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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894.

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Verhandlungen mit Droste.
ihm für seine Lebenszeit einen Caadjutor ernenne. *) Begleitet von dem
Grafen Fürstenberg-Stammheim, einem der Wortführer des ultramon-
tanen rheinischen Adels, reiste Schadow um Weihnachten nach Münster,
und der Erfolg war, wie ihn jeder Menschenkenner vorauswissen mußte.
Aus Ehrfurcht vor dem großen Märtyrer wagten die beiden clericalen
Abgesandten nicht einmal die Aufträge des Königs auszurichten; sie
nahmen nur demüthig die Willensmeinung des Erbosten entgegen und
berichteten dann harmlos: Droste verlange unbedingt seine Wiedereinsetzung,
späterhin denke er sich bei Gelegenheit aus Köln zurückzuziehen. Mit
der ganzen politischen Unschuld des Künstlers fügte Schadow hinzu: sehr
wünschenswerth erscheine auch die Beglaubigung eines Nuntius beim
Bundestage; der könne unter Oesterreichs Schutz die deutsche Kirche leiten,
Preußen brauche dann nur noch einen Geschäftsträger für die laufenden
Angelegenheiten in Rom zu unterhalten; so würde freilich "eine Art
Staat im Staate" entstehen, aber da doch alles Heil von der katholischen
Kirche ausgehen müsse, so komme der Segen auch den Akatholiken zu Gute!
Diese "saubere Bescheerung" erschien selbst dem gütigen Monarchen un-
heimlich und er schrieb traurig: "Der Geist, der das Ganze durchweht,
stimmt mich muthlos, nicht weil ich sehe was ich lange weiß, daß die
beiden Herolde verstockte Papisten sind, sondern weil die ganze Einleitung
mir nun klar ist und von Capaccini (dem sanftesten, nachgiebigsten der
päpstlichen Umgebung) wahrscheinlich noch so viel als möglich gemildert
worden ist." **)

Unterdessen begann der Vatican doch zu fühlen, daß er mit einer
mächtigen Krone so nicht spielen durfte. Im Februar 1841 erschien mit
Aufträgen des Papstes ein neuer Unterhändler bei Droste: der Bischof
von Eichstädt, Graf Reisach. Auch dieser Name versprach nichts Gutes.
Reisach war der weltkluge Führer der jesuitischen Partei in Baiern
und machte dem Rufe zweideutiger Verschlagenheit, der noch von den
napoleonischen Tagen her an seinem Hause haftete, alle Ehre. Unter
ihm war das liebliche Städtchen im stillen Felsenthale der Altmühl
zu einem kleinen bairischen Rom geworden; drunten im alten Dome
lag das Grab des heiligen Willibald, droben in der Bergkirche sickerte
aus dem Felsen das wunderthätige Oel der heiligen Walpurgis; hier gab
es Mirakel so viel das Herz begehrte, und wieder wie einst in den Tagen
des bairischen Concordats versammelte sich in dem stattlichen Residenz-
schlosse des Bischofs ein Eichstädter Bund von handfesten Ultramontanen. ***)
In den Münchener Priesterkreisen erzählte man sich überall, wohl mit

*) Gröben's Bericht an den König, 28. Oct.; Thile's Aufzeichnung über die Be-
fehle des Königs, 5. Nov. 1840.
**) Berichte von Fürstenberg und Schadow 2. Jan., von Gröben 3. Jan.; König
Friedrich Wilhelm an Thile, 8. Jan. 1841.
***) s. o. II. 346.

Verhandlungen mit Droſte.
ihm für ſeine Lebenszeit einen Caadjutor ernenne. *) Begleitet von dem
Grafen Fürſtenberg-Stammheim, einem der Wortführer des ultramon-
tanen rheiniſchen Adels, reiſte Schadow um Weihnachten nach Münſter,
und der Erfolg war, wie ihn jeder Menſchenkenner vorauswiſſen mußte.
Aus Ehrfurcht vor dem großen Märtyrer wagten die beiden clericalen
Abgeſandten nicht einmal die Aufträge des Königs auszurichten; ſie
nahmen nur demüthig die Willensmeinung des Erboſten entgegen und
berichteten dann harmlos: Droſte verlange unbedingt ſeine Wiedereinſetzung,
ſpäterhin denke er ſich bei Gelegenheit aus Köln zurückzuziehen. Mit
der ganzen politiſchen Unſchuld des Künſtlers fügte Schadow hinzu: ſehr
wünſchenswerth erſcheine auch die Beglaubigung eines Nuntius beim
Bundestage; der könne unter Oeſterreichs Schutz die deutſche Kirche leiten,
Preußen brauche dann nur noch einen Geſchäftsträger für die laufenden
Angelegenheiten in Rom zu unterhalten; ſo würde freilich „eine Art
Staat im Staate“ entſtehen, aber da doch alles Heil von der katholiſchen
Kirche ausgehen müſſe, ſo komme der Segen auch den Akatholiken zu Gute!
Dieſe „ſaubere Beſcheerung“ erſchien ſelbſt dem gütigen Monarchen un-
heimlich und er ſchrieb traurig: „Der Geiſt, der das Ganze durchweht,
ſtimmt mich muthlos, nicht weil ich ſehe was ich lange weiß, daß die
beiden Herolde verſtockte Papiſten ſind, ſondern weil die ganze Einleitung
mir nun klar iſt und von Capaccini (dem ſanfteſten, nachgiebigſten der
päpſtlichen Umgebung) wahrſcheinlich noch ſo viel als möglich gemildert
worden iſt.“ **)

