ist wichtiger als der auswärtige Handel, jener schlägt dreimal, dieser ein- mal im Jahre das Capital um. Manche deutsche Staaten erhalten durch das Handelssystem einen zwanzig- bis zweihundertmal größeren Markt für ihre Produkte. Dazu kommen zweitens die finanziellen Vortheile. Der Satz: "je billiger die Abgabe, desto größer der Ertrag" wird sich auch diesmal bewähren, wenngleich vielleicht die erste Uebergangszeit einige Aus- fälle bringen mag. Wichtiger ist drittens der politische Gewinn. "Wenn es staatswissenschaftliche Wahrheit ist, daß Zölle nur die Folge politischer Trennung verschiedener Staaten sind, so muß es auch Wahrheit sein, daß Einigung dieser Staaten zu einem Zoll- und Handels-Verbande zugleich auch Einigung zu einem und demselben politischen Systeme mit sich führt."
Nun wird in großen Zügen die fridericianische Politik den Wittels- bachern gegenüber geschildert: wie Friedrich den ersten Nicht-Oesterreicher, Karl VII. auf den Kaiserthron erhoben, dann durch den bairischen Erb- folgekrieg und den Fürstenbund Baiern dreimal vom Untergange gerettet habe. Preußen hat bisher von alledem noch keine Frucht geerntet. Baierns feindselige Haltung zur Zeit des Rheinbundes und der ansbach-baireuther Händel erklärt sich nur aus "der totalen Verwirrung und Verirrung der Staatenpolitik" jener revolutionären Tage. Heute aber kann Preußen kein Mißtrauen mehr einflößen, sondern muß wünschen "mit allen den Staaten, die nur von wahrhaft deutschem Interesse geleitet und Preußen mit offenem Vertrauen ergeben sind, nicht aber etwa den Besitz deutscher Provinzen blos als Vehikel für Förderung der Interessen ihrer größeren auswärtigen, Deutschlands Interessen fremden Staatenkörper zu benutzen streben, in jeder Beziehung, politisch und commerciell, sich recht innig und recht enge zu verbinden." Möglich bleibt doch der für jetzt allerdings "nicht leicht gedenkbare" Fall, daß entweder ein allgemeiner Krieg aus- bräche, oder "daß der Deutsche Bund in seiner jetzigen Gestalt sich einmal auflöste und mit Ausschluß aller heterogenen Theile sich neu gestaltete"; dann würde unser Handelssystem ungeheuer wichtig werden. Viertens bringt uns das Handelssystem eine militärische Verstärkung um 92,000 Mann. Baierns Zutritt entschied die Kriege von 1805 und 1806 zu Napoleon's Gunsten, desgleichen der Rheinbund den Krieg von 1809. Gegen Frank- reich können wir unser Rheinland nur decken, wenn wir der bairischen Pfalz sicher sind; Oesterreich aber wird durch den Handelsbund in einem weiten Bogen umfaßt, kann von Schlesien und Altbaiern her zugleich be- droht werden. Die Denkschrift schließt: "In dieser, auf gleichem Inter- esse und natürlicher Grundlage ruhenden und sich nothwendig in der Mitte von Deutschland erweiternden Verbindung wird erst wieder ein in Wahrheit verbündetes, von innen und von außen festes und freies Deutsch- land unter dem Schutz und Schirm von Preußen bestehen. Möge nur das noch Fehlende weiter ergänzt und das schon Erworbene mit umsich- tiger Sorgfalt noch weiter ausgebildet und festgehalten werden!"
III. 8. Der Zollkrieg und die erſten Zollvereine.
iſt wichtiger als der auswärtige Handel, jener ſchlägt dreimal, dieſer ein- mal im Jahre das Capital um. Manche deutſche Staaten erhalten durch das Handelsſyſtem einen zwanzig- bis zweihundertmal größeren Markt für ihre Produkte. Dazu kommen zweitens die finanziellen Vortheile. Der Satz: „je billiger die Abgabe, deſto größer der Ertrag“ wird ſich auch diesmal bewähren, wenngleich vielleicht die erſte Uebergangszeit einige Aus- fälle bringen mag. Wichtiger iſt drittens der politiſche Gewinn. „Wenn es ſtaatswiſſenſchaftliche Wahrheit iſt, daß Zölle nur die Folge politiſcher Trennung verſchiedener Staaten ſind, ſo muß es auch Wahrheit ſein, daß Einigung dieſer Staaten zu einem Zoll- und Handels-Verbande zugleich auch Einigung zu einem und demſelben politiſchen Syſteme mit ſich führt.“
Nun wird in großen Zügen die fridericianiſche Politik den Wittels- bachern gegenüber geſchildert: wie Friedrich den erſten Nicht-Oeſterreicher, Karl VII. auf den Kaiſerthron erhoben, dann durch den bairiſchen Erb- folgekrieg und den Fürſtenbund Baiern dreimal vom Untergange gerettet habe. Preußen hat bisher von alledem noch keine Frucht geerntet. Baierns feindſelige Haltung zur Zeit des Rheinbundes und der ansbach-baireuther Händel erklärt ſich nur aus „der totalen Verwirrung und Verirrung der Staatenpolitik“ jener revolutionären Tage. Heute aber kann Preußen kein Mißtrauen mehr einflößen, ſondern muß wünſchen „mit allen den Staaten, die nur von wahrhaft deutſchem Intereſſe geleitet und Preußen mit offenem Vertrauen ergeben ſind, nicht aber etwa den Beſitz deutſcher Provinzen blos als Vehikel für Förderung der Intereſſen ihrer größeren auswärtigen, Deutſchlands Intereſſen fremden Staatenkörper zu benutzen ſtreben, in jeder Beziehung, politiſch und commerciell, ſich recht innig und recht enge zu verbinden.