Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Triumvirat. Zweite Teplitzer Zusammenkunft.
grätz, ein strenger, hochmüthiger Soldat von hartconservativen Grundsätzen;
der hatte im Jahre 1831 den geheimen Auftrag erhalten, nöthigenfalls mit
einer Brigade in das aufrührerische Sachsen einzurücken, und erfreute sich
der besonderen Gunst des Czaren. Gleichwohl übte Rußland auf die innere
Verwaltung des Nachbarreichs durchaus keinen Einfluß. Geleitet von dem
greisen Triumvirate arbeitete die Maschine in der alten gedankenlosen
Weise weiter; Erzherzog Ludwig sagte mit türkischer Gelassenheit zu jedem
Reformvorschlage Nein, und ein strengeres Regiment, wie Nikolaus es
wünschte, wäre doch auch eine Neuerung gewesen.

Unterdessen versuchte Metternich nach wie vor den drei Monarchen als
Mentor zu dienen. Nachdem er im Jahre 1837 den König von Preußen
im Teplitzer Bade besucht hatte, wußte er's im Jahre darauf einzufädeln,
daß die beiden nordischen Herrscher wieder in Teplitz mit ihm zusammen-
trafen. Der arme Kaiser Ferdinand wurde ferngehalten, weil er das letzte
mal eine gar so armselige Rolle gespielt hatte, und zum Scheine durch
seinen Bruder Franz Karl vertreten.*) Hier wie bei allen diesen Zusammen-
künften wahrte man sorglich den Schein der Eintracht, und Metternich sagte
beim Abschied verbindlich zu dem Czaren: "wenn man in die eine Wag-
schale die russische Politik legte, in die andere die österreichische, so würde
das Zünglein nicht schwanken."**) In Wahrheit bestand der alte Gegensatz
fort. Die Friedenspolitik der beiden deutschen Mächte blieb dem Czaren
ein Greuel. Meine religiöse Erziehung, so betheuerte er dem preußischen
Minister Werther, hat mir einen tiefen Abscheu eingeflößt wider Alle, die
mit frevelnder Hand die geheiligten Rechte der legitimen Souveräne an-
tasten. Rußland ist so groß und reich, daß es sich um die ganze Welt
nicht zu kümmern braucht. Wenn ich es könnte, so würde ich mein Reich
mit einer Mauer umschließen. Aber die Anerkennung Ludwig Philipp's
war ein Fehler, nie werde ich ihn "Mein Bruder" nennen. Einmal, viel-
leicht erst unter dem Herzog von Orleans, wird ein Krieg der drei con-
servativen Mächte gegen das illegitime Frankreich doch nöthig werden. Für
jetzt haben wir zwei Dinge zu thun: die Revolution zu unterdrücken, und
zu verhindern, daß die neue Ordnung in Frankreich sich befestige! Dar-
auf erging er sich wieder in den gewohnten Zärtlichkeitsbetheuerungen: ich
liebe den König nicht nur wie ein Sohn, "ich verehre ihn auch, als wäre
ich sein Unterthan und er mein Souverän!" Der König ließ sich durch
diese plumpen Schmeicheleien nicht blenden, sondern sprach nachdrücklich sein
Bedauern aus über die unversöhnliche Gesinnung des Schwiegersohnes.***)

Nur in den orientalischen und den polnischen Händeln konnte Nikolaus
auf die unbedingte Unterstützung seiner Bundesgenossen rechnen. Obwohl

*) Maltzan's Berichte, Mai 1838.
**) Maltzan's Bericht, 5. Sept. 1838.
***) Werther's Bericht an den König, 31. Mai 1838 mit Randbemerkungen des
Königs. Werther an Maltzan, 6. Juni 1838.

Das Triumvirat. Zweite Teplitzer Zuſammenkunft.
grätz, ein ſtrenger, hochmüthiger Soldat von hartconſervativen Grundſätzen;
der hatte im Jahre 1831 den geheimen Auftrag erhalten, nöthigenfalls mit
einer Brigade in das aufrühreriſche Sachſen einzurücken, und erfreute ſich
der beſonderen Gunſt des Czaren. Gleichwohl übte Rußland auf die innere
Verwaltung des Nachbarreichs durchaus keinen Einfluß. Geleitet von dem
greiſen Triumvirate arbeitete die Maſchine in der alten gedankenloſen
Weiſe weiter; Erzherzog Ludwig ſagte mit türkiſcher Gelaſſenheit zu jedem
Reformvorſchlage Nein, und ein ſtrengeres Regiment, wie Nikolaus es
wünſchte, wäre doch auch eine Neuerung geweſen.

