gutem Grunde: daß Reisach vor fünf Jahren, in vertraulicher Zwiesprache bei der Tabakspfeife, den Kölnischen Erzbischof zum Kampfe gegen die Krone zuerst ermuntert hatte; und dieser Prälat sollte jetzt vermitteln! Der Baier benutzte seinen Aufenthalt in Münster nebenbei, um den jungen, aus dem preußischen Staatsdienste ausgetretenen Wilhelm v. Ketteler für den Priesterstand anzuwerben. Bei Droste aber richtete er nichts aus. Von einem Verzichte wollte der störrische Greis nichts hören; weder der Cardinalspurpur noch das Leben in Rom hatte für ihn einen Reiz. Den Uneingeweihten blieb es immer dunkel, ob Reisach eigenmächtig die Ver- handlungen erschwert hatte oder ob er von Rom her angewiesen war die Dinge noch in der Schwebe zu halten.
Immerhin schienen diese geheimen Umtriebe anzudeuten, daß der römische Stuhl doch nicht ganz unnachgiebig bleiben wollte. Darum wurde Graf Brühl im December 1840 zum zweiten male nach Rom gesendet. Diesmal kam er mit vollen Händen: er konnte dem Vatican die frohe Botschaft verkünden: daß der König sich von freien Stücken entschlossen habe, den Verkehr der Bischöfe mit dem Papste frei zu geben, das königliche Recht des Placet einzuschränken und im Cultusministerium eine eigene katholische Abtheilung zu bilden. Da die Staatsgewalt am Rheine wie in Posen schon nachgegeben hatte und ein zweifaches Staatskirchenrecht in Preußen unmöglich war, so sollten fortan in der ganzen Monarchie die gemischten Ehen nach dem berüchtigten päpstlichen Breve und nach dem Ermessen der Bischöfe behandelt werden. *) Friedrich Wilhelm war sogar bereit, das freiere Wahlrecht, das den Domcapiteln des Westens nach der Circumscriptionsbulle zustand, auch den Bisthümern des Ostens zu gewähren, obgleich die Krone hier bisher die Bischöfe thatsächlich allein ernannt hatte. Ganz von selbst verstand sich endlich nach den früheren Erklärungen, daß der Staat die Hermesianer nicht begünstigen wollte. In Allem und Jedem also war der König den Wünschen des Vaticans nicht entgegen- sondern zuvorgekommen. Und für diese Fülle freiwilliger Gewährungen verlangte man ein einziges Zugeständniß. "Fest muß nur der Eine bleiben: -- so schrieb Eichhorn -- keine Rückkehr des Erzbischofs nach Köln, wenn auch nur auf eine Minute um in's Thor von Köln zu sehen!" **) Brühl's erste Reise war der Welt anfangs verborgen geblieben. Jetzt aber hatte sich das Gerücht überall verbreitet, und alsbald erbot sich der befreundete Turiner Hof zur Vermittlung; er wußte jedoch -- gemäß den clericalen Grundsätzen König Karl Albert's -- nur vorzuschlagen, daß Droste auf kurze Zeit zurückkehren und dann sein Amt niederlegen solle. Die Vermittlung wurde mit Dank abgelehnt. ***) Friedrich Wilhelm war
*) Ladenberg, Promemoria über die gemischten Ehen, 1. Sept. 1840.
**) Eichhorn an Thile, 12. Jan. 1841.
***) Truchseß-Waldburg, Bericht aus Turin, 12. Oct.; Werther's Bericht an den König, 25. Oct. 1840.
V. 4. Die Parteiung in der Kirche.
gutem Grunde: daß Reiſach vor fünf Jahren, in vertraulicher Zwieſprache bei der Tabakspfeife, den Kölniſchen Erzbiſchof zum Kampfe gegen die Krone zuerſt ermuntert hatte; und dieſer Prälat ſollte jetzt vermitteln! Der Baier benutzte ſeinen Aufenthalt in Münſter nebenbei, um den jungen, aus dem preußiſchen Staatsdienſte ausgetretenen Wilhelm v. Ketteler für den Prieſterſtand anzuwerben. Bei Droſte aber richtete er nichts aus. Von einem Verzichte wollte der ſtörriſche Greis nichts hören; weder der Cardinalspurpur noch das Leben in Rom hatte für ihn einen Reiz. Den Uneingeweihten blieb es immer dunkel, ob Reiſach eigenmächtig die Ver- handlungen erſchwert hatte oder ob er von Rom her angewieſen war die Dinge noch in der Schwebe zu halten.
