Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889.

Bild:
<< vorherige Seite

Federkrieg der Sieben.
ten die Sieben auch von Baiern und Baden wenig erwarten seit dort die
clericale Luft wehte. Der gütige König Friedrich August von Sachsen
dagegen und seine Minister wünschten lebhaft, die zur Zeit etwas erstarrte
Landesuniversität durch eine großartige Verstärkung der Lehrkräfte zu heben
-- wenn sie sich nur nicht vor der Grobheit des Welfen, vor dem Un-
willen der Hofburg gar so sehr gefürchtet hätten. Wie viele diplomatische
Widerwärtigkeiten hatte Minister Lindenau noch vor drei Jahren ertragen
müssen, als ihm die Zeitungen eine halb erfundene radicale Aeußerung in
den Mund gelegt hatten.*) Solche Erfahrungen genügten, um den ab-
hängigen kleinen Hof behutsam zu stimmen. Man sagte den Sieben in
Dresden freundliche, unzweifelhaft ehrlich gemeinte Worte, allein man
wagte nichts, und zornig schrieb Dahlmann in der Vorrede zu Albrecht's
Vertheidigungsschrift: "So lange es bei uns nicht in politischen Dingen,
wie seit dem Religionsfrieden Gottlob in den kirchlichen, ein lebendiges
Nebeneinander der Glaubensbekenntnisse giebt, [so lange die das beste Ge-
wissen haben könnten sich gebährden als ob sie das schlechteste hätten, so
lange der feigherzigste Vorwand genügt um nur Alles abzuweisen was an
dem trägen Polster der Ruhe rütteln könnte,] ebenso lange giebt es keinen
Boden in Deutschland, auf dem Einer aufrecht stehend die reifen Früchte
politischer Bildung pflücken könnte." Die eingeklammerten Worte strich
ihm der Leipziger Censor, Professor Bülau, ein geistloser Vielschreiber, der
den Sieben nicht an die Schultern heranreichte und ihnen nun wie Schul-
buben das Concept corrigirte. Zu solchem Aberwitz führte das Karlsbader
Preßgesetz.

Nach langen Erwägungen erhielt Albrecht in der Stille die Erlaub-
niß, an der Leipziger Universität Vorlesungen zu halten; nachher empfing
er auch Gehalt, als geheimer Professor, wie die Collegen spotteten, und
erst nach längerer Zeit, als die Luft wieder rein war, wurde er förmlich
angestellt. Dahlmann freilich schien den Kursachsen zu gefährlich; der
politische Führer der Sieben lebte fortan mehrere Jahre lang ohne Amt
in Jena und leitete von dort aus unverdrossen den Federkrieg wider die
hannöverschen Gewalthaber. Unter allen deutschen Fürsten wagte allein
König Wilhelm von Württemberg dem Welfen offen entgegenzutreten. Er
berief Ewald nach Tübingen, der als der einzige geborene Hannoveraner
unter den Sieben dem welfischen Hofe besonders verhaßt war. Natürlich
verbot Ernst August seinen Landeskindern sofort den Besuch der schwäbischen
Hochschule. Als die beiden Könige nachher in Berlin zusammentrafen,
fragte der Welfe grob: Warum haben Sie einen Professor angestellt, den
ich fortgejagt habe? Darauf der Württemberger: "Ebendeswegen!"**)

Der welfische Staatsstreich rüttelte die halb entschlummerte öffentliche

*) Schreiben des k. sächs. Min. d. a. A. an den Gesandten v. Uechtritz in Wien,
3. Nov. 1834 u. s. w.
**) Wangenheim an Hartmann, 13. April 1839.

