dem König Otto seine Volljährigkeit erlangt, wurde die Regentschaft auf- gelöst, und Armansperg trat als Großkanzler an die Spitze eines helle- nischen Ministeriums, er legte aber seine Würde bald entmuthigt nieder. Auch sein Nachfolger Ignaz Rudhart, der beliebte liberale Landtagsredner, gab schon nach Jahresfrist das undankbare Amt auf (1837), obgleich er sich unter allen den bairischen Staatsmännern, die in Griechenland wirkten, am besten bewährte und gegen den anmaßenden englischen Gesandten manchen Strauß tapfer bestand. Er starb auf der Heimreise. Der Traum vom bairischen Hellas war ausgeträumt, König Otto regierte fortan allein mit griechischen Beamten. Baierns Finanzen hatten freilich durch die wittels- bachischen Großmachtsträume schwere Einbußen erlitten. Wie viel? -- das wußte Niemand genau, da der König die Erübrigungen des Staatshaushalts sich zur freien Verfügung vorbehielt. Gewiß ist nur, daß nach und nach sehr bedeutende Vorschüsse, mindestens 4--5 Mill. Franken, an Griechenland gegeben wurden; einen Rest, der schließlich ungedeckt blieb, bezahlte König Ludwig noch nach seiner Abdankung ehrenhaft aus seiner eigenen Tasche. Als der Pfälzer Kolb zwei geharnischte Flugschriften wider dies sonderbare constitutionelle Finanzwesen hinaussandte, wurden beide Büchlein sofort verboten.
Mittlerweile trat der Landtag im Jahre 1837 nochmals zusammen, und Alles ließ sich wieder so friedlich an wie vor drei Jahren. Als der neue Finanzminister Wirschinger aber den Etat vorlegte, da mußten auch die Arglosen erkennen, daß die Einnahmen zu niedrig berechnet waren. Die Einkünfte aus dem Zollvereine stimmten schlechterdings nicht überein mit den richtigen Angaben, welche die Regierungen von Sachsen, Hessen, Württemberg ihren Landtagen gemacht hatten. Die Kammer entschloß sich also die Einnahmen, mit Zurechnung einiger der beliebten "Erübrigungen" um etwa 1/2 Mill. fl. höher anzusetzen, sie erhöhte demgemäß auch die Aus- gaben für die Schulen und die sündlich vernachlässigten Landstraßen. Das Verfahren war ungewöhnlich, doch selbst der gefügige Wallerstein konnte nicht umhin zu gestehen, daß die Abgeordneten nur ihre Pflicht gethan hätten. Der König aber fühlte sich tief beleidigt, und Metternich, der im Juli München besuchte, bestärkte ihn in seinem Grolle, wie der preußische Gesandte nachher von guter Hand erfuhr.*) Ludwig war tief verstimmt über sein mißrathenes griechisches Unternehmen; nichts gelang ihm, überall glaubte er verkannt zu werden. In der That behandelte ihn die liberale Presse zuweilen ungerecht. Als er in diesen Tagen auf den glücklichen Einfall gerieth, die abgeschmackten französischen Departements-Namen Donaukreis und Rezatkreis zu beseitigen und die althistorischen Stammes- namen Schwaben, Pfalz, Niederbaiern wieder einzuführen -- ein Ent- schluß, der wieder durch einen Geschichtsthaler verherrlicht wurde -- da
*) Dönhoff's Berichte, 1. 11. März 1838.
Treitschke, Deutsche Geschichte. IV. 41
Sturz des Miniſteriums Wallerſtein.
dem König Otto ſeine Volljährigkeit erlangt, wurde die Regentſchaft auf- gelöſt, und Armansperg trat als Großkanzler an die Spitze eines helle- niſchen Miniſteriums, er legte aber ſeine Würde bald entmuthigt nieder. Auch ſein Nachfolger Ignaz Rudhart, der beliebte liberale Landtagsredner, gab ſchon nach Jahresfriſt das undankbare Amt auf (1837), obgleich er ſich unter allen den bairiſchen Staatsmännern, die in Griechenland wirkten, am beſten bewährte und gegen den anmaßenden engliſchen Geſandten manchen Strauß tapfer beſtand. Er ſtarb auf der Heimreiſe. Der Traum vom bairiſchen Hellas war ausgeträumt, König Otto regierte fortan allein mit griechiſchen Beamten. Baierns Finanzen hatten freilich durch die wittels- bachiſchen Großmachtsträume ſchwere Einbußen erlitten. Wie viel? — das wußte Niemand genau, da der König die Erübrigungen des Staatshaushalts ſich zur freien Verfügung vorbehielt. Gewiß iſt nur, daß nach und nach ſehr bedeutende Vorſchüſſe, mindeſtens 4—5 Mill. Franken, an Griechenland gegeben wurden; einen Reſt, der ſchließlich ungedeckt blieb, bezahlte König Ludwig noch nach ſeiner Abdankung ehrenhaft aus ſeiner eigenen Taſche. Als der Pfälzer Kolb zwei geharniſchte Flugſchriften wider dies ſonderbare conſtitutionelle Finanzweſen hinausſandte, wurden beide Büchlein ſofort verboten.