Immerhin ſchienen dieſe geheimen Umtriebe anzudeuten, daß der römiſche Stuhl doch nicht ganz unnachgiebig bleiben wollte. Darum wurde Graf Brühl im December 1840 zum zweiten male nach Rom geſendet. Diesmal kam er mit vollen Händen: er konnte dem Vatican die frohe Botſchaft verkünden: daß der König ſich von freien Stücken entſchloſſen habe, den Verkehr der Biſchöfe mit dem Papſte frei zu geben, das königliche Recht des Placet einzuſchränken und im Cultusminiſterium eine eigene katholiſche Abtheilung zu bilden. Da die Staatsgewalt am Rheine wie in Poſen ſchon nachgegeben hatte und ein zweifaches Staatskirchenrecht in Preußen unmöglich war, ſo ſollten fortan in der ganzen Monarchie die gemiſchten Ehen nach dem berüchtigten päpſtlichen Breve und nach dem Ermeſſen der Biſchöfe behandelt werden. *) Friedrich Wilhelm war ſogar bereit, das freiere Wahlrecht, das den Domcapiteln des Weſtens nach der Circumſcriptionsbulle zuſtand, auch den Bisthümern des Oſtens zu gewähren, obgleich die Krone hier bisher die Biſchöfe thatſächlich allein ernannt hatte. Ganz von ſelbſt verſtand ſich endlich nach den früheren Erklärungen, daß der Staat die Hermeſianer nicht begünſtigen wollte. In Allem und Jedem alſo war der König den Wünſchen des Vaticans nicht entgegen- ſondern zuvorgekommen. Und für dieſe Fülle freiwilliger Gewährungen verlangte man ein einziges Zugeſtändniß. „Feſt muß nur der Eine bleiben: — ſo ſchrieb Eichhorn — keine Rückkehr des Erzbiſchofs nach Köln, wenn auch nur auf eine Minute um in’s Thor von Köln zu ſehen!“ **) Brühl’s erſte Reiſe war der Welt anfangs verborgen geblieben. Jetzt aber hatte ſich das Gerücht überall verbreitet, und alsbald erbot ſich der befreundete Turiner Hof zur Vermittlung; er wußte jedoch — gemäß den clericalen Grundſätzen König Karl Albert’s — nur vorzuſchlagen, daß Droſte auf kurze Zeit zurückkehren und dann ſein Amt niederlegen ſolle. Die Vermittlung wurde mit Dank abgelehnt. ***) Friedrich Wilhelm war
*) Ladenberg, Promemoria über die gemiſchten Ehen, 1. Sept. 1840.