Federkrieg der Sieben.
ten die Sieben auch von Baiern und Baden wenig erwarten ſeit dort die
clericale Luft wehte. Der gütige König Friedrich Auguſt von Sachſen
dagegen und ſeine Miniſter wünſchten lebhaft, die zur Zeit etwas erſtarrte
Landesuniverſität durch eine großartige Verſtärkung der Lehrkräfte zu heben
— wenn ſie ſich nur nicht vor der Grobheit des Welfen, vor dem Un-
willen der Hofburg gar ſo ſehr gefürchtet hätten. Wie viele diplomatiſche
Widerwärtigkeiten hatte Miniſter Lindenau noch vor drei Jahren ertragen
müſſen, als ihm die Zeitungen eine halb erfundene radicale Aeußerung in
den Mund gelegt hatten.*) Solche Erfahrungen genügten, um den ab-
hängigen kleinen Hof behutſam zu ſtimmen. Man ſagte den Sieben in
Dresden freundliche, unzweifelhaft ehrlich gemeinte Worte, allein man
wagte nichts, und zornig ſchrieb Dahlmann in der Vorrede zu Albrecht’s
Vertheidigungsſchrift: „So lange es bei uns nicht in politiſchen Dingen,
wie ſeit dem Religionsfrieden Gottlob in den kirchlichen, ein lebendiges
Nebeneinander der Glaubensbekenntniſſe giebt, [ſo lange die das beſte Ge-
wiſſen haben könnten ſich gebährden als ob ſie das ſchlechteſte hätten, ſo
lange der feigherzigſte Vorwand genügt um nur Alles abzuweiſen was an
dem trägen Polſter der Ruhe rütteln könnte,] ebenſo lange giebt es keinen
Boden in Deutſchland, auf dem Einer aufrecht ſtehend die reifen Früchte
politiſcher Bildung pflücken könnte.“ Die eingeklammerten Worte ſtrich
ihm der Leipziger Cenſor, Profeſſor Bülau, ein geiſtloſer Vielſchreiber, der
den Sieben nicht an die Schultern heranreichte und ihnen nun wie Schul-
buben das Concept corrigirte. Zu ſolchem Aberwitz führte das Karlsbader
Preßgeſetz.

Nach langen Erwägungen erhielt Albrecht in der Stille die Erlaub-
niß, an der Leipziger Univerſität Vorleſungen zu halten; nachher empfing
er auch Gehalt, als geheimer Profeſſor, wie die Collegen ſpotteten, und
erſt nach längerer Zeit, als die Luft wieder rein war, wurde er förmlich
angeſtellt. Dahlmann freilich ſchien den Kurſachſen zu gefährlich; der
politiſche Führer der Sieben lebte fortan mehrere Jahre lang ohne Amt
in Jena und leitete von dort aus unverdroſſen den Federkrieg wider die
hannöverſchen Gewalthaber. Unter allen deutſchen Fürſten wagte allein
König Wilhelm von Württemberg dem Welfen offen entgegenzutreten. Er
berief Ewald nach Tübingen, der als der einzige geborene Hannoveraner
unter den Sieben dem welfiſchen Hofe beſonders verhaßt war. Natürlich
verbot Ernſt Auguſt ſeinen Landeskindern ſofort den Beſuch der ſchwäbiſchen
Hochſchule. Als die beiden Könige nachher in Berlin zuſammentrafen,
fragte der Welfe grob: Warum haben Sie einen Profeſſor angeſtellt, den
ich fortgejagt habe? Darauf der Württemberger: „Ebendeswegen!“**)