Unterdeſſen verſuchte Metternich nach wie vor den drei Monarchen als
Mentor zu dienen. Nachdem er im Jahre 1837 den König von Preußen
im Teplitzer Bade beſucht hatte, wußte er’s im Jahre darauf einzufädeln,
daß die beiden nordiſchen Herrſcher wieder in Teplitz mit ihm zuſammen-
trafen. Der arme Kaiſer Ferdinand wurde ferngehalten, weil er das letzte
mal eine gar ſo armſelige Rolle geſpielt hatte, und zum Scheine durch
ſeinen Bruder Franz Karl vertreten.*) Hier wie bei allen dieſen Zuſammen-
künften wahrte man ſorglich den Schein der Eintracht, und Metternich ſagte
beim Abſchied verbindlich zu dem Czaren: „wenn man in die eine Wag-
ſchale die ruſſiſche Politik legte, in die andere die öſterreichiſche, ſo würde
das Zünglein nicht ſchwanken.“**) In Wahrheit beſtand der alte Gegenſatz
fort. Die Friedenspolitik der beiden deutſchen Mächte blieb dem Czaren
ein Greuel. Meine religiöſe Erziehung, ſo betheuerte er dem preußiſchen
Miniſter Werther, hat mir einen tiefen Abſcheu eingeflößt wider Alle, die
mit frevelnder Hand die geheiligten Rechte der legitimen Souveräne an-
taſten. Rußland iſt ſo groß und reich, daß es ſich um die ganze Welt
nicht zu kümmern braucht. Wenn ich es könnte, ſo würde ich mein Reich
mit einer Mauer umſchließen. Aber die Anerkennung Ludwig Philipp’s
war ein Fehler, nie werde ich ihn „Mein Bruder“ nennen. Einmal, viel-
leicht erſt unter dem Herzog von Orleans, wird ein Krieg der drei con-
ſervativen Mächte gegen das illegitime Frankreich doch nöthig werden. Für
jetzt haben wir zwei Dinge zu thun: die Revolution zu unterdrücken, und
zu verhindern, daß die neue Ordnung in Frankreich ſich befeſtige! Dar-
auf erging er ſich wieder in den gewohnten Zärtlichkeitsbetheuerungen: ich
liebe den König nicht nur wie ein Sohn, „ich verehre ihn auch, als wäre
ich ſein Unterthan und er mein Souverän!“ Der König ließ ſich durch
dieſe plumpen Schmeicheleien nicht blenden, ſondern ſprach nachdrücklich ſein
Bedauern aus über die unverſöhnliche Geſinnung des Schwiegerſohnes.***)

Nur in den orientaliſchen und den polniſchen Händeln konnte Nikolaus
auf die unbedingte Unterſtützung ſeiner Bundesgenoſſen rechnen. Obwohl