“ Möglich bleibt doch der für jetzt allerdings „nicht leicht gedenkbare“ Fall, daß entweder ein allgemeiner Krieg aus- bräche, oder „daß der Deutſche Bund in ſeiner jetzigen Geſtalt ſich einmal auflöſte und mit Ausſchluß aller heterogenen Theile ſich neu geſtaltete“; dann würde unſer Handelsſyſtem ungeheuer wichtig werden. Viertens bringt uns das Handelsſyſtem eine militäriſche Verſtärkung um 92,000 Mann. Baierns Zutritt entſchied die Kriege von 1805 und 1806 zu Napoleon’s Gunſten, desgleichen der Rheinbund den Krieg von 1809. Gegen Frank- reich können wir unſer Rheinland nur decken, wenn wir der bairiſchen Pfalz ſicher ſind; Oeſterreich aber wird durch den Handelsbund in einem weiten Bogen umfaßt, kann von Schleſien und Altbaiern her zugleich be- droht werden. Die Denkſchrift ſchließt: „In dieſer, auf gleichem Inter- eſſe und natürlicher Grundlage ruhenden und ſich nothwendig in der Mitte von Deutſchland erweiternden Verbindung wird erſt wieder ein in Wahrheit verbündetes, von innen und von außen feſtes und freies Deutſch- land unter dem Schutz und Schirm von Preußen beſtehen. Möge nur das noch Fehlende weiter ergänzt und das ſchon Erworbene mit umſich- tiger Sorgfalt noch weiter ausgebildet und feſtgehalten werden!“
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III. 8. Der Zollkrieg und die erſten Zollvereine.
iſt wichtiger als der auswärtige Handel, jener ſchlägt dreimal, dieſer ein-
mal im Jahre das Capital um. Manche deutſche Staaten erhalten durch
das Handelsſyſtem einen zwanzig- bis zweihundertmal größeren Markt
für ihre Produkte. Dazu kommen zweitens die finanziellen Vortheile. Der
Satz: „je billiger die Abgabe, deſto größer der Ertrag“ wird ſich auch
diesmal bewähren, wenngleich vielleicht die erſte Uebergangszeit einige Aus-
fälle bringen mag. Wichtiger iſt drittens der politiſche Gewinn. „Wenn
es ſtaatswiſſenſchaftliche Wahrheit iſt, daß Zölle nur die Folge politiſcher
Trennung verſchiedener Staaten ſind, ſo muß es auch Wahrheit ſein, daß
Einigung dieſer Staaten zu einem Zoll- und Handels-Verbande zugleich
auch Einigung zu einem und demſelben politiſchen Syſteme mit ſich führt.“
Nun wird in großen Zügen die fridericianiſche Politik den Wittels-
bachern gegenüber geſchildert: wie Friedrich den erſten Nicht-Oeſterreicher,
Karl VII. auf den Kaiſerthron erhoben, dann durch den bairiſchen Erb-
folgekrieg und den Fürſtenbund Baiern dreimal vom Untergange gerettet
habe. Preußen hat bisher von alledem noch keine Frucht geerntet. Baierns
feindſelige Haltung zur Zeit des Rheinbundes und der ansbach-baireuther
Händel erklärt ſich nur aus „der totalen Verwirrung und Verirrung der
Staatenpolitik“ jener revolutionären Tage. Heute aber kann Preußen
kein Mißtrauen mehr einflößen, ſondern muß wünſchen „mit allen den
Staaten, die nur von wahrhaft deutſchem Intereſſe geleitet und Preußen
mit offenem Vertrauen ergeben ſind, nicht aber etwa den Beſitz deutſcher
Provinzen blos als Vehikel für Förderung der Intereſſen ihrer größeren
auswärtigen, Deutſchlands Intereſſen fremden Staatenkörper zu benutzen
ſtreben, in jeder Beziehung, politiſch und commerciell, ſich recht innig und
recht enge zu verbinden.“ Möglich bleibt doch der für jetzt allerdings
„nicht leicht gedenkbare“ Fall, daß entweder ein allgemeiner Krieg aus-
bräche, oder „daß der Deutſche Bund in ſeiner jetzigen Geſtalt ſich einmal
auflöſte und mit Ausſchluß aller heterogenen Theile ſich neu geſtaltete“;
dann würde unſer Handelsſyſtem ungeheuer wichtig werden. Viertens bringt
uns das Handelsſyſtem eine militäriſche Verſtärkung um 92,000 Mann.
Baierns Zutritt entſchied die Kriege von 1805 und 1806 zu Napoleon’s
Gunſten, desgleichen der Rheinbund den Krieg von 1809. Gegen Frank-
reich können wir unſer Rheinland nur decken, wenn wir der bairiſchen
Pfalz ſicher ſind; Oeſterreich aber wird durch den Handelsbund in einem
weiten Bogen umfaßt, kann von Schleſien und Altbaiern her zugleich be-
droht werden. Die Denkſchrift ſchließt: „In dieſer, auf gleichem Inter-
eſſe und natürlicher Grundlage ruhenden und ſich nothwendig in der
Mitte von Deutſchland erweiternden Verbindung wird erſt wieder ein in
Wahrheit verbündetes, von innen und von außen feſtes und freies Deutſch-
land unter dem Schutz und Schirm von Preußen beſtehen. Möge nur
das noch Fehlende weiter ergänzt und das ſchon Erworbene mit umſich-
tiger Sorgfalt noch weiter ausgebildet und feſtgehalten werden!“
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 670. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/686>, abgerufen am 22.11.2024.
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