Der welfiſche Staatsſtreich rüttelte die halb entſchlummerte öffentliche

*) Schreiben des k. ſächſ. Min. d. a. A. an den Geſandten v. Uechtritz in Wien,
3. Nov. 1834 u. ſ. w.
**) Wangenheim an Hartmann, 13. April 1839.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0679" n="665"/><fw place="top" type="header">Federkrieg der Sieben.</fw><lb/>
ten die Sieben auch von Baiern und Baden wenig erwarten &#x017F;eit dort die<lb/>
clericale Luft wehte. Der gütige König Friedrich Augu&#x017F;t von Sach&#x017F;en<lb/>
dagegen und &#x017F;eine Mini&#x017F;ter wün&#x017F;chten lebhaft, die zur Zeit etwas er&#x017F;tarrte<lb/>
Landesuniver&#x017F;ität durch eine großartige Ver&#x017F;tärkung der Lehrkräfte zu heben<lb/>
&#x2014; wenn &#x017F;ie &#x017F;ich nur nicht vor der Grobheit des Welfen, vor dem Un-<lb/>
willen der Hofburg gar &#x017F;o &#x017F;ehr gefürchtet hätten. Wie viele diplomati&#x017F;che<lb/>
Widerwärtigkeiten hatte Mini&#x017F;ter Lindenau noch vor drei Jahren ertragen<lb/>&#x017F;&#x017F;en, als ihm die Zeitungen eine halb erfundene radicale Aeußerung in<lb/>
den Mund gelegt hatten.<note place="foot" n="*)">Schreiben des k. &#x017F;äch&#x017F;. Min. d. a. A. an den Ge&#x017F;andten v. Uechtritz in Wien,<lb/>
3. Nov. 1834 u. &#x017F;. w.</note> Solche Erfahrungen genügten, um den ab-<lb/>
hängigen kleinen Hof behut&#x017F;am zu &#x017F;timmen. Man &#x017F;agte den Sieben in<lb/>
Dresden freundliche, unzweifelhaft ehrlich gemeinte Worte, allein man<lb/>
wagte nichts, und zornig &#x017F;chrieb Dahlmann in der Vorrede zu Albrecht&#x2019;s<lb/>
Vertheidigungs&#x017F;chrift: &#x201E;So lange es bei uns nicht in politi&#x017F;chen Dingen,<lb/>
wie &#x017F;eit dem Religionsfrieden Gottlob in den kirchlichen, ein lebendiges<lb/>
Nebeneinander der Glaubensbekenntni&#x017F;&#x017F;e giebt, [&#x017F;o lange die das be&#x017F;te Ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en haben könnten &#x017F;ich gebährden als ob &#x017F;ie das &#x017F;chlechte&#x017F;te hätten, &#x017F;o<lb/>
lange der feigherzig&#x017F;te Vorwand genügt um nur Alles abzuwei&#x017F;en was an<lb/>
dem trägen Pol&#x017F;ter der Ruhe rütteln könnte,] eben&#x017F;o lange giebt es keinen<lb/>
Boden in Deut&#x017F;chland, auf dem Einer aufrecht &#x017F;tehend die reifen Früchte<lb/>
politi&#x017F;cher Bildung pflücken könnte.&#x201C; Die eingeklammerten Worte &#x017F;trich<lb/>
ihm der Leipziger Cen&#x017F;or, Profe&#x017F;&#x017F;or Bülau, ein gei&#x017F;tlo&#x017F;er Viel&#x017F;chreiber, der<lb/>
den Sieben nicht an die Schultern heranreichte und ihnen nun wie Schul-<lb/>
buben das Concept corrigirte. Zu &#x017F;olchem Aberwitz führte das Karlsbader<lb/>
Preßge&#x017F;etz.</p><lb/>
          <p>Nach langen Erwägungen erhielt Albrecht in der Stille die Erlaub-<lb/>
niß, an der Leipziger Univer&#x017F;ität Vorle&#x017F;ungen zu halten; nachher empfing<lb/>
er auch Gehalt, als geheimer Profe&#x017F;&#x017F;or, wie die Collegen &#x017F;potteten, und<lb/>
er&#x017F;t nach längerer Zeit, als die Luft wieder rein war, wurde er förmlich<lb/>
ange&#x017F;tellt. Dahlmann freilich &#x017F;chien den Kur&#x017F;ach&#x017F;en zu gefährlich; der<lb/>
politi&#x017F;che Führer der Sieben lebte fortan mehrere Jahre lang ohne Amt<lb/>
in Jena und leitete von dort aus unverdro&#x017F;&#x017F;en den Federkrieg wider die<lb/>
hannöver&#x017F;chen Gewalthaber. Unter allen deut&#x017F;chen Für&#x017F;ten wagte allein<lb/>
König Wilhelm von Württemberg dem Welfen offen entgegenzutreten. Er<lb/>
berief Ewald nach Tübingen, der als der einzige geborene Hannoveraner<lb/>
unter den Sieben dem welfi&#x017F;chen Hofe be&#x017F;onders verhaßt war. Natürlich<lb/>