*) Maltzan’s Berichte, Mai 1838.
**) Maltzan’s Bericht, 5. Sept. 1838.
***) Werther’s Bericht an den König, 31. Mai 1838 mit Randbemerkungen des
Königs. Werther an Maltzan, 6. Juni 1838.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0541" n="527"/><fw place="top" type="header">Das Triumvirat. Zweite Teplitzer Zu&#x017F;ammenkunft.</fw><lb/>
grätz, ein &#x017F;trenger, hochmüthiger Soldat von hartcon&#x017F;ervativen Grund&#x017F;ätzen;<lb/>
der hatte im Jahre 1831 den geheimen Auftrag erhalten, nöthigenfalls mit<lb/>
einer Brigade in das aufrühreri&#x017F;che Sach&#x017F;en einzurücken, und erfreute &#x017F;ich<lb/>
der be&#x017F;onderen Gun&#x017F;t des Czaren. Gleichwohl übte Rußland auf die innere<lb/>
Verwaltung des Nachbarreichs durchaus keinen Einfluß. Geleitet von dem<lb/>
grei&#x017F;en Triumvirate arbeitete die Ma&#x017F;chine in der alten gedankenlo&#x017F;en<lb/>
Wei&#x017F;e weiter; Erzherzog Ludwig &#x017F;agte mit türki&#x017F;cher Gela&#x017F;&#x017F;enheit zu jedem<lb/>
Reformvor&#x017F;chlage Nein, und ein &#x017F;trengeres Regiment, wie Nikolaus es<lb/>
wün&#x017F;chte, wäre doch auch eine Neuerung gewe&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Unterde&#x017F;&#x017F;en ver&#x017F;uchte Metternich nach wie vor den drei Monarchen als<lb/>
Mentor zu dienen. Nachdem er im Jahre 1837 den König von Preußen<lb/>
im Teplitzer Bade be&#x017F;ucht hatte, wußte er&#x2019;s im Jahre darauf einzufädeln,<lb/>
daß die beiden nordi&#x017F;chen Herr&#x017F;cher wieder in Teplitz mit ihm zu&#x017F;ammen-<lb/>
trafen. Der arme Kai&#x017F;er Ferdinand wurde ferngehalten, weil er das letzte<lb/>
mal eine gar &#x017F;o arm&#x017F;elige Rolle ge&#x017F;pielt hatte, und zum Scheine durch<lb/>
&#x017F;einen Bruder Franz Karl vertreten.<note place="foot" n="*)">Maltzan&#x2019;s Berichte, Mai 1838.</note> Hier wie bei allen die&#x017F;en Zu&#x017F;ammen-<lb/>
künften wahrte man &#x017F;orglich den Schein der Eintracht, und Metternich &#x017F;agte<lb/>
beim Ab&#x017F;chied verbindlich zu dem Czaren: &#x201E;wenn man in die eine Wag-<lb/>
&#x017F;chale die ru&#x017F;&#x017F;i&#x017F;che Politik legte, in die andere die ö&#x017F;terreichi&#x017F;che, &#x017F;o würde<lb/>
das Zünglein nicht &#x017F;chwanken.&#x201C;<note place="foot" n="**)">Maltzan&#x2019;s Bericht, 5. Sept. 1838.</note> In Wahrheit be&#x017F;tand der alte Gegen&#x017F;atz<lb/>
fort. Die Friedenspolitik der beiden deut&#x017F;chen Mächte blieb dem Czaren<lb/>
ein Greuel. Meine religiö&#x017F;e Erziehung, &#x017F;o betheuerte er dem preußi&#x017F;chen<lb/>
Mini&#x017F;ter Werther, hat mir einen tiefen Ab&#x017F;cheu eingeflößt wider Alle, die<lb/>
mit frevelnder Hand die geheiligten Rechte der legitimen Souveräne an-<lb/>
ta&#x017F;ten. Rußland i&#x017F;t &#x017F;o groß und reich, daß es &#x017F;ich um die ganze Welt<lb/>
nicht zu kümmern braucht. Wenn ich es könnte, &#x017F;o würde ich mein Reich<lb/>
mit einer Mauer um&#x017F;chließen. Aber die Anerkennung Ludwig Philipp&#x2019;s<lb/>
war ein Fehler, nie werde ich ihn &#x201E;Mein Bruder&#x201C; nennen. Einmal, viel-<lb/>
leicht er&#x017F;t unter dem Herzog von Orleans, wird ein Krieg der drei con-<lb/>
&#x017F;ervativen Mächte gegen das illegitime Frankreich doch nöthig werden. Für<lb/>
jetzt haben wir zwei Dinge zu thun: die Revolution zu unterdrücken, und<lb/>
zu verhindern, daß die neue Ordnung in Frankreich &#x017F;ich befe&#x017F;tige! Dar-<lb/>
auf erging er &#x017F;ich wieder in den gewohnten Zärtlichkeitsbetheuerungen: ich<lb/>
liebe den König nicht nur wie ein Sohn, &#x201E;ich verehre ihn auch, als wäre<lb/>
ich &#x017F;ein Unterthan und er mein Souverän!&#x201C; Der König ließ &#x017F;ich durch<lb/>
die&#x017F;e plumpen Schmeicheleien nicht blenden, &#x017F;ondern &#x017F;prach nachdrücklich &#x017F;ein<lb/>