**) Eichhorn an Thile, 12. Jan. 1841.
***) Truchſeß-Waldburg, Bericht aus Turin, 12. Oct.; Werther’s Bericht an den König, 25. Oct. 1840.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0296"n="282"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq">V.</hi> 4. Die Parteiung in der Kirche.</fw><lb/>
gutem Grunde: daß Reiſach vor fünf Jahren, in vertraulicher Zwieſprache<lb/>
bei der Tabakspfeife, den Kölniſchen Erzbiſchof zum Kampfe gegen die<lb/>
Krone zuerſt ermuntert hatte; und dieſer Prälat ſollte jetzt vermitteln!<lb/>
Der Baier benutzte ſeinen Aufenthalt in Münſter nebenbei, um den jungen,<lb/>
aus dem preußiſchen Staatsdienſte ausgetretenen Wilhelm v. Ketteler für<lb/>
den Prieſterſtand anzuwerben. Bei Droſte aber richtete er nichts aus.<lb/>
Von einem Verzichte wollte der ſtörriſche Greis nichts hören; weder der<lb/>
Cardinalspurpur noch das Leben in Rom hatte für ihn einen Reiz. Den<lb/>
Uneingeweihten blieb es immer dunkel, ob Reiſach eigenmächtig die Ver-<lb/>
handlungen erſchwert hatte oder ob er von Rom her angewieſen war die<lb/>
Dinge noch in der Schwebe zu halten.</p><lb/><p>Immerhin ſchienen dieſe geheimen Umtriebe anzudeuten, daß der<lb/>
römiſche Stuhl doch nicht ganz unnachgiebig bleiben wollte. Darum wurde<lb/>
Graf Brühl im December 1840 zum zweiten male nach Rom geſendet.<lb/>
Diesmal kam er mit vollen Händen: er konnte dem Vatican die frohe<lb/>
Botſchaft verkünden: daß der König ſich von freien Stücken entſchloſſen<lb/>
habe, den Verkehr der Biſchöfe mit dem Papſte frei zu geben, das königliche<lb/>
Recht des Placet einzuſchränken und im Cultusminiſterium eine eigene<lb/>
katholiſche Abtheilung zu bilden. Da die Staatsgewalt am Rheine wie<lb/>
in Poſen ſchon nachgegeben hatte und ein zweifaches Staatskirchenrecht<lb/>
in Preußen unmöglich war, ſo ſollten fortan in der ganzen Monarchie<lb/>
die gemiſchten Ehen nach dem berüchtigten päpſtlichen Breve und nach<lb/>
dem Ermeſſen der Biſchöfe behandelt werden. <noteplace="foot"n="*)">Ladenberg, Promemoria über die gemiſchten Ehen, 1. Sept. 1840.</note> Friedrich Wilhelm war<lb/>ſogar bereit, das freiere Wahlrecht, das den Domcapiteln des Weſtens<lb/>
nach der Circumſcriptionsbulle zuſtand, auch den Bisthümern des Oſtens<lb/>
zu gewähren, obgleich die Krone hier bisher die Biſchöfe thatſächlich allein<lb/>
ernannt hatte. Ganz von ſelbſt verſtand ſich endlich nach den früheren<lb/>
Erklärungen, daß der Staat die Hermeſianer nicht begünſtigen wollte.<lb/>
In Allem und Jedem alſo war der König den Wünſchen des Vaticans<lb/>
nicht entgegen- ſondern zuvorgekommen. Und für dieſe Fülle freiwilliger<lb/>
Gewährungen verlangte man ein einziges Zugeſtändniß. „Feſt muß nur<lb/>
der Eine bleiben: —ſo ſchrieb Eichhorn — keine Rückkehr des Erzbiſchofs<lb/>
nach Köln, wenn auch nur auf eine Minute um in’s Thor von Köln zu<lb/>ſehen!“<noteplace="foot"n="**)">Eichhorn an Thile, 12. Jan. 1841.</note> Brühl’s erſte Reiſe war der Welt anfangs verborgen geblieben.<lb/>
Jetzt aber hatte ſich das Gerücht überall verbreitet, und alsbald erbot ſich<lb/>
der befreundete Turiner Hof zur Vermittlung; er wußte jedoch — gemäß<lb/>
den clericalen Grundſätzen König Karl Albert’s — nur vorzuſchlagen, daß<lb/>
Droſte auf kurze Zeit zurückkehren und dann ſein Amt niederlegen ſolle.<lb/>
Die Vermittlung wurde mit Dank abgelehnt. <noteplace="foot"n="***)">Truchſeß-Waldburg, Bericht aus Turin, 12. Oct.; Werther’s Bericht an den<lb/>
König, 25. Oct. 1840.</note> Friedrich Wilhelm war<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[282/0296]
V. 4. Die Parteiung in der Kirche.
gutem Grunde: daß Reiſach vor fünf Jahren, in vertraulicher Zwieſprache
bei der Tabakspfeife, den Kölniſchen Erzbiſchof zum Kampfe gegen die
Krone zuerſt ermuntert hatte; und dieſer Prälat ſollte jetzt vermitteln!
