Nach der Rückkehr Dunin's erwartete alle Welt auch die Wieder- einsetzung Droste-Vischering's, Niemand zuversichtlicher als der greise Erz- bischof selbst. Der betheuerte, als ihm Minister Rochow einen abschlägigen Bescheid gab, in seinem fürchterlichen Deutsch kurzab: dies nimmt mir meine Hoffnung nicht, "da sie auf die erhabene Gesinnung Sr. Majestät ruht"; er schaffte sich schon Wagen und Pferde an um triumphirend in seiner Metropole einzuziehen. *) Seine Anhänger am Rhein überschüt- teten den Monarchen mit rührsamen Bittschriften, und nicht Alle waren so tapfer wie die Erzeugerin des berühmten Kölnischen Wassers, die Kloster- frau Martin, die sich unbedenklich auf ihren Gutthäter, den seligen König berief; Manche versicherten treuherzig, sie würden "aus Furcht vor den Gegnern" ihre Unterschrift erst später beifügen. **) Friedrich Wilhelm aber beurtheilte auch diese politische Machtfrage gemüthlich, nicht als Staatsmann, sondern als guter Sohn. Dunin war durch gerichtlichen Spruch verurtheilt und konnte also ohne Weiteres begnadigt werden. Droste hingegen hatte den ganzen Streit begonnen und dann ohne Urtheil und Recht, auf unmittelbaren Befehl des verstorbenen Monarchen sein Bisthum verlassen müssen. Diesen Befehl des Vaters zurückzunehmen erschien dem neuen Könige wie eine Verletzung der kindlichen Pietät, und da auch seine Minister allesammt den Polen unverdientermaßen milder beurtheilten als den Westphalen, so mußte Brühl von vornherein erklären: nun und nimmermehr dürfe Droste zurückkehren, nur unter dieser Be- dingung sei Dunin begnadigt worden. Zum Glück stimmte Friedrich Wilhelm's Gemüthspolitik nahezu überein mit den nüchternen Berechnungen des Vaticans. Klüger als die preußische Regierung hatten die Cardinäle in dem Kölnischen Fanatiker von vornherein einen unbequemen deutschen Trotzkopf gesehen; nun war er durch sein Martyrium der Kirche nützlich geworden, und nur als Märtyrer vermochte er ihr auch fernerhin zu nützen. Gebrauchen konnte man ihn sonst nicht mehr, denn in den drei Jahren seines Exils hatten sich die Grobheit und der zänkische Eigensinn des kränkelnden Prälaten bis zum Unerträglichen gesteigert. Daher war man im Stillen schon längst entschlossen, beim Friedensschlusse den getreuen Westphalen als Sündenbock mit vaticanischer Gemüthsruhe abzuschlachten. Vorher aber mußte die Staatsgewalt noch einmal gründlich gedemüthigt werden.
Als Graf Brühl am 20. August die Unterhandlungen begann, da empfing ihn der Cardinal-Staatssecretär nicht feindselig, aber mit dem Hochmuthe des Siegers. Lambruschini donnerte in ungestümen Zornreden, die dem Preußen zuweilen theatralisch klangen, wider das staatstreue Kölnische Domcapitel, wider die Hermesianer, am heftigsten wider Bunsen;
*) Rochow an Lottum, 6. Aug.; Droste-Vischering an Vincke, 14. Aug. 1840.
**) Eingaben an den König von Düsseldorfer Bürgern, 30. Jan.; von der Kloster- frau Martin, 17. Nov. 1841 u. s. w.
Erſte Sendung des Grafen Brühl.