Bedauern aus über die unver&#x017F;öhnliche Ge&#x017F;innung des Schwieger&#x017F;ohnes.<note place="foot" n="***)">Werther&#x2019;s Bericht an den König, 31. Mai 1838 mit Randbemerkungen des<lb/>
Königs. Werther an Maltzan, 6. Juni 1838.</note></p><lb/>
          <p>Nur in den orientali&#x017F;chen und den polni&#x017F;chen Händeln konnte Nikolaus<lb/>
auf die unbedingte Unter&#x017F;tützung &#x017F;einer Bundesgeno&#x017F;&#x017F;en rechnen. Obwohl<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[527/0541] Das Triumvirat. Zweite Teplitzer Zuſammenkunft. grätz, ein ſtrenger, hochmüthiger Soldat von hartconſervativen Grundſätzen; der hatte im Jahre 1831 den geheimen Auftrag erhalten, nöthigenfalls mit einer Brigade in das aufrühreriſche Sachſen einzurücken, und erfreute ſich der beſonderen Gunſt des Czaren. Gleichwohl übte Rußland auf die innere Verwaltung des Nachbarreichs durchaus keinen Einfluß. Geleitet von dem greiſen Triumvirate arbeitete die Maſchine in der alten gedankenloſen Weiſe weiter; Erzherzog Ludwig ſagte mit türkiſcher Gelaſſenheit zu jedem Reformvorſchlage Nein, und ein ſtrengeres Regiment, wie Nikolaus es wünſchte, wäre doch auch eine Neuerung geweſen. Unterdeſſen verſuchte Metternich nach wie vor den drei Monarchen als Mentor zu dienen. Nachdem er im Jahre 1837 den König von Preußen im Teplitzer Bade beſucht hatte, wußte er’s im Jahre darauf einzufädeln, daß die beiden nordiſchen Herrſcher wieder in Teplitz mit ihm zuſammen- trafen. Der arme Kaiſer Ferdinand wurde ferngehalten, weil er das letzte mal eine gar ſo armſelige Rolle geſpielt hatte, und zum Scheine durch ſeinen Bruder Franz Karl vertreten. *) Hier wie bei allen dieſen Zuſammen- künften wahrte man ſorglich den Schein der Eintracht, und Metternich ſagte beim Abſchied verbindlich zu dem Czaren: „wenn man in die eine Wag- ſchale die ruſſiſche Politik legte, in die andere die öſterreichiſche, ſo würde das Zünglein nicht ſchwanken.“ **) In Wahrheit beſtand der alte Gegenſatz fort. Die Friedenspolitik der beiden deutſchen Mächte blieb dem Czaren ein Greuel. Meine religiöſe Erziehung, ſo betheuerte er dem preußiſchen Miniſter Werther, hat mir einen tiefen Abſcheu eingeflößt wider Alle, die mit frevelnder Hand die geheiligten Rechte der legitimen Souveräne an- taſten. Rußland iſt ſo groß und reich, daß es ſich um die ganze Welt nicht zu kümmern braucht. Wenn ich es könnte, ſo würde ich mein Reich mit einer Mauer umſchließen. Aber die Anerkennung Ludwig Philipp’s war ein Fehler, nie werde ich ihn „Mein Bruder“ nennen. Einmal, viel- leicht erſt unter dem Herzog von Orleans, wird ein Krieg der drei con- ſervativen Mächte gegen das illegitime Frankreich doch nöthig werden. Für jetzt haben wir zwei Dinge zu thun: die Revolution zu unterdrücken, und zu verhindern, daß die neue Ordnung in Frankreich ſich befeſtige! Dar- auf erging er ſich wieder in den gewohnten Zärtlichkeitsbetheuerungen: ich liebe den König nicht nur wie ein Sohn, „ich verehre ihn auch, als wäre ich ſein Unterthan und er mein Souverän!“ Der König ließ ſich durch dieſe plumpen Schmeicheleien nicht blenden, ſondern ſprach nachdrücklich ſein Bedauern aus über die unverſöhnliche Geſinnung des Schwiegerſohnes. ***) Nur in den orientaliſchen und den polniſchen Händeln konnte Nikolaus auf die unbedingte Unterſtützung ſeiner Bundesgenoſſen rechnen. Obwohl *) Maltzan’s Berichte, Mai 1838. **) Maltzan’s Bericht, 5. Sept. 1838. ***) Werther’s Bericht an den König, 31. Mai 1838 mit Randbemerkungen des Königs. Werther an Maltzan, 6. Juni 1838.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/541
Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 527. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/541>, abgerufen am 24.11.2024.