spendete die Imperialen mit vollen Händen, sagte den Baiern überschwäng- liche Schmeicheleien, ließ in den Münchener Kunstwerkstätten großartige Einkäufe veranstalten, und fast schien es, als wolle er die anderen Fürstlich- keiten absichtlich verdunkeln. Sehr vernehmlich und ohne Zartgefühl gab Nikolaus zu erkennen, daß er die Hand des bairischen Kronprinzen für eine seiner Töchter wünsche. Kronprinz Max war eine zarte, sinnige Gelehrten- natur, er lebte ganz der Wissenschaft und zeigte, wie die meisten Wittels- bacher, wenig Sinn für das Kriegswesen; die Paradelust des Czaren wurde ihm ungemüthlich, und nach langen Verhandlungen gestand er mit deutschem Gradsinn: einen solchen Schwiegervater könne er sich nicht wünschen.*)
Das einzige Ergebniß der verunglückten Reise war eine überaus be- scheidene Heirath, die in den Kreisen der strengen Legitimisten gerechtes Befremden erregte. Eine Schwester der verschmähten Großfürstin verlobte sich mit dem Herzog von Leuchtenberg, einem Napoleoniden von zweifelhafter Ebenbürtigkeit. So traten die Beauharnais in das russische Kaiserhaus ein, und fortan galt am Petersburger Hofe der sonderbare Glaubenssatz, daß die Napoleons an dem legitimen Rechte weniger gefrevelt hätten als die Orleans; darum wurde auch der bisher so geringschätzig behandelte König von Schweden Bernadotte jetzt von Nikolaus geflissentlich ausge- zeichnet und sogar mit einem Besuche beehrt. Das zugleich anmaßende und zudringliche Wesen der Moskowiter hatte in Süddeutschland allgemein mißfallen; man athmete auf als die Gäste abzogen. Der preußische Ge- sandte Graf Dönhoff sprach sich darüber freimüthig aus, und der König belobte ihn ausdrücklich wegen seiner verständigen Berichte.**) Dem alten Herrn war bei dieser prunkenden Freier-Reise überhaupt nicht wohl zu Muthe. Er fand das Benehmen seines Schwiegersohnes taktlos und verbot seinem Thronfolger ausdrücklich nach Kreuth zu reisen. Er mißbilligte, daß Nikolaus sich so aufdringlich um die Freundschaft des Münchener Hofes bewarb, eben jetzt, da Preußen wegen der kirchlichen Wirren mit König Ludwig verfeindet war; und als nun gar seine Enkeltochter mit einem Beauharnais verlobt wurde, da fühlte er sich tief gekränkt, denn nirgends hatte der Name der Napoleoniden einen schlimmeren Klang als in Berlin. Dieser Hochzeit durfte keiner seiner Prinzen beiwohnen; er selbst ließ sich, zum Kummer des Czaren, nur durch seinen Flügeladju- tanten Major Brauchitsch vertreten.***) --
Alles in Allem war die Freundschaft der drei Ostmächte bei Weitem nicht mehr so innig wie zu Anfang der zwanziger Jahre. Gleichwohl ent- stand gerade in diesem Jahrzehnt die Legende von der Herrschaft Ruß- lands im Ostbunde; denn überall verlangt der politische Haß nach einem
ſpendete die Imperialen mit vollen Händen, ſagte den Baiern überſchwäng- liche Schmeicheleien, ließ in den Münchener Kunſtwerkſtätten großartige Einkäufe veranſtalten, und faſt ſchien es, als wolle er die anderen Fürſtlich- keiten abſichtlich verdunkeln. Sehr vernehmlich und ohne Zartgefühl gab Nikolaus zu erkennen, daß er die Hand des bairiſchen Kronprinzen für eine ſeiner Töchter wünſche. Kronprinz Max war eine zarte, ſinnige Gelehrten- natur, er lebte ganz der Wiſſenſchaft und zeigte, wie die meiſten Wittels- bacher, wenig Sinn für das Kriegsweſen; die Paradeluſt des Czaren wurde ihm ungemüthlich, und nach langen Verhandlungen geſtand er mit deutſchem Gradſinn: einen ſolchen Schwiegervater könne er ſich nicht wünſchen.*)
Das einzige Ergebniß der verunglückten Reiſe war eine überaus be- ſcheidene Heirath, die in den Kreiſen der ſtrengen Legitimiſten gerechtes Befremden erregte. Eine Schweſter der verſchmähten Großfürſtin verlobte ſich mit dem Herzog von Leuchtenberg, einem Napoleoniden von zweifelhafter Ebenbürtigkeit. So traten die Beauharnais in das ruſſiſche Kaiſerhaus ein, und fortan galt am Petersburger Hofe der ſonderbare Glaubensſatz, daß die Napoleons an dem legitimen Rechte weniger gefrevelt hätten als die Orleans; darum wurde auch der bisher ſo geringſchätzig behandelte König von Schweden Bernadotte jetzt von Nikolaus gefliſſentlich ausge- zeichnet und ſogar mit einem Beſuche beehrt. Das zugleich anmaßende und zudringliche Weſen der Moskowiter hatte in Süddeutſchland allgemein mißfallen; man athmete auf als die Gäſte abzogen. Der preußiſche Ge- ſandte Graf Dönhoff ſprach ſich darüber freimüthig aus, und der König belobte ihn ausdrücklich wegen ſeiner verſtändigen Berichte.**) Dem alten Herrn war bei dieſer prunkenden Freier-Reiſe überhaupt nicht wohl zu Muthe. Er fand das Benehmen ſeines Schwiegerſohnes taktlos und verbot ſeinem Thronfolger ausdrücklich nach Kreuth zu reiſen. Er mißbilligte, daß Nikolaus ſich ſo aufdringlich um die Freundſchaft des Münchener Hofes bewarb, eben jetzt, da Preußen wegen der kirchlichen Wirren mit König Ludwig verfeindet war; und als nun gar ſeine Enkeltochter mit einem Beauharnais verlobt wurde, da fühlte er ſich tief gekränkt, denn nirgends hatte der Name der Napoleoniden einen ſchlimmeren Klang als in Berlin. Dieſer Hochzeit durfte keiner ſeiner Prinzen beiwohnen; er ſelbſt ließ ſich, zum Kummer des Czaren, nur durch ſeinen Flügeladju- tanten Major Brauchitſch vertreten.***) —
Alles in Allem war die Freundſchaft der drei Oſtmächte bei Weitem nicht mehr ſo innig wie zu Anfang der zwanziger Jahre. Gleichwohl ent- ſtand gerade in dieſem Jahrzehnt die Legende von der Herrſchaft Ruß- lands im Oſtbunde; denn überall verlangt der politiſche Haß nach einem
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IV. 8. Stille Jahre.