Nach der Rückkehr Dunin’s erwartete alle Welt auch die Wieder- einſetzung Droſte-Viſchering’s, Niemand zuverſichtlicher als der greiſe Erz- biſchof ſelbſt. Der betheuerte, als ihm Miniſter Rochow einen abſchlägigen Beſcheid gab, in ſeinem fürchterlichen Deutſch kurzab: dies nimmt mir meine Hoffnung nicht, „da ſie auf die erhabene Geſinnung Sr. Majeſtät ruht“; er ſchaffte ſich ſchon Wagen und Pferde an um triumphirend in ſeiner Metropole einzuziehen. *) Seine Anhänger am Rhein überſchüt- teten den Monarchen mit rührſamen Bittſchriften, und nicht Alle waren ſo tapfer wie die Erzeugerin des berühmten Kölniſchen Waſſers, die Kloſter- frau Martin, die ſich unbedenklich auf ihren Gutthäter, den ſeligen König berief; Manche verſicherten treuherzig, ſie würden „aus Furcht vor den Gegnern“ ihre Unterſchrift erſt ſpäter beifügen. **) Friedrich Wilhelm aber beurtheilte auch dieſe politiſche Machtfrage gemüthlich, nicht als Staatsmann, ſondern als guter Sohn. Dunin war durch gerichtlichen Spruch verurtheilt und konnte alſo ohne Weiteres begnadigt werden. Droſte hingegen hatte den ganzen Streit begonnen und dann ohne Urtheil und Recht, auf unmittelbaren Befehl des verſtorbenen Monarchen ſein Bisthum verlaſſen müſſen. Dieſen Befehl des Vaters zurückzunehmen erſchien dem neuen Könige wie eine Verletzung der kindlichen Pietät, und da auch ſeine Miniſter alleſammt den Polen unverdientermaßen milder beurtheilten als den Weſtphalen, ſo mußte Brühl von vornherein erklären: nun und nimmermehr dürfe Droſte zurückkehren, nur unter dieſer Be- dingung ſei Dunin begnadigt worden. Zum Glück ſtimmte Friedrich Wilhelm’s Gemüthspolitik nahezu überein mit den nüchternen Berechnungen des Vaticans. Klüger als die preußiſche Regierung hatten die Cardinäle in dem Kölniſchen Fanatiker von vornherein einen unbequemen deutſchen Trotzkopf geſehen; nun war er durch ſein Martyrium der Kirche nützlich geworden, und nur als Märtyrer vermochte er ihr auch fernerhin zu nützen. Gebrauchen konnte man ihn ſonſt nicht mehr, denn in den drei Jahren ſeines Exils hatten ſich die Grobheit und der zänkiſche Eigenſinn des kränkelnden Prälaten bis zum Unerträglichen geſteigert. Daher war man im Stillen ſchon längſt entſchloſſen, beim Friedensſchluſſe den getreuen Weſtphalen als Sündenbock mit vaticaniſcher Gemüthsruhe abzuſchlachten. Vorher aber mußte die Staatsgewalt noch einmal gründlich gedemüthigt werden.
Als Graf Brühl am 20. Auguſt die Unterhandlungen begann, da empfing ihn der Cardinal-Staatsſecretär nicht feindſelig, aber mit dem Hochmuthe des Siegers. Lambruschini donnerte in ungeſtümen Zornreden, die dem Preußen zuweilen theatraliſch klangen, wider das ſtaatstreue Kölniſche Domcapitel, wider die Hermeſianer, am heftigſten wider Bunſen;
*) Rochow an Lottum, 6. Aug.; Droſte-Viſchering an Vincke, 14. Aug. 1840.
