Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894.

Bild:
<< vorherige Seite

V. 4. Die Parteiung in der Kirche.
kein Fanatiker, sondern weich, gutmüthig, bestimmbar, also leicht zugänglich
den Einflüsterungen jenes geheimnißvollen geistlichen Hofgesindes, das man
im katholischen Deutschland den Küchen-Clerus zu nennen pflegt. Der
alte König kannte den Mann, wohl aus Bodelschwingh's Berichten, und
ließ ihn bei der Bischofswahl von 1839 als minder genehm bezeichnen.
Dennoch wurde Arnoldi gewählt, den Bestimmungen des Breves von 1821
offenbar zuwider, und die Krone versagte von Rechtswegen ihre Geneh-
migung. *) Der Papst aber war damals noch von wildem Hasse gegen
Preußen erfüllt und behauptete, ohne sich auf Gründe einzulassen: die
Wahl sei kanonisch. Nach dem Thronwechsel konnte der Handel bei gutem
Willen sofort geschlichtet werden; denn Arnoldi, der wenig Ehrgeiz hegte,
hatte schon am 1. Juni 1840 in aller Stille die Erklärung nach Rom
gesandt: er wolle um des Friedens willen verzichten, falls der Papst es
erlaube. Diese Erklärung wurde in Rom streng geheim gehalten, Brühl
erfuhr keine Silbe davon; erst weit später merkte er, daß der Vatican
"ein Tauschgeschäft treiben wollte" und die Triersche Frage absichtlich
offen ließ um in Köln desto sicherer seinen Willen durchzusetzen. **) Hart-
näckig weigerte sich der Papst eine Neuwahl anzuordnen; er hatte sogar
die Stirn zu behaupten, jenes zwischen der Krone und der Curie verein-
barte Breve enthalte keine bindenden Vorschriften. ***)

Da wich der König zurück. Er forderte jetzt nur noch eine ordnungs-
mäßige Neuwahl; dabei wollte er dem Capitel unbeschränkte Wahlfreiheit
lassen und selbst Arnoldi nicht ausschließen; über den hatte er mittler-
weile günstige Urtheile gehört und meinte wieder klüger zu sein als sein
Vorgänger. Der Ehrfurcht gegen seinen Vater glaubte er zu genügen, wenn
er noch an einer werthlosen, fast lächerlichen Förmlichkeit festhielt. Eichhorn,
der von dem ersten Verzichte auch nichts wußte, schrieb nunmehr freund-
lich mahnend an den Trierschen Domherrn, worauf Arnoldi als guter
Patriot im Januar 1841 eine zweite Verzichtserklärung -- immer unter
Vorbehalt der päpstlichen Genehmigung -- nach Rom schickte. +) Auch
jetzt noch blieb der Papst unbeugsam, Brühl konnte in dieser Sache gar
nichts erlangen. Erst im Februar 1842 genehmigte Gregor den Ver-
zicht, aber ohne die frühere Wahl für nichtig zu erklären. Damit war der
Form nothdürftig genügt, und alsbald erlaubte der König dem Domcapitel,
für die Neuwahl eine Candidatenliste einzureichen. Also ganz ohne Noth
ein neues Zugeständniß, weit über die Landesgesetze hinaus! Wie viel
Arbeit hatte einst Niebuhr aufwenden müssen um die gefährlichen Listen-
wahlen dem preußischen Staate fern zu halten und der Krone das Recht
der unbedingten Exclusive zu sichern; darum polterte auch Lambruschini,

*) Denkschrift von Bülow und Eichhorn an den König, 12. März 1842.
**) Brühl's Bericht, 15. März 1841.
***) s. o. III. 205 f.
+) Arnoldi an Eichhorn, 19. Jan.; Brühl's Bericht, 26. Febr. 1841.