Unterdeſſen begann der Vatican doch zu fühlen, daß er mit einer
mächtigen Krone ſo nicht ſpielen durfte. Im Februar 1841 erſchien mit
Aufträgen des Papſtes ein neuer Unterhändler bei Droſte: der Biſchof
von Eichſtädt, Graf Reiſach. Auch dieſer Name verſprach nichts Gutes.
Reiſach war der weltkluge Führer der jeſuitiſchen Partei in Baiern
und machte dem Rufe zweideutiger Verſchlagenheit, der noch von den
napoleoniſchen Tagen her an ſeinem Hauſe haftete, alle Ehre. Unter
ihm war das liebliche Städtchen im ſtillen Felſenthale der Altmühl
zu einem kleinen bairiſchen Rom geworden; drunten im alten Dome
lag das Grab des heiligen Willibald, droben in der Bergkirche ſickerte
aus dem Felſen das wunderthätige Oel der heiligen Walpurgis; hier gab
es Mirakel ſo viel das Herz begehrte, und wieder wie einſt in den Tagen
des bairiſchen Concordats verſammelte ſich in dem ſtattlichen Reſidenz-
ſchloſſe des Biſchofs ein Eichſtädter Bund von handfeſten Ultramontanen. ***)
In den Münchener Prieſterkreiſen erzählte man ſich überall, wohl mit

*) Gröben’s Bericht an den König, 28. Oct.; Thile’s Aufzeichnung über die Be-
fehle des Königs, 5. Nov. 1840.
**) Berichte von Fürſtenberg und Schadow 2. Jan., von Gröben 3. Jan.; König
Friedrich Wilhelm an Thile, 8. Jan. 1841.
***) ſ. o. II. 346.
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[281/0295] Verhandlungen mit Droſte. ihm für ſeine Lebenszeit einen Caadjutor ernenne. *) Begleitet von dem Grafen Fürſtenberg-Stammheim, einem der Wortführer des ultramon- tanen rheiniſchen Adels, reiſte Schadow um Weihnachten nach Münſter, und der Erfolg war, wie ihn jeder Menſchenkenner vorauswiſſen mußte. Aus Ehrfurcht vor dem großen Märtyrer wagten die beiden clericalen Abgeſandten nicht einmal die Aufträge des Königs auszurichten; ſie nahmen nur demüthig die Willensmeinung des Erboſten entgegen und berichteten dann harmlos: Droſte verlange unbedingt ſeine Wiedereinſetzung, ſpäterhin denke er ſich bei Gelegenheit aus Köln zurückzuziehen. Mit der ganzen politiſchen Unſchuld des Künſtlers fügte Schadow hinzu: ſehr wünſchenswerth erſcheine auch die Beglaubigung eines Nuntius beim Bundestage; der könne unter Oeſterreichs Schutz die deutſche Kirche leiten, Preußen brauche dann nur noch einen Geſchäftsträger für die laufenden Angelegenheiten in Rom zu unterhalten; ſo würde freilich „eine Art Staat im Staate“ entſtehen, aber da doch alles Heil von der katholiſchen Kirche ausgehen müſſe, ſo komme der Segen auch den Akatholiken zu Gute! Dieſe „ſaubere Beſcheerung“ erſchien ſelbſt dem gütigen Monarchen un- heimlich und er ſchrieb traurig: „Der Geiſt, der das Ganze durchweht, ſtimmt mich muthlos, nicht weil ich ſehe was ich lange weiß, daß die beiden Herolde verſtockte Papiſten ſind, ſondern weil die ganze Einleitung mir nun klar iſt und von Capaccini (dem ſanfteſten, nachgiebigſten der päpſtlichen Umgebung) wahrſcheinlich noch ſo viel als möglich gemildert worden iſt.“ **) Unterdeſſen begann der Vatican doch zu fühlen, daß er mit einer mächtigen Krone ſo nicht ſpielen durfte. Im Februar 1841 erſchien mit Aufträgen des Papſtes ein neuer Unterhändler bei Droſte: der Biſchof von Eichſtädt, Graf Reiſach. Auch dieſer Name verſprach nichts Gutes. Reiſach war der weltkluge Führer der jeſuitiſchen Partei in Baiern und machte dem Rufe zweideutiger Verſchlagenheit, der noch von den napoleoniſchen Tagen her an ſeinem Hauſe haftete, alle Ehre. Unter ihm war das liebliche Städtchen im ſtillen Felſenthale der Altmühl zu einem kleinen bairiſchen Rom geworden; drunten im alten Dome lag das Grab des heiligen Willibald, droben in der Bergkirche ſickerte aus dem Felſen das wunderthätige Oel der heiligen Walpurgis; hier gab es Mirakel ſo viel das Herz begehrte, und wieder wie einſt in den Tagen des bairiſchen Concordats verſammelte ſich in dem ſtattlichen Reſidenz- ſchloſſe des Biſchofs ein Eichſtädter Bund von handfeſten Ultramontanen. ***) In den Münchener Prieſterkreiſen erzählte man ſich überall, wohl mit *) Gröben’s Bericht an den König, 28. Oct.; Thile’s Aufzeichnung über die Be- fehle des Königs, 5. Nov. 1840. **) Berichte von Fürſtenberg und Schadow 2. Jan., von Gröben 3. Jan.; König Friedrich Wilhelm an Thile, 8. Jan. 1841. ***) ſ. o. II. 346.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/295>, abgerufen am 23.11.2024.