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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889.

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Streit in der Hofburg. Rückkehr der Jesuiten.
gegen Preußens Ehrgeiz; mit Maltzan sprach er über die europäischen
Fragen offenherzig, über Deutschland sehr wenig.*) Er hoffte das wan-
kende Ansehen des alten Kaiserstaates zu befestigen, wenn Oesterreich wieder
als die Schutzmacht des deutschen Katholicismus aufträte. Darum kam
er, unbekümmert um Kolowrat's Widerspruch, einem alten Herzenswunsche
der beiden bairischen Schwestern gefällig entgegen, und erklärte sich bereit,
eine geheime Zusage einzulösen, welche Kaiser Franz schon vor acht Jahren
dem General des Jesuitenordens gegeben hatte. Zu Maltzan sagte er
beschwichtigend: die Jesuiten sind ja schon längst unter uns, als kluge
Ligorianer.**) Im März 1836 wurden die Jesuiten wieder zugelassen,
die bisher unter ihrem wahren Namen nur in Galizien gehaust und dort,
durch gehässige Zänkereien mit den vereinzelten evangelischen Gemeinden
des Landes, den confessionellen Frieden schon arg gestört hatten.***) Sie
säumten nicht dem Rufe zu folgen; in Tirol, in Steiermark, in der Lom-
bardei, in Wien errichteten sie ihre Häuser; ihre Lehrer bedurften keiner
Staatsprüfung, ihre jungen Theologen lebten nach der ratio studiorum
des Ordens. So zog die Gesellschaft Jesu in Oesterreich triumphirend ein,
zur selben Zeit, da in Preußen schon der folgenschwere Streit zwischen
Staat und Kirche begann; und je schärfer die Gegensätze in Norddeutschland
sich zuspitzten, um so mehr befestigte sich Metternich in seiner neugewonnenen
clericalen Gesinnung, zur Herzensfreude seiner Gattin, die in kirchlichen
Dingen mit ihrer mächtigen Feindin, der Erzherzogin Sophie durchaus über-
einstimmte. Den Wienern freilich, zumal den leichtlebigen Herren vom hohen
Adel, war dies ungewohnte pfäffische Wesen sehr widerwärtig. Der witzige
Fürst Dietrichstein besang in einem französischen Gedichte den jesuitenfreund-
lichen Staatskanzler; er feierte die Macht des ehelichen und des päpst-
lichen Pantoffels: Qui sous la pantoufle se plaeit, voudrait nous voir
tous sous la mule.

Auch bei den Berathungen über das Heerwesen unterlag Kolowrat. Er
wünschte dem greisen Erzherzog Karl den Oberbefehl zu übertragen und den
Bestand des Heeres herabzusetzen, weil durch die Rüstungen der letzten Jahre
schon ein jährliches Deficit von mindestens 30 Mill. fl. entstanden war. Met-
ternich aber wollte weder seinen Vertrauten Clam fallen lassen noch ange-
sichts der Kriegsgefahren das Heer vermindern, und Erzherzog Ludwig gab
ihm Recht. Als Kolowrat hierauf das starre Prohibitivsystem, zunächst durch
eine Erleichterung der Zuckerzölle, zu mildern versuchte, da setzte Erzherzog
Ludwig die bereits erlassene Verordnung nachträglich außer Kraft. Kolowrat
nahm Urlaub, er dachte seine Entlassung zu fordern und wagte es doch
nicht im Ernst. Da auch Metternich die Sachkenntniß seines Gegners in

*) Maltzan's Bericht, 26. Dec. 1835.
**) Maltzan's Bericht, 8. Febr. 1836.
***) Entschließung Sr. k. k. Majestät vom 19. März 1836. Maltzan's Bericht,
6. April 1836.