V. 4. Die Parteiung in der Kirche.
kein Fanatiker, ſondern weich, gutmüthig, beſtimmbar, alſo leicht zugänglich
den Einflüſterungen jenes geheimnißvollen geiſtlichen Hofgeſindes, das man
im katholiſchen Deutſchland den Küchen-Clerus zu nennen pflegt. Der
alte König kannte den Mann, wohl aus Bodelſchwingh’s Berichten, und
ließ ihn bei der Biſchofswahl von 1839 als minder genehm bezeichnen.
Dennoch wurde Arnoldi gewählt, den Beſtimmungen des Breves von 1821
offenbar zuwider, und die Krone verſagte von Rechtswegen ihre Geneh-
migung. *) Der Papſt aber war damals noch von wildem Haſſe gegen
Preußen erfüllt und behauptete, ohne ſich auf Gründe einzulaſſen: die
Wahl ſei kanoniſch. Nach dem Thronwechſel konnte der Handel bei gutem
Willen ſofort geſchlichtet werden; denn Arnoldi, der wenig Ehrgeiz hegte,
hatte ſchon am 1. Juni 1840 in aller Stille die Erklärung nach Rom
geſandt: er wolle um des Friedens willen verzichten, falls der Papſt es
erlaube. Dieſe Erklärung wurde in Rom ſtreng geheim gehalten, Brühl
erfuhr keine Silbe davon; erſt weit ſpäter merkte er, daß der Vatican
„ein Tauſchgeſchäft treiben wollte“ und die Trierſche Frage abſichtlich
offen ließ um in Köln deſto ſicherer ſeinen Willen durchzuſetzen. **) Hart-
näckig weigerte ſich der Papſt eine Neuwahl anzuordnen; er hatte ſogar
die Stirn zu behaupten, jenes zwiſchen der Krone und der Curie verein-
barte Breve enthalte keine bindenden Vorſchriften. ***)

Da wich der König zurück. Er forderte jetzt nur noch eine ordnungs-
mäßige Neuwahl; dabei wollte er dem Capitel unbeſchränkte Wahlfreiheit
laſſen und ſelbſt Arnoldi nicht ausſchließen; über den hatte er mittler-
weile günſtige Urtheile gehört und meinte wieder klüger zu ſein als ſein
Vorgänger. Der Ehrfurcht gegen ſeinen Vater glaubte er zu genügen, wenn
er noch an einer werthloſen, faſt lächerlichen Förmlichkeit feſthielt. Eichhorn,
der von dem erſten Verzichte auch nichts wußte, ſchrieb nunmehr freund-
lich mahnend an den Trierſchen Domherrn, worauf Arnoldi als guter
Patriot im Januar 1841 eine zweite Verzichtserklärung — immer unter
Vorbehalt der päpſtlichen Genehmigung — nach Rom ſchickte. †) Auch
jetzt noch blieb der Papſt unbeugſam, Brühl konnte in dieſer Sache gar
nichts erlangen. Erſt im Februar 1842 genehmigte Gregor den Ver-
zicht, aber ohne die frühere Wahl für nichtig zu erklären. Damit war der
Form nothdürftig genügt, und alsbald erlaubte der König dem Domcapitel,
für die Neuwahl eine Candidatenliſte einzureichen. Alſo ganz ohne Noth
ein neues Zugeſtändniß, weit über die Landesgeſetze hinaus! Wie viel
Arbeit hatte einſt Niebuhr aufwenden müſſen um die gefährlichen Liſten-
wahlen dem preußiſchen Staate fern zu halten und der Krone das Recht
der unbedingten Excluſive zu ſichern; darum polterte auch Lambruschini,

