der Dresdener Conferenz feierlich "zu einem Vereine mit Preußen wegen Sicherstellung seiner Landesabgaben auf möglichst ausführbare Weise die Hand zu bieten". Auf dies Fürstenwort vertrauend hielt König Friedrich Wilhelm den Hader nunmehr für abgethan; er ratificirte die Akte, ließ jenes unglückliche Köthener Schiff freigeben, also daß die Klage am Bun- destage ihren Gegenstand verlor, und Bernstorff lud die anhaltischen Höfe nochmals ein, in Berlin wegen der Bedingungen des Zollanschlusses zu verhandeln. Aber Monate vergingen, und kein anhaltischer Bevoll- mächtigter erschien. Dem unaufhaltsamen Köthener war es gelungen, seine wohlmeinenden Vettern von Dessau und Bernburg, die ihr Wort halten wollten, wieder umzustimmen; sie hatten ihm versprechen müssen, nicht ohne ihn dem preußischen Zollsysteme beizutreten, und er war in- zwischen mit seinem Adam Müller über einen neuen Betrug einig ge- worden.
Da die Elbschifffahrtsakte im März 1822 in Kraft treten sollte, so entschloß sich Minister Klewiz im Januar, das Enclavensystem gegen An- halt vorläufig aufzuheben, was die Finanzpartei in Berlin schon längst gefordert, Eichhorn aber, aus Wohlwollen gegen das Nachbarland, bis- her verhindert hatte. Man umringte demnach die drei Herzogthümer mit preußischen Zollstellen; der Elbverkehr dagegen ward, gemäß der Akte, freigegeben und Preußen begnügte sich die nach Anhalt bestimmten Schiffe einer Durchsuchung zu unterwerfen. Eben auf diese Vertrags- treue Preußens hatte Adam Müller seinen sauberen Plan berechnet. Die Durchsuchung der Elbschiffe wurde natürlich zu leerem Scheine, sobald man anhaltischerseits unredlich verfuhr. Nun thaten sich sofort mehrere große englische Exportfirmen mit köthener Kaufleuten zusammen, um den Schleichhandel unter dem Schutze des Herzogs in großem Stile zu pflegen. Das gesammte Ländchen ward ein Schwärzerwirthshaus, ein Stelldichein für die Gauner und Spitzbuben des deutschen Nordens. Die große Mehr- zahl der treuen Köthener segnete dankbar den Landesherrn, der ihnen billige Waare und reichlichen Verdienst beim schmutzigen Handel ver- schaffte. Wunderbar, wie sich die Verzehrungskraft dieses glücklichen Völk- chens mit einem male hob, als wäre ein Goldregen über das Land ge- kommen. Nicht lange, und der anhaltische Consum von ausländischen Waaren verhielt sich zu dem preußischen wie 64 : 1000, der von baumwol- lenen Waaren, die in Preußen hoch verzollt wurden, wie 165 : 1000, die Bevölkerung der beiden Lande stand wie 9 : 1000. Für die Droguen da- gegen, welche das preußische Gesetz mit einem niedrigen Zolle belegte, zeigten die Anhalter geringere Neigung; hier stellte sich das Verhältniß nur wie 13 : 1000. Und bei dieser übernatürlichen Consumtion gingen die herzoglichen Zollbeamten dem Volke mit gutem Beispiele voran: der Zollinspector Klickermann in Dessau bezog, wie Preußen aus den Listen seiner Elbzollämter nachwies, in dem einen Jahre 1825 für seinen Haus-
A. Müller’s Schleichhandelspläne.
der Dresdener Conferenz feierlich „zu einem Vereine mit Preußen wegen Sicherſtellung ſeiner Landesabgaben auf möglichſt ausführbare Weiſe die Hand zu bieten“. Auf dies Fürſtenwort vertrauend hielt König Friedrich Wilhelm den Hader nunmehr für abgethan; er ratificirte die Akte, ließ jenes unglückliche Köthener Schiff freigeben, alſo daß die Klage am Bun- destage ihren Gegenſtand verlor, und Bernſtorff lud die anhaltiſchen Höfe nochmals ein, in Berlin wegen der Bedingungen des Zollanſchluſſes zu verhandeln. Aber Monate vergingen, und kein anhaltiſcher Bevoll- mächtigter erſchien. Dem unaufhaltſamen Köthener war es gelungen, ſeine wohlmeinenden Vettern von Deſſau und Bernburg, die ihr Wort halten wollten, wieder umzuſtimmen; ſie hatten ihm verſprechen müſſen, nicht ohne ihn dem preußiſchen Zollſyſteme beizutreten, und er war in- zwiſchen mit ſeinem Adam Müller über einen neuen Betrug einig ge- worden.