verbot Ern&#x017F;t Augu&#x017F;t &#x017F;einen Landeskindern &#x017F;ofort den Be&#x017F;uch der &#x017F;chwäbi&#x017F;chen<lb/>
Hoch&#x017F;chule. Als die beiden Könige nachher in Berlin zu&#x017F;ammentrafen,<lb/>
fragte der Welfe grob: Warum haben Sie einen Profe&#x017F;&#x017F;or ange&#x017F;tellt, den<lb/>
ich fortgejagt habe? Darauf der Württemberger: &#x201E;Ebendeswegen!&#x201C;<note place="foot" n="**)">Wangenheim an Hartmann, 13. April 1839.</note></p><lb/>
          <p>Der welfi&#x017F;che Staats&#x017F;treich rüttelte die halb ent&#x017F;chlummerte öffentliche<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[665/0679] Federkrieg der Sieben. ten die Sieben auch von Baiern und Baden wenig erwarten ſeit dort die clericale Luft wehte. Der gütige König Friedrich Auguſt von Sachſen dagegen und ſeine Miniſter wünſchten lebhaft, die zur Zeit etwas erſtarrte Landesuniverſität durch eine großartige Verſtärkung der Lehrkräfte zu heben — wenn ſie ſich nur nicht vor der Grobheit des Welfen, vor dem Un- willen der Hofburg gar ſo ſehr gefürchtet hätten. Wie viele diplomatiſche Widerwärtigkeiten hatte Miniſter Lindenau noch vor drei Jahren ertragen müſſen, als ihm die Zeitungen eine halb erfundene radicale Aeußerung in den Mund gelegt hatten. *) Solche Erfahrungen genügten, um den ab- hängigen kleinen Hof behutſam zu ſtimmen. Man ſagte den Sieben in Dresden freundliche, unzweifelhaft ehrlich gemeinte Worte, allein man wagte nichts, und zornig ſchrieb Dahlmann in der Vorrede zu Albrecht’s Vertheidigungsſchrift: „So lange es bei uns nicht in politiſchen Dingen, wie ſeit dem Religionsfrieden Gottlob in den kirchlichen, ein lebendiges Nebeneinander der Glaubensbekenntniſſe giebt, [ſo lange die das beſte Ge- wiſſen haben könnten ſich gebährden als ob ſie das ſchlechteſte hätten, ſo lange der feigherzigſte Vorwand genügt um nur Alles abzuweiſen was an dem trägen Polſter der Ruhe rütteln könnte,] ebenſo lange giebt es keinen Boden in Deutſchland, auf dem Einer aufrecht ſtehend die reifen Früchte politiſcher Bildung pflücken könnte.“ Die eingeklammerten Worte ſtrich ihm der Leipziger Cenſor, Profeſſor Bülau, ein geiſtloſer Vielſchreiber, der den Sieben nicht an die Schultern heranreichte und ihnen nun wie Schul- buben das Concept corrigirte. Zu ſolchem Aberwitz führte das Karlsbader Preßgeſetz. Nach langen Erwägungen erhielt Albrecht in der Stille die Erlaub- niß, an der Leipziger Univerſität Vorleſungen zu halten; nachher empfing er auch Gehalt, als geheimer Profeſſor, wie die Collegen ſpotteten, und erſt nach längerer Zeit, als die Luft wieder rein war, wurde er förmlich angeſtellt. Dahlmann freilich ſchien den Kurſachſen zu gefährlich; der politiſche Führer der Sieben lebte fortan mehrere Jahre lang ohne Amt in Jena und leitete von dort aus unverdroſſen den Federkrieg wider die hannöverſchen Gewalthaber. Unter allen deutſchen Fürſten wagte allein König Wilhelm von Württemberg dem Welfen offen entgegenzutreten. Er berief Ewald nach Tübingen, der als der einzige geborene Hannoveraner unter den Sieben dem welfiſchen Hofe beſonders verhaßt war. Natürlich verbot Ernſt Auguſt ſeinen Landeskindern ſofort den Beſuch der ſchwäbiſchen Hochſchule. Als die beiden Könige nachher in Berlin zuſammentrafen, fragte der Welfe grob: Warum haben Sie einen Profeſſor angeſtellt, den ich fortgejagt habe? Darauf der Württemberger: „Ebendeswegen!“ **) Der welfiſche Staatsſtreich rüttelte die halb entſchlummerte öffentliche *) Schreiben des k. ſächſ. Min. d. a. A. an den Geſandten v. Uechtritz in Wien, 3. Nov. 1834 u. ſ. w. **) Wangenheim an Hartmann, 13. April 1839.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/679
Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 665. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/679>, abgerufen am 24.11.2024.