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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889.

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IV. 8. Stille Jahre.
spotteten die Zeitungen über die romantischen Neigungen des Wittels-
bachers.

Sein Unmuth wuchs, als die Kammer, deren große Mehrheit aus
guten Katholiken bestand, in ehrerbietiger Form die Bitte aussprach, die
Krone möge mit der beständigen Vermehrung der Klöster endlich einhalten,
die Stiftungsgelder nicht mehr widerrechtlich für Klosterzwecke verwenden,
auch das Terminiren der Bettelmönche verbieten. Der stille Groll des
Landes über die wachsende Macht der Clericalen kam hier zum Durch-
bruch, und vergeblich suchte der kürzlich aus Griechenland heimgekehrte
Ministerialrath Abel mit ultramontanem Feuereifer den Antrag zu be-
kämpfen; sein Vorgesetzter Fürst Wallerstein gab deutlich zu verstehen, daß
er die Ansicht der Mehrheit theile. Nun riß dem Könige die Geduld; er
schloß sich ab, sprach und hörte Niemand. Wohin war es doch gekommen mit
dem begeisterten Fürsten, der sich einst rühmte über einem freien Volke zu
schalten! Im Ministerrathe mußte Wallerstein von seinem alten Gegner
dem Feldmarschall Wrede heftige Vorwürfe hören. Am 1. November er-
hielt er plötzlich den Abschied, unter Anerkennung "der Verdienste, die er
sich vor dem Landtage von 1837 erworben" habe. Abel wurde sein Nach-
folger. Die erste That des neuen Ministers war ein ungnädiger Land-
tagsabschied, der den Ständen "mancherlei Verirrungen in das Gebiet der
königlichen Rechte" vorwarf. So trat die clericale Partei zum ersten
male an das Staatsruder des Königreichs Baiern, und sie sorgte bald
selbst dafür, daß die Wiederkehr ihrer unvergeßlichen Herrschaft auf Jahr-
zehnte hinaus unmöglich ward. --


IV. 8. Stille Jahre.
ſpotteten die Zeitungen über die romantiſchen Neigungen des Wittels-
bachers.

Sein Unmuth wuchs, als die Kammer, deren große Mehrheit aus
guten Katholiken beſtand, in ehrerbietiger Form die Bitte ausſprach, die
Krone möge mit der beſtändigen Vermehrung der Klöſter endlich einhalten,
die Stiftungsgelder nicht mehr widerrechtlich für Kloſterzwecke verwenden,
auch das Terminiren der Bettelmönche verbieten. Der ſtille Groll des
Landes über die wachſende Macht der Clericalen kam hier zum Durch-
bruch, und vergeblich ſuchte der kürzlich aus Griechenland heimgekehrte
Miniſterialrath Abel mit ultramontanem Feuereifer den Antrag zu be-
kämpfen; ſein Vorgeſetzter Fürſt Wallerſtein gab deutlich zu verſtehen, daß
er die Anſicht der Mehrheit theile. Nun riß dem Könige die Geduld; er
ſchloß ſich ab, ſprach und hörte Niemand. Wohin war es doch gekommen mit
dem begeiſterten Fürſten, der ſich einſt rühmte über einem freien Volke zu
ſchalten! Im Miniſterrathe mußte Wallerſtein von ſeinem alten Gegner
dem Feldmarſchall Wrede heftige Vorwürfe hören. Am 1. November er-
hielt er plötzlich den Abſchied, unter Anerkennung „der Verdienſte, die er
ſich vor dem Landtage von 1837 erworben“ habe. Abel wurde ſein Nach-
folger. Die erſte That des neuen Miniſters war ein ungnädiger Land-
tagsabſchied, der den Ständen „mancherlei Verirrungen in das Gebiet der
königlichen Rechte“ vorwarf. So trat die clericale Partei zum erſten
male an das Staatsruder des Königreichs Baiern, und ſie ſorgte bald
ſelbſt dafür, daß die Wiederkehr ihrer unvergeßlichen Herrſchaft auf Jahr-
zehnte hinaus unmöglich ward. —


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[642/0656] IV. 8. Stille Jahre. ſpotteten die Zeitungen über die romantiſchen Neigungen des Wittels- bachers. Sein Unmuth wuchs, als die Kammer, deren große Mehrheit aus guten Katholiken beſtand, in ehrerbietiger Form die Bitte ausſprach, die Krone möge mit der beſtändigen Vermehrung der Klöſter endlich einhalten, die Stiftungsgelder nicht mehr widerrechtlich für Kloſterzwecke verwenden, auch das Terminiren der Bettelmönche verbieten. Der ſtille Groll des Landes über die wachſende Macht der Clericalen kam hier zum Durch- bruch, und vergeblich ſuchte der kürzlich aus Griechenland heimgekehrte Miniſterialrath Abel mit ultramontanem Feuereifer den Antrag zu be- kämpfen; ſein Vorgeſetzter Fürſt Wallerſtein gab deutlich zu verſtehen, daß er die Anſicht der Mehrheit theile. Nun riß dem Könige die Geduld; er ſchloß ſich ab, ſprach und hörte Niemand. Wohin war es doch gekommen mit dem begeiſterten Fürſten, der ſich einſt rühmte über einem freien Volke zu ſchalten! Im Miniſterrathe mußte Wallerſtein von ſeinem alten Gegner dem Feldmarſchall Wrede heftige Vorwürfe hören. Am 1. November er- hielt er plötzlich den Abſchied, unter Anerkennung „der Verdienſte, die er ſich vor dem Landtage von 1837 erworben“ habe. Abel wurde ſein Nach- folger. Die erſte That des neuen Miniſters war ein ungnädiger Land- tagsabſchied, der den Ständen „mancherlei Verirrungen in das Gebiet der königlichen Rechte“ vorwarf. So trat die clericale Partei zum erſten male an das Staatsruder des Königreichs Baiern, und ſie ſorgte bald ſelbſt dafür, daß die Wiederkehr ihrer unvergeßlichen Herrſchaft auf Jahr- zehnte hinaus unmöglich ward. —

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 642. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/656>, abgerufen am 24.11.2024.