**) Eingaben an den König von Düſſeldorfer Bürgern, 30. Jan.; von der Kloſter- frau Martin, 17. Nov. 1841 u. ſ. w.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0293"n="279"/><fwplace="top"type="header">Erſte Sendung des Grafen Brühl.</fw><lb/><p>Nach der Rückkehr Dunin’s erwartete alle Welt auch die Wieder-<lb/>
einſetzung Droſte-Viſchering’s, Niemand zuverſichtlicher als der greiſe Erz-<lb/>
biſchof ſelbſt. Der betheuerte, als ihm Miniſter Rochow einen abſchlägigen<lb/>
Beſcheid gab, in ſeinem fürchterlichen Deutſch kurzab: dies nimmt mir<lb/>
meine Hoffnung nicht, „da ſie auf die erhabene Geſinnung Sr. Majeſtät<lb/>
ruht“; er ſchaffte ſich ſchon Wagen und Pferde an um triumphirend in<lb/>ſeiner Metropole einzuziehen. <noteplace="foot"n="*)">Rochow an Lottum, 6. Aug.; Droſte-Viſchering an Vincke, 14. Aug. 1840.</note> Seine Anhänger am Rhein überſchüt-<lb/>
teten den Monarchen mit rührſamen Bittſchriften, und nicht Alle waren<lb/>ſo tapfer wie die Erzeugerin des berühmten Kölniſchen Waſſers, die Kloſter-<lb/>
frau Martin, die ſich unbedenklich auf ihren Gutthäter, den ſeligen König<lb/>
berief; Manche verſicherten treuherzig, ſie würden „aus Furcht vor den<lb/>
Gegnern“ ihre Unterſchrift erſt ſpäter beifügen. <noteplace="foot"n="**)">Eingaben an den König von Düſſeldorfer Bürgern, 30. Jan.; von der Kloſter-<lb/>
frau Martin, 17. Nov. 1841 u. ſ. w.</note> Friedrich Wilhelm<lb/>
aber beurtheilte auch dieſe politiſche Machtfrage gemüthlich, nicht als<lb/>
Staatsmann, ſondern als guter Sohn. Dunin war durch gerichtlichen<lb/>
Spruch verurtheilt und konnte alſo ohne Weiteres begnadigt werden.<lb/>
Droſte hingegen hatte den ganzen Streit begonnen und dann ohne Urtheil<lb/>
und Recht, auf unmittelbaren Befehl des verſtorbenen Monarchen ſein<lb/>
Bisthum verlaſſen müſſen. Dieſen Befehl des Vaters zurückzunehmen<lb/>
erſchien dem neuen Könige wie eine Verletzung der kindlichen Pietät, und<lb/>
da auch ſeine Miniſter alleſammt den Polen unverdientermaßen milder<lb/>
beurtheilten als den Weſtphalen, ſo mußte Brühl von vornherein erklären:<lb/>
nun und nimmermehr dürfe Droſte zurückkehren, nur unter dieſer Be-<lb/>
dingung ſei Dunin begnadigt worden. Zum Glück ſtimmte Friedrich<lb/>
Wilhelm’s Gemüthspolitik nahezu überein mit den nüchternen Berechnungen<lb/>
des Vaticans. Klüger als die preußiſche Regierung hatten die Cardinäle<lb/>
in dem Kölniſchen Fanatiker von vornherein einen unbequemen deutſchen<lb/>
Trotzkopf geſehen; nun war er durch ſein Martyrium der Kirche nützlich<lb/>
geworden, und nur als Märtyrer vermochte er ihr auch fernerhin zu nützen.<lb/>
Gebrauchen konnte man ihn ſonſt nicht mehr, denn in den drei Jahren<lb/>ſeines Exils hatten ſich die Grobheit und der zänkiſche Eigenſinn des<lb/>
kränkelnden Prälaten bis zum Unerträglichen geſteigert. Daher war<lb/>
man im Stillen ſchon längſt entſchloſſen, beim Friedensſchluſſe den getreuen<lb/>
Weſtphalen als Sündenbock mit vaticaniſcher Gemüthsruhe abzuſchlachten.<lb/>
Vorher aber mußte die Staatsgewalt noch einmal gründlich gedemüthigt<lb/>
werden.</p><lb/><p>Als Graf Brühl am 20. Auguſt die Unterhandlungen begann, da<lb/>
empfing ihn der Cardinal-Staatsſecretär nicht feindſelig, aber mit dem<lb/>
Hochmuthe des Siegers. Lambruschini donnerte in ungeſtümen Zornreden,<lb/>
die dem Preußen zuweilen theatraliſch klangen, wider das ſtaatstreue<lb/>
Kölniſche Domcapitel, wider die Hermeſianer, am heftigſten wider Bunſen;<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[279/0293]
Erſte Sendung des Grafen Brühl.