Da die Elbſchifffahrtsakte im März 1822 in Kraft treten ſollte, ſo entſchloß ſich Miniſter Klewiz im Januar, das Enclavenſyſtem gegen An- halt vorläufig aufzuheben, was die Finanzpartei in Berlin ſchon längſt gefordert, Eichhorn aber, aus Wohlwollen gegen das Nachbarland, bis- her verhindert hatte. Man umringte demnach die drei Herzogthümer mit preußiſchen Zollſtellen; der Elbverkehr dagegen ward, gemäß der Akte, freigegeben und Preußen begnügte ſich die nach Anhalt beſtimmten Schiffe einer Durchſuchung zu unterwerfen. Eben auf dieſe Vertrags- treue Preußens hatte Adam Müller ſeinen ſauberen Plan berechnet. Die Durchſuchung der Elbſchiffe wurde natürlich zu leerem Scheine, ſobald man anhaltiſcherſeits unredlich verfuhr. Nun thaten ſich ſofort mehrere große engliſche Exportfirmen mit köthener Kaufleuten zuſammen, um den Schleichhandel unter dem Schutze des Herzogs in großem Stile zu pflegen. Das geſammte Ländchen ward ein Schwärzerwirthshaus, ein Stelldichein für die Gauner und Spitzbuben des deutſchen Nordens. Die große Mehr- zahl der treuen Köthener ſegnete dankbar den Landesherrn, der ihnen billige Waare und reichlichen Verdienſt beim ſchmutzigen Handel ver- ſchaffte. Wunderbar, wie ſich die Verzehrungskraft dieſes glücklichen Völk- chens mit einem male hob, als wäre ein Goldregen über das Land ge- kommen. Nicht lange, und der anhaltiſche Conſum von ausländiſchen Waaren verhielt ſich zu dem preußiſchen wie 64 : 1000, der von baumwol- lenen Waaren, die in Preußen hoch verzollt wurden, wie 165 : 1000, die Bevölkerung der beiden Lande ſtand wie 9 : 1000. Für die Droguen da- gegen, welche das preußiſche Geſetz mit einem niedrigen Zolle belegte, zeigten die Anhalter geringere Neigung; hier ſtellte ſich das Verhältniß nur wie 13 : 1000. Und bei dieſer übernatürlichen Conſumtion gingen die herzoglichen Zollbeamten dem Volke mit gutem Beiſpiele voran: der Zollinſpector Klickermann in Deſſau bezog, wie Preußen aus den Liſten ſeiner Elbzollämter nachwies, in dem einen Jahre 1825 für ſeinen Haus-
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A. Müller’s Schleichhandelspläne.
der Dresdener Conferenz feierlich „zu einem Vereine mit Preußen wegen
Sicherſtellung ſeiner Landesabgaben auf möglichſt ausführbare Weiſe die
Hand zu bieten“. Auf dies Fürſtenwort vertrauend hielt König Friedrich
Wilhelm den Hader nunmehr für abgethan; er ratificirte die Akte, ließ
jenes unglückliche Köthener Schiff freigeben, alſo daß die Klage am Bun-
destage ihren Gegenſtand verlor, und Bernſtorff lud die anhaltiſchen
Höfe nochmals ein, in Berlin wegen der Bedingungen des Zollanſchluſſes
zu verhandeln. Aber Monate vergingen, und kein anhaltiſcher Bevoll-
mächtigter erſchien. Dem unaufhaltſamen Köthener war es gelungen,
ſeine wohlmeinenden Vettern von Deſſau und Bernburg, die ihr Wort
halten wollten, wieder umzuſtimmen; ſie hatten ihm verſprechen müſſen,
nicht ohne ihn dem preußiſchen Zollſyſteme beizutreten, und er war in-
zwiſchen mit ſeinem Adam Müller über einen neuen Betrug einig ge-
worden.
Da die Elbſchifffahrtsakte im März 1822 in Kraft treten ſollte, ſo
entſchloß ſich Miniſter Klewiz im Januar, das Enclavenſyſtem gegen An-
halt vorläufig aufzuheben, was die Finanzpartei in Berlin ſchon längſt
gefordert, Eichhorn aber, aus Wohlwollen gegen das Nachbarland, bis-
her verhindert hatte. Man umringte demnach die drei Herzogthümer
mit preußiſchen Zollſtellen; der Elbverkehr dagegen ward, gemäß der
Akte, freigegeben und Preußen begnügte ſich die nach Anhalt beſtimmten
Schiffe einer Durchſuchung zu unterwerfen. Eben auf dieſe Vertrags-
treue Preußens hatte Adam Müller ſeinen ſauberen Plan berechnet. Die
Durchſuchung der Elbſchiffe wurde natürlich zu leerem Scheine, ſobald
man anhaltiſcherſeits unredlich verfuhr. Nun thaten ſich ſofort mehrere
große engliſche Exportfirmen mit köthener Kaufleuten zuſammen, um den
Schleichhandel unter dem Schutze des Herzogs in großem Stile zu pflegen.
Das geſammte Ländchen ward ein Schwärzerwirthshaus, ein Stelldichein
für die Gauner und Spitzbuben des deutſchen Nordens. Die große Mehr-
zahl der treuen Köthener ſegnete dankbar den Landesherrn, der ihnen
billige Waare und reichlichen Verdienſt beim ſchmutzigen Handel ver-
ſchaffte. Wunderbar, wie ſich die Verzehrungskraft dieſes glücklichen Völk-
chens mit einem male hob, als wäre ein Goldregen über das Land ge-
kommen. Nicht lange, und der anhaltiſche Conſum von ausländiſchen
Waaren verhielt ſich zu dem preußiſchen wie 64 : 1000, der von baumwol-
lenen Waaren, die in Preußen hoch verzollt wurden, wie 165 : 1000, die
Bevölkerung der beiden Lande ſtand wie 9 : 1000. Für die Droguen da-
gegen, welche das preußiſche Geſetz mit einem niedrigen Zolle belegte,
zeigten die Anhalter geringere Neigung; hier ſtellte ſich das Verhältniß
nur wie 13 : 1000. Und bei dieſer übernatürlichen Conſumtion gingen
die herzoglichen Zollbeamten dem Volke mit gutem Beiſpiele voran: der
Zollinſpector Klickermann in Deſſau bezog, wie Preußen aus den Liſten
ſeiner Elbzollämter nachwies, in dem einen Jahre 1825 für ſeinen Haus-
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/59>, abgerufen am 28.11.2024.
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