Der Baier benutzte ſeinen Aufenthalt in Münſter nebenbei, um den jungen,
aus dem preußiſchen Staatsdienſte ausgetretenen Wilhelm v. Ketteler für
den Prieſterſtand anzuwerben. Bei Droſte aber richtete er nichts aus.
Von einem Verzichte wollte der ſtörriſche Greis nichts hören; weder der
Cardinalspurpur noch das Leben in Rom hatte für ihn einen Reiz. Den
Uneingeweihten blieb es immer dunkel, ob Reiſach eigenmächtig die Ver-
handlungen erſchwert hatte oder ob er von Rom her angewieſen war die
Dinge noch in der Schwebe zu halten.
Immerhin ſchienen dieſe geheimen Umtriebe anzudeuten, daß der
römiſche Stuhl doch nicht ganz unnachgiebig bleiben wollte. Darum wurde
Graf Brühl im December 1840 zum zweiten male nach Rom geſendet.
Diesmal kam er mit vollen Händen: er konnte dem Vatican die frohe
Botſchaft verkünden: daß der König ſich von freien Stücken entſchloſſen
habe, den Verkehr der Biſchöfe mit dem Papſte frei zu geben, das königliche
Recht des Placet einzuſchränken und im Cultusminiſterium eine eigene
katholiſche Abtheilung zu bilden. Da die Staatsgewalt am Rheine wie
in Poſen ſchon nachgegeben hatte und ein zweifaches Staatskirchenrecht
in Preußen unmöglich war, ſo ſollten fortan in der ganzen Monarchie
die gemiſchten Ehen nach dem berüchtigten päpſtlichen Breve und nach
dem Ermeſſen der Biſchöfe behandelt werden. *) Friedrich Wilhelm war
ſogar bereit, das freiere Wahlrecht, das den Domcapiteln des Weſtens
nach der Circumſcriptionsbulle zuſtand, auch den Bisthümern des Oſtens
zu gewähren, obgleich die Krone hier bisher die Biſchöfe thatſächlich allein
ernannt hatte. Ganz von ſelbſt verſtand ſich endlich nach den früheren
Erklärungen, daß der Staat die Hermeſianer nicht begünſtigen wollte.
In Allem und Jedem alſo war der König den Wünſchen des Vaticans
nicht entgegen- ſondern zuvorgekommen. Und für dieſe Fülle freiwilliger
Gewährungen verlangte man ein einziges Zugeſtändniß. „Feſt muß nur
der Eine bleiben: — ſo ſchrieb Eichhorn — keine Rückkehr des Erzbiſchofs
nach Köln, wenn auch nur auf eine Minute um in’s Thor von Köln zu
ſehen!“ **) Brühl’s erſte Reiſe war der Welt anfangs verborgen geblieben.
Jetzt aber hatte ſich das Gerücht überall verbreitet, und alsbald erbot ſich
der befreundete Turiner Hof zur Vermittlung; er wußte jedoch — gemäß
den clericalen Grundſätzen König Karl Albert’s — nur vorzuſchlagen, daß
Droſte auf kurze Zeit zurückkehren und dann ſein Amt niederlegen ſolle.
Die Vermittlung wurde mit Dank abgelehnt. ***) Friedrich Wilhelm war
*) Ladenberg, Promemoria über die gemiſchten Ehen, 1. Sept. 1840.
**) Eichhorn an Thile, 12. Jan. 1841.
***) Truchſeß-Waldburg, Bericht aus Turin, 12. Oct.; Werther’s Bericht an den
König, 25. Oct. 1840.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/296>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.