*) Denkſchrift von Bülow und Eichhorn an den König, 12. März 1842.
**) Brühl’s Bericht, 15. März 1841.
***) ſ. o. III. 205 f.
†) Arnoldi an Eichhorn, 19. Jan.; Brühl’s Bericht, 26. Febr. 1841.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0304" n="290"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">V.</hi> 4. Die Parteiung in der Kirche.</fw><lb/>
kein Fanatiker, &#x017F;ondern weich, gutmüthig, be&#x017F;timmbar, al&#x017F;o leicht zugänglich<lb/>
den Einflü&#x017F;terungen jenes geheimnißvollen gei&#x017F;tlichen Hofge&#x017F;indes, das man<lb/>
im katholi&#x017F;chen Deut&#x017F;chland den Küchen-Clerus zu nennen pflegt. Der<lb/>
alte König kannte den Mann, wohl aus Bodel&#x017F;chwingh&#x2019;s Berichten, und<lb/>
ließ ihn bei der Bi&#x017F;chofswahl von 1839 als minder genehm bezeichnen.<lb/>
Dennoch wurde Arnoldi gewählt, den Be&#x017F;timmungen des Breves von 1821<lb/>
offenbar zuwider, und die Krone ver&#x017F;agte von Rechtswegen ihre Geneh-<lb/>
migung. <note place="foot" n="*)">Denk&#x017F;chrift von Bülow und Eichhorn an den König, 12. März 1842.</note> Der Pap&#x017F;t aber war damals noch von wildem Ha&#x017F;&#x017F;e gegen<lb/>
Preußen erfüllt und behauptete, ohne &#x017F;ich auf Gründe einzula&#x017F;&#x017F;en: die<lb/>
Wahl &#x017F;ei kanoni&#x017F;ch. Nach dem Thronwech&#x017F;el konnte der Handel bei gutem<lb/>
Willen &#x017F;ofort ge&#x017F;chlichtet werden; denn Arnoldi, der wenig Ehrgeiz hegte,<lb/>
hatte &#x017F;chon am 1. Juni 1840 in aller Stille die Erklärung nach Rom<lb/>
ge&#x017F;andt: er wolle um des Friedens willen verzichten, falls der Pap&#x017F;t es<lb/>
erlaube. Die&#x017F;e Erklärung wurde in Rom &#x017F;treng geheim gehalten, Brühl<lb/>
erfuhr keine Silbe davon; er&#x017F;t weit &#x017F;päter merkte er, daß der Vatican<lb/>
&#x201E;ein Tau&#x017F;chge&#x017F;chäft treiben wollte&#x201C; und die Trier&#x017F;che Frage ab&#x017F;ichtlich<lb/>
offen ließ um in Köln de&#x017F;to &#x017F;icherer &#x017F;einen Willen durchzu&#x017F;etzen. <note place="foot" n="**)">Brühl&#x2019;s Bericht, 15. März 1841.</note> Hart-<lb/>
näckig weigerte &#x017F;ich der Pap&#x017F;t eine Neuwahl anzuordnen; er hatte &#x017F;ogar<lb/>
die Stirn zu behaupten, jenes zwi&#x017F;chen der Krone und der Curie verein-<lb/>
barte Breve enthalte keine bindenden Vor&#x017F;chriften. <note place="foot" n="***)">&#x017F;. o. <hi rendition="#aq">III.</hi> 205 f.</note></p><lb/>
          <p>Da wich der König zurück. Er forderte jetzt nur noch eine ordnungs-<lb/>
mäßige Neuwahl; dabei wollte er dem Capitel unbe&#x017F;chränkte Wahlfreiheit<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en und &#x017F;elb&#x017F;t Arnoldi nicht aus&#x017F;chließen; über den hatte er mittler-<lb/>
weile gün&#x017F;tige Urtheile gehört und meinte wieder klüger zu &#x017F;ein als &#x017F;ein<lb/>
Vorgänger. Der Ehrfurcht gegen &#x017F;einen Vater glaubte er zu genügen, wenn<lb/>
er noch an einer werthlo&#x017F;en, fa&#x017F;t lächerlichen Förmlichkeit fe&#x017F;thielt. Eichhorn,<lb/>
der von dem er&#x017F;ten Verzichte auch nichts wußte, &#x017F;chrieb nunmehr freund-<lb/>
lich mahnend an den Trier&#x017F;chen Domherrn, worauf Arnoldi als guter<lb/>
Patriot im Januar 1841 eine zweite Verzichtserklärung &#x2014; immer unter<lb/>
Vorbehalt der päp&#x017F;tlichen Genehmigung &#x2014; nach Rom &#x017F;chickte. <note place="foot" n="&#x2020;)">Arnoldi an Eichhorn, 19. Jan.; Brühl&#x2019;s Bericht, 26. Febr. 1841.</note> Auch<lb/>
jetzt noch blieb der Pap&#x017F;t unbeug&#x017F;am, Brühl konnte in die&#x017F;er Sache gar<lb/>
nichts erlangen. Er&#x017F;t im Februar 1842 genehmigte Gregor den Ver-<lb/>
zicht, aber ohne die frühere Wahl für nichtig zu erklären. Damit war der<lb/>
