den seine Standesgenossen wegen seines guten Einvernehmens mit den Deutschen beargwöhnten, warnte nachdrücklich, diese beiden Nationen sollten wohl friedlich neben einander leben doch niemals sich vermischen. Unter sich waren die Polen keineswegs einig. Neben den Geheimbünden des Adels bildete sich ein radikaler Verein unter den Gewerbtreibenden der Provinzialhauptstadt und einem Theile jener müssigen Händler und Schenk- wirthe, welche in den kleinen Städten den fehlenden Handwerkerstand vertraten; seine von Dr. Libelt herausgegebene Zeitschrift, das Jahr, stand den Lehren des Communismus nahe. Gegen die Deutschen aber hielten alle Parteien zusammen. Schon wurde die Losung ausgegeben, man dürfe nur bei Landsleuten kaufen, und in Posen ein Bazar auf Aktien gegründet, dessen Läden die Gesellschaft ausschließlich an Polen vermiethete; auch für ein polnisches Theater ward gesammelt.
In Folge der beständigen Warnungen der russischen Gesandtschaft erhielten die Landräthe den Befehl, auf die geheimen Umtriebe der Polen scharf aufzumerken. Da sich indessen die moskowitischen Berichte zum Theil als falsch oder übertrieben erwiesen, so ließ sich die deutsche Gutmüthigkeit bald wieder einschläfern. Ein berüchtigter Agent der Propaganda Trzemski wurde, als man ihn nach Jahren endlich einfing, wieder losgegeben, weil er sich auf die Amnestie des neuen Königs berief;*) und über den gefähr- lichsten aller Preußenfeinde des Landes, Titus Dzialynski urtheilte das Auswärtige Amt unschuldig: dieser Graf sei viel zu vornehm zum Ver- schwörer.**) Harmloser noch als seine Beamten war der König selbst. Als er im Sommer 1842 auf der Durchreise Posen berührte, da ließ er sich, wie man sagte, durch die Bitten der Radziwills bewegen, dort einige Tage zu verweilen, und die Polen bereiteten ihm eine jener lärmenden Hul- digungen, welche der slawischen Leichtlebigkeit gar nichts kosten. Entzückt schilderte er, wie man ihn über alle Erwartung gut empfangen und wie er beim Festmahle 205, meist adliche Magen habe füllen müssen.***) Nach dem kurzen Aufenthalte verlieh er zum Abschied noch 55 Orden an diese ungetreue Provinz, die er schon bei der Königsberger Huldigung mit Aus- zeichnungen überschüttet hatte; selbst Dunin wurde durch einen Orden geehrt. Dergestalt trieb man arglos dem großen Verrathe der Polen entgegen. Ein genialer, seiner Macht sicherer Staatsmann darf wohl zuweilen abweichen von der alten Regel, daß die Staatsgewalt sich auf ihre Freunde, nicht auf ihre Feinde stützen soll. Eine schwache Regierung verräth nur ihre eigene Haltlosigkeit, wenn sie in kurzsichtiger Ueberschlauheit unbelehrbaren Gegnern zu schmeicheln versucht. So geschah es hier: die Polen wurden nicht gewonnen, die treuen Deutschen aber fühlten sich wie verrathen und
*) Schreiben des Justizministeriums an Rochow, 16. Oct. 1840.
**) Weisung des Auswärtigen Amts an Arnim in Paris, 8. Juni 1841. Vgl. IV. 62.
***) König Friedrich Wilhelm an Thile, Posen, 25. Juni 1842.
Gährung in Poſen.
den ſeine Standesgenoſſen wegen ſeines guten Einvernehmens mit den Deutſchen beargwöhnten, warnte nachdrücklich, dieſe beiden Nationen ſollten wohl friedlich neben einander leben doch niemals ſich vermiſchen. Unter ſich waren die Polen keineswegs einig. Neben den Geheimbünden des Adels bildete ſich ein radikaler Verein unter den Gewerbtreibenden der Provinzialhauptſtadt und einem Theile jener müſſigen Händler und Schenk- wirthe, welche in den kleinen Städten den fehlenden Handwerkerſtand vertraten; ſeine von Dr. Libelt herausgegebene Zeitſchrift, das Jahr, ſtand den Lehren des Communismus nahe. Gegen die Deutſchen aber hielten alle Parteien zuſammen. Schon wurde die Loſung ausgegeben, man dürfe nur bei Landsleuten kaufen, und in Poſen ein Bazar auf Aktien gegründet, deſſen Läden die Geſellſchaft ausſchließlich an Polen vermiethete; auch für ein polniſches Theater ward geſammelt.