ſpendete die Imperialen mit vollen Händen, ſagte den Baiern überſchwäng-
liche Schmeicheleien, ließ in den Münchener Kunſtwerkſtätten großartige
Einkäufe veranſtalten, und faſt ſchien es, als wolle er die anderen Fürſtlich-
keiten abſichtlich verdunkeln. Sehr vernehmlich und ohne Zartgefühl gab
Nikolaus zu erkennen, daß er die Hand des bairiſchen Kronprinzen für eine
ſeiner Töchter wünſche. Kronprinz Max war eine zarte, ſinnige Gelehrten-
natur, er lebte ganz der Wiſſenſchaft und zeigte, wie die meiſten Wittels-
bacher, wenig Sinn für das Kriegsweſen; die Paradeluſt des Czaren wurde
ihm ungemüthlich, und nach langen Verhandlungen geſtand er mit deutſchem
Gradſinn: einen ſolchen Schwiegervater könne er ſich nicht wünſchen. *)
Das einzige Ergebniß der verunglückten Reiſe war eine überaus be-
ſcheidene Heirath, die in den Kreiſen der ſtrengen Legitimiſten gerechtes
Befremden erregte. Eine Schweſter der verſchmähten Großfürſtin verlobte
ſich mit dem Herzog von Leuchtenberg, einem Napoleoniden von zweifelhafter
Ebenbürtigkeit. So traten die Beauharnais in das ruſſiſche Kaiſerhaus
ein, und fortan galt am Petersburger Hofe der ſonderbare Glaubensſatz,
daß die Napoleons an dem legitimen Rechte weniger gefrevelt hätten als
die Orleans; darum wurde auch der bisher ſo geringſchätzig behandelte
König von Schweden Bernadotte jetzt von Nikolaus gefliſſentlich ausge-
zeichnet und ſogar mit einem Beſuche beehrt. Das zugleich anmaßende
und zudringliche Weſen der Moskowiter hatte in Süddeutſchland allgemein
mißfallen; man athmete auf als die Gäſte abzogen. Der preußiſche Ge-
ſandte Graf Dönhoff ſprach ſich darüber freimüthig aus, und der König
belobte ihn ausdrücklich wegen ſeiner verſtändigen Berichte. **) Dem alten
Herrn war bei dieſer prunkenden Freier-Reiſe überhaupt nicht wohl zu
Muthe. Er fand das Benehmen ſeines Schwiegerſohnes taktlos und verbot
ſeinem Thronfolger ausdrücklich nach Kreuth zu reiſen. Er mißbilligte,
daß Nikolaus ſich ſo aufdringlich um die Freundſchaft des Münchener
Hofes bewarb, eben jetzt, da Preußen wegen der kirchlichen Wirren mit
König Ludwig verfeindet war; und als nun gar ſeine Enkeltochter mit
einem Beauharnais verlobt wurde, da fühlte er ſich tief gekränkt, denn
nirgends hatte der Name der Napoleoniden einen ſchlimmeren Klang als
in Berlin. Dieſer Hochzeit durfte keiner ſeiner Prinzen beiwohnen; er
ſelbſt ließ ſich, zum Kummer des Czaren, nur durch ſeinen Flügeladju-
tanten Major Brauchitſch vertreten. ***) —
Alles in Allem war die Freundſchaft der drei Oſtmächte bei Weitem
nicht mehr ſo innig wie zu Anfang der zwanziger Jahre. Gleichwohl ent-
ſtand gerade in dieſem Jahrzehnt die Legende von der Herrſchaft Ruß-
lands im Oſtbunde; denn überall verlangt der politiſche Haß nach einem
*) Dönhoff’s Berichte, 12. 16. 19. Aug., 17. Sept., 13. 20. Oct. Frankenberg’s
Bericht, 28. Aug. 1838.
**) Dönhoff’s Berichte, 14. 27. Nov. 1838.
***) Stockhauſen’s Bericht, 12. Aug. 1839.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 536. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/550>, abgerufen am 24.11.2024.
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