Mittlerweile trat der Landtag im Jahre 1837 nochmals zuſammen, und Alles ließ ſich wieder ſo friedlich an wie vor drei Jahren. Als der neue Finanzminiſter Wirſchinger aber den Etat vorlegte, da mußten auch die Argloſen erkennen, daß die Einnahmen zu niedrig berechnet waren. Die Einkünfte aus dem Zollvereine ſtimmten ſchlechterdings nicht überein mit den richtigen Angaben, welche die Regierungen von Sachſen, Heſſen, Württemberg ihren Landtagen gemacht hatten. Die Kammer entſchloß ſich alſo die Einnahmen, mit Zurechnung einiger der beliebten „Erübrigungen“ um etwa ½ Mill. fl. höher anzuſetzen, ſie erhöhte demgemäß auch die Aus- gaben für die Schulen und die ſündlich vernachläſſigten Landſtraßen. Das Verfahren war ungewöhnlich, doch ſelbſt der gefügige Wallerſtein konnte nicht umhin zu geſtehen, daß die Abgeordneten nur ihre Pflicht gethan hätten. Der König aber fühlte ſich tief beleidigt, und Metternich, der im Juli München beſuchte, beſtärkte ihn in ſeinem Grolle, wie der preußiſche Geſandte nachher von guter Hand erfuhr.*) Ludwig war tief verſtimmt über ſein mißrathenes griechiſches Unternehmen; nichts gelang ihm, überall glaubte er verkannt zu werden. In der That behandelte ihn die liberale Preſſe zuweilen ungerecht. Als er in dieſen Tagen auf den glücklichen Einfall gerieth, die abgeſchmackten franzöſiſchen Departements-Namen Donaukreis und Rezatkreis zu beſeitigen und die althiſtoriſchen Stammes- namen Schwaben, Pfalz, Niederbaiern wieder einzuführen — ein Ent- ſchluß, der wieder durch einen Geſchichtsthaler verherrlicht wurde — da
*) Dönhoff’s Berichte, 1. 11. März 1838.
Treitſchke, Deutſche Geſchichte. IV. 41
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Sturz des Miniſteriums Wallerſtein.
dem König Otto ſeine Volljährigkeit erlangt, wurde die Regentſchaft auf-
gelöſt, und Armansperg trat als Großkanzler an die Spitze eines helle-
niſchen Miniſteriums, er legte aber ſeine Würde bald entmuthigt nieder.
Auch ſein Nachfolger Ignaz Rudhart, der beliebte liberale Landtagsredner,
gab ſchon nach Jahresfriſt das undankbare Amt auf (1837), obgleich er ſich
unter allen den bairiſchen Staatsmännern, die in Griechenland wirkten, am
beſten bewährte und gegen den anmaßenden engliſchen Geſandten manchen
Strauß tapfer beſtand. Er ſtarb auf der Heimreiſe. Der Traum vom
bairiſchen Hellas war ausgeträumt, König Otto regierte fortan allein mit
griechiſchen Beamten. Baierns Finanzen hatten freilich durch die wittels-
bachiſchen Großmachtsträume ſchwere Einbußen erlitten. Wie viel? — das
wußte Niemand genau, da der König die Erübrigungen des Staatshaushalts
ſich zur freien Verfügung vorbehielt. Gewiß iſt nur, daß nach und nach
ſehr bedeutende Vorſchüſſe, mindeſtens 4—5 Mill. Franken, an Griechenland
gegeben wurden; einen Reſt, der ſchließlich ungedeckt blieb, bezahlte König
Ludwig noch nach ſeiner Abdankung ehrenhaft aus ſeiner eigenen Taſche.
Als der Pfälzer Kolb zwei geharniſchte Flugſchriften wider dies ſonderbare
conſtitutionelle Finanzweſen hinausſandte, wurden beide Büchlein ſofort
verboten.
Mittlerweile trat der Landtag im Jahre 1837 nochmals zuſammen,
und Alles ließ ſich wieder ſo friedlich an wie vor drei Jahren. Als der
neue Finanzminiſter Wirſchinger aber den Etat vorlegte, da mußten auch
die Argloſen erkennen, daß die Einnahmen zu niedrig berechnet waren.
Die Einkünfte aus dem Zollvereine ſtimmten ſchlechterdings nicht überein
mit den richtigen Angaben, welche die Regierungen von Sachſen, Heſſen,
Württemberg ihren Landtagen gemacht hatten. Die Kammer entſchloß ſich
alſo die Einnahmen, mit Zurechnung einiger der beliebten „Erübrigungen“
um etwa ½ Mill. fl. höher anzuſetzen, ſie erhöhte demgemäß auch die Aus-
gaben für die Schulen und die ſündlich vernachläſſigten Landſtraßen. Das
Verfahren war ungewöhnlich, doch ſelbſt der gefügige Wallerſtein konnte
nicht umhin zu geſtehen, daß die Abgeordneten nur ihre Pflicht gethan
hätten. Der König aber fühlte ſich tief beleidigt, und Metternich, der im
Juli München beſuchte, beſtärkte ihn in ſeinem Grolle, wie der preußiſche
Geſandte nachher von guter Hand erfuhr. *) Ludwig war tief verſtimmt
über ſein mißrathenes griechiſches Unternehmen; nichts gelang ihm, überall
glaubte er verkannt zu werden. In der That behandelte ihn die liberale
Preſſe zuweilen ungerecht. Als er in dieſen Tagen auf den glücklichen
Einfall gerieth, die abgeſchmackten franzöſiſchen Departements-Namen
Donaukreis und Rezatkreis zu beſeitigen und die althiſtoriſchen Stammes-
namen Schwaben, Pfalz, Niederbaiern wieder einzuführen — ein Ent-
ſchluß, der wieder durch einen Geſchichtsthaler verherrlicht wurde — da
*) Dönhoff’s Berichte, 1. 11. März 1838.
Treitſchke, Deutſche Geſchichte. IV. 41
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 641. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/655>, abgerufen am 23.07.2024.
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