Streit in der Hofburg. Rückkehr der Jeſuiten.
gegen Preußens Ehrgeiz; mit Maltzan ſprach er über die europäiſchen
Fragen offenherzig, über Deutſchland ſehr wenig.*) Er hoffte das wan-
kende Anſehen des alten Kaiſerſtaates zu befeſtigen, wenn Oeſterreich wieder
als die Schutzmacht des deutſchen Katholicismus aufträte. Darum kam
er, unbekümmert um Kolowrat’s Widerſpruch, einem alten Herzenswunſche
der beiden bairiſchen Schweſtern gefällig entgegen, und erklärte ſich bereit,
eine geheime Zuſage einzulöſen, welche Kaiſer Franz ſchon vor acht Jahren
dem General des Jeſuitenordens gegeben hatte. Zu Maltzan ſagte er
beſchwichtigend: die Jeſuiten ſind ja ſchon längſt unter uns, als kluge
Ligorianer.**) Im März 1836 wurden die Jeſuiten wieder zugelaſſen,
die bisher unter ihrem wahren Namen nur in Galizien gehauſt und dort,
durch gehäſſige Zänkereien mit den vereinzelten evangeliſchen Gemeinden
des Landes, den confeſſionellen Frieden ſchon arg geſtört hatten.***) Sie
ſäumten nicht dem Rufe zu folgen; in Tirol, in Steiermark, in der Lom-
bardei, in Wien errichteten ſie ihre Häuſer; ihre Lehrer bedurften keiner
Staatsprüfung, ihre jungen Theologen lebten nach der ratio studiorum
des Ordens. So zog die Geſellſchaft Jeſu in Oeſterreich triumphirend ein,
zur ſelben Zeit, da in Preußen ſchon der folgenſchwere Streit zwiſchen
Staat und Kirche begann; und je ſchärfer die Gegenſätze in Norddeutſchland
ſich zuſpitzten, um ſo mehr befeſtigte ſich Metternich in ſeiner neugewonnenen
clericalen Geſinnung, zur Herzensfreude ſeiner Gattin, die in kirchlichen
Dingen mit ihrer mächtigen Feindin, der Erzherzogin Sophie durchaus über-
einſtimmte. Den Wienern freilich, zumal den leichtlebigen Herren vom hohen
Adel, war dies ungewohnte pfäffiſche Weſen ſehr widerwärtig. Der witzige
Fürſt Dietrichſtein beſang in einem franzöſiſchen Gedichte den jeſuitenfreund-
lichen Staatskanzler; er feierte die Macht des ehelichen und des päpſt-
lichen Pantoffels: Qui sous la pantoufle se plaît, voudrait nous voir
tous sous la mule.

Auch bei den Berathungen über das Heerweſen unterlag Kolowrat. Er
wünſchte dem greiſen Erzherzog Karl den Oberbefehl zu übertragen und den
Beſtand des Heeres herabzuſetzen, weil durch die Rüſtungen der letzten Jahre
ſchon ein jährliches Deficit von mindeſtens 30 Mill. fl. entſtanden war. Met-
ternich aber wollte weder ſeinen Vertrauten Clam fallen laſſen noch ange-
ſichts der Kriegsgefahren das Heer vermindern, und Erzherzog Ludwig gab
ihm Recht. Als Kolowrat hierauf das ſtarre Prohibitivſyſtem, zunächſt durch
eine Erleichterung der Zuckerzölle, zu mildern verſuchte, da ſetzte Erzherzog
Ludwig die bereits erlaſſene Verordnung nachträglich außer Kraft. Kolowrat
nahm Urlaub, er dachte ſeine Entlaſſung zu fordern und wagte es doch
nicht im Ernſt. Da auch Metternich die Sachkenntniß ſeines Gegners in