Nach der Rückkehr Dunin’s erwartete alle Welt auch die Wieder-
einſetzung Droſte-Viſchering’s, Niemand zuverſichtlicher als der greiſe Erz-
biſchof ſelbſt. Der betheuerte, als ihm Miniſter Rochow einen abſchlägigen
Beſcheid gab, in ſeinem fürchterlichen Deutſch kurzab: dies nimmt mir
meine Hoffnung nicht, „da ſie auf die erhabene Geſinnung Sr. Majeſtät
ruht“; er ſchaffte ſich ſchon Wagen und Pferde an um triumphirend in
ſeiner Metropole einzuziehen. *) Seine Anhänger am Rhein überſchüt-
teten den Monarchen mit rührſamen Bittſchriften, und nicht Alle waren
ſo tapfer wie die Erzeugerin des berühmten Kölniſchen Waſſers, die Kloſter-
frau Martin, die ſich unbedenklich auf ihren Gutthäter, den ſeligen König
berief; Manche verſicherten treuherzig, ſie würden „aus Furcht vor den
Gegnern“ ihre Unterſchrift erſt ſpäter beifügen. **) Friedrich Wilhelm
aber beurtheilte auch dieſe politiſche Machtfrage gemüthlich, nicht als
Staatsmann, ſondern als guter Sohn. Dunin war durch gerichtlichen
Spruch verurtheilt und konnte alſo ohne Weiteres begnadigt werden.
Droſte hingegen hatte den ganzen Streit begonnen und dann ohne Urtheil
und Recht, auf unmittelbaren Befehl des verſtorbenen Monarchen ſein
Bisthum verlaſſen müſſen. Dieſen Befehl des Vaters zurückzunehmen
erſchien dem neuen Könige wie eine Verletzung der kindlichen Pietät, und
da auch ſeine Miniſter alleſammt den Polen unverdientermaßen milder
beurtheilten als den Weſtphalen, ſo mußte Brühl von vornherein erklären:
nun und nimmermehr dürfe Droſte zurückkehren, nur unter dieſer Be-
dingung ſei Dunin begnadigt worden. Zum Glück ſtimmte Friedrich
Wilhelm’s Gemüthspolitik nahezu überein mit den nüchternen Berechnungen
des Vaticans. Klüger als die preußiſche Regierung hatten die Cardinäle
in dem Kölniſchen Fanatiker von vornherein einen unbequemen deutſchen
Trotzkopf geſehen; nun war er durch ſein Martyrium der Kirche nützlich
geworden, und nur als Märtyrer vermochte er ihr auch fernerhin zu nützen.
Gebrauchen konnte man ihn ſonſt nicht mehr, denn in den drei Jahren
ſeines Exils hatten ſich die Grobheit und der zänkiſche Eigenſinn des
kränkelnden Prälaten bis zum Unerträglichen geſteigert. Daher war
man im Stillen ſchon längſt entſchloſſen, beim Friedensſchluſſe den getreuen
Weſtphalen als Sündenbock mit vaticaniſcher Gemüthsruhe abzuſchlachten.
Vorher aber mußte die Staatsgewalt noch einmal gründlich gedemüthigt
werden.
Als Graf Brühl am 20. Auguſt die Unterhandlungen begann, da
empfing ihn der Cardinal-Staatsſecretär nicht feindſelig, aber mit dem
Hochmuthe des Siegers. Lambruschini donnerte in ungeſtümen Zornreden,
die dem Preußen zuweilen theatraliſch klangen, wider das ſtaatstreue
Kölniſche Domcapitel, wider die Hermeſianer, am heftigſten wider Bunſen;
*) Rochow an Lottum, 6. Aug.; Droſte-Viſchering an Vincke, 14. Aug. 1840.
**) Eingaben an den König von Düſſeldorfer Bürgern, 30. Jan.; von der Kloſter-
frau Martin, 17. Nov. 1841 u. ſ. w.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/293>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.