Form nothdürftig genügt, und alsbald erlaubte der König dem Domcapitel,<lb/>
für die Neuwahl eine Candidatenli&#x017F;te einzureichen. Al&#x017F;o ganz ohne Noth<lb/>
ein neues Zuge&#x017F;tändniß, weit über die Landesge&#x017F;etze hinaus! Wie viel<lb/>
Arbeit hatte ein&#x017F;t Niebuhr aufwenden mü&#x017F;&#x017F;en um die gefährlichen Li&#x017F;ten-<lb/>
wahlen dem preußi&#x017F;chen Staate fern zu halten und der Krone das Recht<lb/>
der unbedingten Exclu&#x017F;ive zu &#x017F;ichern; darum polterte auch Lambruschini,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[290/0304] V. 4. Die Parteiung in der Kirche. kein Fanatiker, ſondern weich, gutmüthig, beſtimmbar, alſo leicht zugänglich den Einflüſterungen jenes geheimnißvollen geiſtlichen Hofgeſindes, das man im katholiſchen Deutſchland den Küchen-Clerus zu nennen pflegt. Der alte König kannte den Mann, wohl aus Bodelſchwingh’s Berichten, und ließ ihn bei der Biſchofswahl von 1839 als minder genehm bezeichnen. Dennoch wurde Arnoldi gewählt, den Beſtimmungen des Breves von 1821 offenbar zuwider, und die Krone verſagte von Rechtswegen ihre Geneh- migung. *) Der Papſt aber war damals noch von wildem Haſſe gegen Preußen erfüllt und behauptete, ohne ſich auf Gründe einzulaſſen: die Wahl ſei kanoniſch. Nach dem Thronwechſel konnte der Handel bei gutem Willen ſofort geſchlichtet werden; denn Arnoldi, der wenig Ehrgeiz hegte, hatte ſchon am 1. Juni 1840 in aller Stille die Erklärung nach Rom geſandt: er wolle um des Friedens willen verzichten, falls der Papſt es erlaube. Dieſe Erklärung wurde in Rom ſtreng geheim gehalten, Brühl erfuhr keine Silbe davon; erſt weit ſpäter merkte er, daß der Vatican „ein Tauſchgeſchäft treiben wollte“ und die Trierſche Frage abſichtlich offen ließ um in Köln deſto ſicherer ſeinen Willen durchzuſetzen. **) Hart- näckig weigerte ſich der Papſt eine Neuwahl anzuordnen; er hatte ſogar die Stirn zu behaupten, jenes zwiſchen der Krone und der Curie verein- barte Breve enthalte keine bindenden Vorſchriften. ***) Da wich der König zurück. Er forderte jetzt nur noch eine ordnungs- mäßige Neuwahl; dabei wollte er dem Capitel unbeſchränkte Wahlfreiheit laſſen und ſelbſt Arnoldi nicht ausſchließen; über den hatte er mittler- weile günſtige Urtheile gehört und meinte wieder klüger zu ſein als ſein Vorgänger. Der Ehrfurcht gegen ſeinen Vater glaubte er zu genügen, wenn er noch an einer werthloſen, faſt lächerlichen Förmlichkeit feſthielt. Eichhorn, der von dem erſten Verzichte auch nichts wußte, ſchrieb nunmehr freund- lich mahnend an den Trierſchen Domherrn, worauf Arnoldi als guter Patriot im Januar 1841 eine zweite Verzichtserklärung — immer unter Vorbehalt der päpſtlichen Genehmigung — nach Rom ſchickte. †) Auch jetzt noch blieb der Papſt unbeugſam, Brühl konnte in dieſer Sache gar nichts erlangen. Erſt im Februar 1842 genehmigte Gregor den Ver- zicht, aber ohne die frühere Wahl für nichtig zu erklären. Damit war der Form nothdürftig genügt, und alsbald erlaubte der König dem Domcapitel, für die Neuwahl eine Candidatenliſte einzureichen. Alſo ganz ohne Noth ein neues Zugeſtändniß, weit über die Landesgeſetze hinaus! Wie viel Arbeit hatte einſt Niebuhr aufwenden müſſen um die gefährlichen Liſten- wahlen dem preußiſchen Staate fern zu halten und der Krone das Recht der unbedingten Excluſive zu ſichern; darum polterte auch Lambruschini, *) Denkſchrift von Bülow und Eichhorn an den König, 12. März 1842. **) Brühl’s Bericht, 15. März 1841. ***) ſ. o. III. 205 f. †) Arnoldi an Eichhorn, 19. Jan.; Brühl’s Bericht, 26. Febr. 1841.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/304
Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/304>, abgerufen am 22.11.2024.