*) Maltzan’s Bericht, 26. Dec. 1835.
**) Maltzan’s Bericht, 8. Febr. 1836.
***) Entſchließung Sr. k. k. Majeſtät vom 19. März 1836. Maltzan’s Bericht,
6. April 1836.
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[525/0539] Streit in der Hofburg. Rückkehr der Jeſuiten. gegen Preußens Ehrgeiz; mit Maltzan ſprach er über die europäiſchen Fragen offenherzig, über Deutſchland ſehr wenig. *) Er hoffte das wan- kende Anſehen des alten Kaiſerſtaates zu befeſtigen, wenn Oeſterreich wieder als die Schutzmacht des deutſchen Katholicismus aufträte. Darum kam er, unbekümmert um Kolowrat’s Widerſpruch, einem alten Herzenswunſche der beiden bairiſchen Schweſtern gefällig entgegen, und erklärte ſich bereit, eine geheime Zuſage einzulöſen, welche Kaiſer Franz ſchon vor acht Jahren dem General des Jeſuitenordens gegeben hatte. Zu Maltzan ſagte er beſchwichtigend: die Jeſuiten ſind ja ſchon längſt unter uns, als kluge Ligorianer. **) Im März 1836 wurden die Jeſuiten wieder zugelaſſen, die bisher unter ihrem wahren Namen nur in Galizien gehauſt und dort, durch gehäſſige Zänkereien mit den vereinzelten evangeliſchen Gemeinden des Landes, den confeſſionellen Frieden ſchon arg geſtört hatten. ***) Sie ſäumten nicht dem Rufe zu folgen; in Tirol, in Steiermark, in der Lom- bardei, in Wien errichteten ſie ihre Häuſer; ihre Lehrer bedurften keiner Staatsprüfung, ihre jungen Theologen lebten nach der ratio studiorum des Ordens. So zog die Geſellſchaft Jeſu in Oeſterreich triumphirend ein, zur ſelben Zeit, da in Preußen ſchon der folgenſchwere Streit zwiſchen Staat und Kirche begann; und je ſchärfer die Gegenſätze in Norddeutſchland ſich zuſpitzten, um ſo mehr befeſtigte ſich Metternich in ſeiner neugewonnenen clericalen Geſinnung, zur Herzensfreude ſeiner Gattin, die in kirchlichen Dingen mit ihrer mächtigen Feindin, der Erzherzogin Sophie durchaus über- einſtimmte. Den Wienern freilich, zumal den leichtlebigen Herren vom hohen Adel, war dies ungewohnte pfäffiſche Weſen ſehr widerwärtig. Der witzige Fürſt Dietrichſtein beſang in einem franzöſiſchen Gedichte den jeſuitenfreund- lichen Staatskanzler; er feierte die Macht des ehelichen und des päpſt- lichen Pantoffels: Qui sous la pantoufle se plaît, voudrait nous voir tous sous la mule. Auch bei den Berathungen über das Heerweſen unterlag Kolowrat. Er wünſchte dem greiſen Erzherzog Karl den Oberbefehl zu übertragen und den Beſtand des Heeres herabzuſetzen, weil durch die Rüſtungen der letzten Jahre ſchon ein jährliches Deficit von mindeſtens 30 Mill. fl. entſtanden war. Met- ternich aber wollte weder ſeinen Vertrauten Clam fallen laſſen noch ange- ſichts der Kriegsgefahren das Heer vermindern, und Erzherzog Ludwig gab ihm Recht. Als Kolowrat hierauf das ſtarre Prohibitivſyſtem, zunächſt durch eine Erleichterung der Zuckerzölle, zu mildern verſuchte, da ſetzte Erzherzog Ludwig die bereits erlaſſene Verordnung nachträglich außer Kraft. Kolowrat nahm Urlaub, er dachte ſeine Entlaſſung zu fordern und wagte es doch nicht im Ernſt. Da auch Metternich die Sachkenntniß ſeines Gegners in *) Maltzan’s Bericht, 26. Dec. 1835. **) Maltzan’s Bericht, 8. Febr. 1836. ***) Entſchließung Sr. k. k. Majeſtät vom 19. März 1836. Maltzan’s Bericht, 6. April 1836.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 525. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/539>, abgerufen am 28.11.2024.