfahren in Eheſachen noch aufrecht- halten. Volksbeliebt war er nicht. Die bigotten Polen Oberſchleſiens kannten den ſtillen beſchaulichen kleinen Herrn kaum, trotz ſeiner un- erſchöpflichen Wohlthätigkeit. Sein Domcapitel hatte ſich unter ſeiner gutmüthigen Leitung in Fraktionen zerſplittert, und an der Spitze der rührigen ultramontanen Partei ſtand der weltkluge, ehrgeizige Domherr Förſter, ein auch bei den Proteſtanten beliebter Kanzelredner, der früher- hin für liberal gegolten hatte, jetzt aber von dem Jeſuitenpater Beckx Rathſchläge empfing. Die clericalen Heißſporne haßten den Biſchof töd- lich, Ketteler nannte ihn einen Elenden weil er dem Staate treu und gegen die Proteſtanten freundlich war. Eben jetzt, ſeit den letzten Jahren des alten Königs ſchwebte eine Verhandlung wegen der Rückgabe einiger der ſchleſiſchen Kirchen, welche einſt unter Oeſterreichs Herrſchaft den Pro- teſtanten geraubt worden waren, und zu dieſer Unterſuchung bot Sedl- nitzky die Hand mit einer Unbefangenheit, die ſeinem Rechtsgefühle zur Ehre gereichte, einem Biſchof aber nach römiſchen Grundſätzen nie verziehen werden konnte. Die Cardinäle hielten ihn, da ſie von Deutſchland ſo
*) ſ. o. IV. 710.
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Arnoldi in Trier.
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Hiſtoriker. Und nun gab Friedrich Wilhelm das wohldurchdachte Werk
ſeines verehrten Lehrers preis, allerdings nur für dies eine mal. Dann
kam was kommen mußte. Auf der Candidatenliſte ſtand Arnoldi’s Name
natürlich obenan, der König genehmigte ſie ohne Weiteres, und im Juni
wurde Arnoldi gewählt. Noch nicht genug der Schwäche. Da der Neu-
gewählte eine Stelle in dem üblichen Huldigungseide der Biſchöfe bedenk-
lich fand, ſo ſtrich Friedrich Wilhelm ſie eigenhändig aus, und im tiefſten
Herzen fühlte er ſich erquickt, als er dann, heimkehrend von dem Dom-
baufeſte, den Biſchof von Trier in ſeiner Metropole begrüßte. Eine nahe
Zukunft ſollte lehren, wie richtig der alte König den Prälaten beurtheilt
hatte.
Noch kläglicher faſt endeten die Breslauer Wirren, und hieran trug
der König weniger Schuld als die Friedfertigkeit des edlen, frommen
Fürſtbiſchofs, der von ſeinem Freunde Brühl ſehr hart aber leider nicht
ganz ungerecht alſo geſchildert wurde: „Sedlnitzky iſt ein unverantwort-
lich matter Menſch, kein Staatsmann, kein Biſchof. O wäre er Con-
ſiſtorial- und Schulrath geblieben!“ Kurz vor dem Thronwechſel war
der Biſchof durch ein Handſchreiben des Papſtes zur Abdankung aufge-
fordert worden. *) Dieſe formloſe Ermahnung bedeutete rechtlich gar nichts,
da ihr weder ein kanoniſches Verfahren noch eine Mittheilung an die
Krone Preußen vorangegangen war. Trotzdem fühlte der Graf den Boden
unter ſeinen Füßen wanken. Nachdem die Staatsgewalt in der Frage
der gemiſchten Ehen nachgegeben hatte, konnte er doch nicht königlicher
ſein als der König und das alte Verfahren in Eheſachen noch aufrecht-
halten. Volksbeliebt war er nicht. Die bigotten Polen Oberſchleſiens
kannten den ſtillen beſchaulichen kleinen Herrn kaum, trotz ſeiner un-
erſchöpflichen Wohlthätigkeit. Sein Domcapitel hatte ſich unter ſeiner
gutmüthigen Leitung in Fraktionen zerſplittert, und an der Spitze der
rührigen ultramontanen Partei ſtand der weltkluge, ehrgeizige Domherr
Förſter, ein auch bei den Proteſtanten beliebter Kanzelredner, der früher-
hin für liberal gegolten hatte, jetzt aber von dem Jeſuitenpater Beckx
Rathſchläge empfing. Die clericalen Heißſporne haßten den Biſchof töd-
lich, Ketteler nannte ihn einen Elenden weil er dem Staate treu und
gegen die Proteſtanten freundlich war. Eben jetzt, ſeit den letzten Jahren
des alten Königs ſchwebte eine Verhandlung wegen der Rückgabe einiger
der ſchleſiſchen Kirchen, welche einſt unter Oeſterreichs Herrſchaft den Pro-
teſtanten geraubt worden waren, und zu dieſer Unterſuchung bot Sedl-
nitzky die Hand mit einer Unbefangenheit, die ſeinem Rechtsgefühle zur
Ehre gereichte, einem Biſchof aber nach römiſchen Grundſätzen nie verziehen
werden konnte. Die Cardinäle hielten ihn, da ſie von Deutſchland ſo
*) ſ. o. IV. 710.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/305>, abgerufen am 25.11.2024.
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