In Folge der beſtändigen Warnungen der ruſſiſchen Geſandtſchaft erhielten die Landräthe den Befehl, auf die geheimen Umtriebe der Polen ſcharf aufzumerken. Da ſich indeſſen die moskowitiſchen Berichte zum Theil als falſch oder übertrieben erwieſen, ſo ließ ſich die deutſche Gutmüthigkeit bald wieder einſchläfern. Ein berüchtigter Agent der Propaganda Trzemski wurde, als man ihn nach Jahren endlich einfing, wieder losgegeben, weil er ſich auf die Amneſtie des neuen Königs berief;*) und über den gefähr- lichſten aller Preußenfeinde des Landes, Titus Dzialynski urtheilte das Auswärtige Amt unſchuldig: dieſer Graf ſei viel zu vornehm zum Ver- ſchwörer.**) Harmloſer noch als ſeine Beamten war der König ſelbſt. Als er im Sommer 1842 auf der Durchreiſe Poſen berührte, da ließ er ſich, wie man ſagte, durch die Bitten der Radziwills bewegen, dort einige Tage zu verweilen, und die Polen bereiteten ihm eine jener lärmenden Hul- digungen, welche der ſlawiſchen Leichtlebigkeit gar nichts koſten. Entzückt ſchilderte er, wie man ihn über alle Erwartung gut empfangen und wie er beim Feſtmahle 205, meiſt adliche Magen habe füllen müſſen.***) Nach dem kurzen Aufenthalte verlieh er zum Abſchied noch 55 Orden an dieſe ungetreue Provinz, die er ſchon bei der Königsberger Huldigung mit Aus- zeichnungen überſchüttet hatte; ſelbſt Dunin wurde durch einen Orden geehrt. Dergeſtalt trieb man arglos dem großen Verrathe der Polen entgegen. Ein genialer, ſeiner Macht ſicherer Staatsmann darf wohl zuweilen abweichen von der alten Regel, daß die Staatsgewalt ſich auf ihre Freunde, nicht auf ihre Feinde ſtützen ſoll. Eine ſchwache Regierung verräth nur ihre eigene Haltloſigkeit, wenn ſie in kurzſichtiger Ueberſchlauheit unbelehrbaren Gegnern zu ſchmeicheln verſucht. So geſchah es hier: die Polen wurden nicht gewonnen, die treuen Deutſchen aber fühlten ſich wie verrathen und
*) Schreiben des Juſtizminiſteriums an Rochow, 16. Oct. 1840.
**) Weiſung des Auswärtigen Amts an Arnim in Paris, 8. Juni 1841. Vgl. IV. 62.
***) König Friedrich Wilhelm an Thile, Poſen, 25. Juni 1842.
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Deutſchen beargwöhnten, warnte nachdrücklich, dieſe beiden Nationen ſollten
wohl friedlich neben einander leben doch niemals ſich vermiſchen. Unter
ſich waren die Polen keineswegs einig. Neben den Geheimbünden des
Adels bildete ſich ein radikaler Verein unter den Gewerbtreibenden der
Provinzialhauptſtadt und einem Theile jener müſſigen Händler und Schenk-
wirthe, welche in den kleinen Städten den fehlenden Handwerkerſtand
vertraten; ſeine von Dr. Libelt herausgegebene Zeitſchrift, das Jahr, ſtand
den Lehren des Communismus nahe. Gegen die Deutſchen aber hielten
alle Parteien zuſammen. Schon wurde die Loſung ausgegeben, man
dürfe nur bei Landsleuten kaufen, und in Poſen ein Bazar auf Aktien
gegründet, deſſen Läden die Geſellſchaft ausſchließlich an Polen vermiethete;
auch für ein polniſches Theater ward geſammelt.
In Folge der beſtändigen Warnungen der ruſſiſchen Geſandtſchaft
erhielten die Landräthe den Befehl, auf die geheimen Umtriebe der Polen
ſcharf aufzumerken. Da ſich indeſſen die moskowitiſchen Berichte zum Theil
als falſch oder übertrieben erwieſen, ſo ließ ſich die deutſche Gutmüthigkeit
bald wieder einſchläfern. Ein berüchtigter Agent der Propaganda Trzemski
wurde, als man ihn nach Jahren endlich einfing, wieder losgegeben, weil
er ſich auf die Amneſtie des neuen Königs berief; *) und über den gefähr-
lichſten aller Preußenfeinde des Landes, Titus Dzialynski urtheilte das
Auswärtige Amt unſchuldig: dieſer Graf ſei viel zu vornehm zum Ver-
ſchwörer. **) Harmloſer noch als ſeine Beamten war der König ſelbſt. Als
er im Sommer 1842 auf der Durchreiſe Poſen berührte, da ließ er ſich,
wie man ſagte, durch die Bitten der Radziwills bewegen, dort einige Tage
zu verweilen, und die Polen bereiteten ihm eine jener lärmenden Hul-
digungen, welche der ſlawiſchen Leichtlebigkeit gar nichts koſten. Entzückt
ſchilderte er, wie man ihn über alle Erwartung gut empfangen und wie
er beim Feſtmahle 205, meiſt adliche Magen habe füllen müſſen. ***) Nach
dem kurzen Aufenthalte verlieh er zum Abſchied noch 55 Orden an dieſe
ungetreue Provinz, die er ſchon bei der Königsberger Huldigung mit Aus-
zeichnungen überſchüttet hatte; ſelbſt Dunin wurde durch einen Orden geehrt.
Dergeſtalt trieb man arglos dem großen Verrathe der Polen entgegen. Ein
genialer, ſeiner Macht ſicherer Staatsmann darf wohl zuweilen abweichen
von der alten Regel, daß die Staatsgewalt ſich auf ihre Freunde, nicht
auf ihre Feinde ſtützen ſoll. Eine ſchwache Regierung verräth nur ihre
eigene Haltloſigkeit, wenn ſie in kurzſichtiger Ueberſchlauheit unbelehrbaren
Gegnern zu ſchmeicheln verſucht. So geſchah es hier: die Polen wurden
nicht gewonnen, die treuen Deutſchen aber fühlten ſich wie verrathen und
*) Schreiben des Juſtizminiſteriums an Rochow, 16. Oct. 1840.
**) Weiſung des Auswärtigen Amts an Arnim in Paris, 8. Juni 1841. Vgl.
IV. 62.
***) König Friedrich Wilhelm an Thile, Poſen, 25. Juni 1842.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/167>, abgerufen am 23.11.2024.
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